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Der bayrische Einzylinder mit indischem Innenleben

Die BMW G 310 GS ist wendig, wieselflink und zuverlässig. Der neue Einzylinder ist wie geschaffen für das Praterstern-Spiel.

Heute Redaktion
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Eines gleich vorweg, es gibt ein sehr gutes Argument für die kleine BMW: Den Listenpreis von 5.950 Euro brutto. Und warum ist sie so günstig? Weil das Krad ein echter indischer Bayer ist und zur Gänze beim Bayern-Partner "TVS Motor Company" im indischen Bundesstaat Tamil Nadu hergestellt wird.

Die 310er werden bei TVS in eigens errichteten Produktionsanlagen von speziell geschultem Personal nach den gleichen Qualitätsstandards wie im deutschen Werk Spandau hergestellt, schwört BMW. Tatsächlich gibt es an der Verarbeitung und Zuverlässigkeit des Testmotorrades rein gar nix auszusetzen. Ein Knopfdruck und der Motor läuft – das zählt schon einmal.

Ehemals eherne Gesetze

Früher galt es unter Eingeweihten als ehernes Gesetz, dass man bei Ausfahrten mindestens 750 Kubik dabei haben sollte. Je mehr, desto besser – Hubraum kann durch nichts ersetzt werden, lautete die Devise. Das hat sich geändert. Die kleine BMW zeigt, dass auch in einem Motor, der nicht einmal ein ganzes Seidl ansaugen kann, Schmalz steckt.

Der Motor

Der 313 Kubikzentimeter große, flüssigkeitsgekühlte Einzylindermotor mit vier Ventilen, zwei oben liegenden Nockenwellen und elektronischer Sprit-Einspritzung spendet erstaunlich viel Freude. Die 25 kW alias 34 PS bei vollen 9.500 Touren sind ganz okay, das durchaus bescheidene maximale Drehmoment von 28 Nm wird bei 7.500 Umdrehungen erreicht. Trotzdem hat die Kleine Kraft, obwohl sie fast 170 Kilo wiegt.

Aus Freude am Schalten

Wer sich mit der BMW beherzt vorwärts bewegen will, sollte schaltfreudig sein. In der Vierten bei 3.000 Touren zu beschleunigen, ist keine gute Idee und kann dauern. Deshalb haben Kupplungshand und Schaltfuß Hochbetrieb. Die Gangwechsel beim Testmotorrad liefen BMW-präzise.

Die Bremsanlage beißt zuverlässig, zuschaltbares ABS ist serienmäßig. BMW ist außerdem stolz auf den Stahlgitterrohr-Brückenrahmen, die Upside-down-Gabel und die lange Schwinge für eine hohe Fahrstabilität. Jenseits der 120 km/h wird die Sache allerdings zäh.

Ein klassisches Einsteiger-Motorrad

Die G 310 GS ist für Stadtmenschen gebaut, die es ab und zu ins Grüne zieht. Sie ist ein klassisches Einsteiger-Motorrad, das sich laut BMW-Heiligenstadt ganz hervorragend verkauft. Die Sitzposition ist für einen 1,80 Meter großen Lenker mit mittig verteilten 90 Kilo sehr entspannt. Der Sattel ist breit genug, um bequem zu sitzen. Das ganze Gerät ist schmal genug, um im Stau lässig an den Kolonnen vorbeizurollen. Beim Ampelstart ist man dabei.

Ideal für das Praterstern-Spiel

Weitere Pluspunkte sind die erstaunliche Wendigkeit und das kinderleichte Handling der 310er im Alltag. Das Krad flitzt richtig durch den Fließverkehr und scheint wie geschaffen für das altehrwürdige Praterstern-Spiel.

Exkurs zum Praterstern-Spiel

Sie kennen das Praterstern-Spiel nicht? Dann ist hier ein kurzer Exkurs nötig:

Im vorigen Jahrtausend, als noch schwarze Nummerntafeln vorherrschten, gab es eine aufstrebende junge Biker-Partie, die für ihre ebenso flotten wie verlustreichen Ausfahrten stadtbekannt war. Aus Südtirol soll die Clique wegen notorischer Massenstürze sogar ausgewiesen worden sein. Um diesem erlauchten Kreis beitreten zu können, mussten die Anwärter das Praterstern-Spiel erfolgreich absolvieren, hieß es.

Und das ging so: Der Biker musste irgendwie gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen, um die Aufmerksamkeit einer Weißen Maus zu erringen. Dann musste der Polizist zur Verfolgung animiert werden. Mit der Weißen Maus im Windschatten wurde der Praterstern angesteuert. Und dort musste der Gesetzeshüter schlussendlich im Kreisverkehr noch überrundet werden – dann stand der Aufnahme in die Biker-Partie nichts mehr im Weg. Die quicklebendige BMW G 310 GS wäre das ideale Eisen für so ein Vorhaben gewesen.

Mit aller gebotenen Deutlichkeit

Lassen Sie es mich mit aller gebotenen Deutlichkeit sagen: Das Praterstern-Spiel ist natürlich eine urbane Legende. Kein dahergelaufener Biker konnte und kann es mit den Damen und Herren der polizeilichen MOT-Einheit aufnehmen. Die Weißen Mäuse sind einfach viel zu gut.

Unterm Strich bleibt: Die BMW G 310 GS macht viel Freude für wenig Geld. Sie ist ein Allrounder mit einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis.

(GP)