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Bresnik: "Allen ist fad, sie jammern – nur einer übt"

Tennis-Ass Dominic Thiem gibt nach der Krise in Madrid sein Comeback. Kann er Rafael Nadal fordern? Günter Bresnik über einen Machtkampf auf Sand. 

Martin Huber
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Bresnik: "Nur einer hat geübt: Vormittag zwei Stunden, Nachmittag zwei Stunden – das Doppelte vom Rest."
Bresnik: "Nur einer hat geübt: Vormittag zwei Stunden, Nachmittag zwei Stunden – das Doppelte vom Rest."
GEPA

Nadal? Djokovic? Tsitsipas? Oder doch Thiem? Im Tennis geht es die nächsten Wochen um die Vorherrschaft auf Sand. Da trifft es sich gut, dass Dominic Thiem nach siebenwöchiger Turnierpause die Motivationsprobleme endlich verscheucht hat und wieder im Tennis-Zirkus aufschlägt. Ab Sonntag gibt er er beim Masters-1000-Turnier in Madrid sein Comeback - so wie Roger Federer (SZ).

Thiems Marschroute Richtung French Open

Thiem hat danach das Turnier in Rom eingeplant. Dort spielen alle Großen - auch der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic (SER) kehrt zurück - weil die Bedingungen denen von Roland Garros am ähnlichsten sind. Nur wenn die Thiem-Rückkehr schief geht, könnte die Nummer vier der Welt noch das Turnier in Lyon einlegen, um Matchpraxis zu bekommen. Das Ziel ist klar, der 30. Mai ist rot im Kalender vermerkt. Dann starten die French Open. "In Paris will ich in Bestform sein", sagt Thiem. 

"Dominic ist der einzige, der Nadal und Djokovic in Paris echt gefährden kann"

Ist Rafael Nadal am Weg zum 14. Paris-Titel zu stoppen? "Heute" fragte Günter Bresnik, den Mentor und Ex-Trainer von Thiem. "Dominic ist das größte Fragezeichen", sagt Bresnik. "Ich weiß, dass er körperlich topfit ist. Der Rest ist eine Unbekannte. Die letzten fünf Jahre war er auf Sand die Nummer 2 mit Djokovic hinter Nadal. Wenn er in Madrid oder Rom ein Viertelfinale oder ein Semifinale spielt, dann passt der Weg. Dann kann er auch in Paris ganz vorne dabei sein. Für mich ist Dominic auch heuer der einzige, der Nadal und Djokovic in Paris echt gefährden kann."

 Bresnik mit Schützling Monfils bei der Arbeit in Monte Carlo: "Die Playstation im Zimmer 723 funktioniert."
Bresnik mit Schützling Monfils bei der Arbeit in Monte Carlo: "Die Playstation im Zimmer 723 funktioniert."
Imago

Bresnik war Mitte April beim Turnier in Monte Carlo. Als Trainer von seinem Neo-Schützling Gael Monfils, der Nummer 15 der Welt. Thiem kam zeitgleich gerade vom Osterurlaub mit Freundin Lilli aus Mallorca heim. Bresnik schlenderte in seiner grauen Jogginghose und den roten Adidas-Schuhen durch den schönsten Tennisklub der Welt. Heißt: Zunächst einmal viele Stufen steigen. Die Anlage ist in den Fels gehauen. Wenn nicht gerade Corona ist, tragen die Tenniszuseher im mondänen "Country Club" weiße Hüte und sie schlürfen Moet auf einer der Sonnenterrassen. Sie schauen Weltklasse-Tennis, genießen aber gleichzeitig den atemberaubenden Blick auf das blitzblaue Meer gleich hinter dem Center Court. Zwei Fliegen mit einer Klappe quasi.  

Bresnik ist ein begeisterter Champagner-Trinker. Bei seinem Rundgang im "Country Club" ging es aber nicht um Moet oder so. Bresnik begegnete Fernando Vicente. Der Spanier ist Trainer von Andrey Rublev, der heuer hinter Stefanos Tsitsipas der zweitbeste Tennisprofi in der Jahreswertung ist. In Monte Carlo schlug er Nadal auf Sand. Nadal spielte zwar nicht wie Nadal, aber immerhin: Rublev ist jetzt einer von nur 25 Menschen, die Nadal auf Sand jemals schlagen konnten. Bresnik hat den Russen bei den French Open aber nicht auf der Rechnung. "Er ist körperlich über fünf Sätze nicht fit genug. Er geht zu oft ein, spielte heuer auch schon viele Matches."

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    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
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    gepa-pictures.com

    Nadal und die Zählerei am Trainingsplatz

    Bresnik ging weiter, bei einem Trainingsplatz blieb er stehen. "Wissen sie, in Monte Carlo haben so ziemlich alle gejammert. Jedem war fad", holt er im "Heute"-Gespräch aus. Die Jammerei verstehe er nicht. Gerade für die jungen Spieler würde sich der Turnier-Alltag in Corona-Zeiten nicht wirklich verändern. "Das Roomservice hat die gleiche Nummer für die Essensbestellung. Und die Playstation im Zimmer 723 im Hotel funktioniert genauso.“  

    "Nur einer hat geübt: Nadal. Vormittag zwei Stunden, Nachmittag zwei Stunden – das Doppelte vom Rest." Beim Trainingsplatz von Nadal wollte und konnte Bresnik nicht weitergehen. 

    "Nadal wird nie fad. Er arbeitet für den Erfolg. Das ist einfach beeindruckend"

    Wer je die Chance hat, ein Training von Nadal zu sehen, der sollte sie nützen. Es ist interessanter als die meisten Matches. Nadal zerlegt im Training das Spiel mit dem gelben Ball in winzige Teile. Nur drei, vier, fünf Schläge. Höchste Intensität. Und Wiederholungen bis zum Abwinken. "Er spielt diese Übungen seit 20 Jahren", erklärt Bresnik. "Die Rückhand punktgenau, Vorhand Punktschlag. Seine Trainer zählen mit, ob der Ball dort landet, wo er muss. Es geht um die Quote. Passt die, kommt die nächste Übung dran." Bresniks Fazit: "Nadal wird nie fad. Er arbeitet für den Erfolg. Das ist einfach beeindruckend." Bresniks Prognose: "Er hat jetzt zwei Sandplatz-Turniere in den Beinen. Zwei hat er noch vor Paris. Er trainiert mehr als alle anderen. Das Selbstvertrauen ist da. Das schaut gut aus." 

    Seit 16 Jahren ist Nadal durchgängig in den Top 10. Allein 61 ATP-Turniere gewann er auf Sand. Zum Vergleich: Thomas Muster siegte 40 Mal. Nadals Bestenliste nach Orten: Paris 13 Titel, Barcelona zwölf, Monte Carlo elf, Barcelona neun, Madrid fünf. Der 14. Titel in Paris wäre heuer ganz besonders. Mit seinem 21. Grand-Slam-Titel würde er Roger Federer überholen, wäre er die alleinige Nummer 1.   

    "Ich nehme Djokovic das nicht ab. In Paris wird er voll da sein."

    Allen voran Novak Djokovic hat da etwas dagegen. Er hält bei 18 Major-Siegen und verfolgt das große Ziel, Federer und Nadal bei den Trophäen im Wohnzimmerschrank zu überholen, wenn ihm das schon bei der Zuneigung der Fans nicht gelingt. "Er spielte zuletzt zwei schlechte Turniere auf Sand, vor allem in Monte Carlo war er weit unter seinem Niveau", findet Bresnik. "Ich nehme ihm das aber nicht ab. In Paris ist er voll da.“

    "Tsitsipas geht ans Netz nach und stellt so alle vor Probleme"

    Dann Stefanos Tsitsipas. Der Grieche hat heuer auf Sand erst ein Match verloren. Das Finale von Barcelona nach 3:38 Stunden gegen Nadal - nachdem er einen Matchball vergab. Tsitsipas hat körperlich zugelegt, hat das Potenzial für Major-Titel. In Barcelona attackierte er lange Zeit Nadals Winkelbälle mit Temposchlägen und Erfolg. Aber Bresnik glaubt nicht an den Paris-Coup. "Er hat sich gesteigert. Er geht ans Netz nach, stellt so alle vor Probleme. Aber zwei Wochen lang über fünf Sätze – nein.“

    "In Paris traue ich Federer nicht zu, dass er etwas gewinnt. Ihm fehlt die Matchhärte"

    Und Roger Federer? Der Schweizer spielte 2021 nach Knie-Operationen erst ein Turnier und ganze zwei Matches. In Madrid gibt er sein mit Spannung erwartetes Sand-Comeback. "Du darfst Federer nie abschreiben. Überall wo er auf einem Tennisplatz auftaucht, ist er gefährlich", warnt Bresnik. "Aber in Paris traue ich es ihm nicht zu, dass er etwas gewinnt. Es fehlt ihm einfach die Matchhärte." 

    "Es ist okay, wenn ich schlecht spiele - dann aber mit vollem Einsatz"

    Es gibt noch andere interessante Spieler, jüngere: Casper Ruud (Nor) gefällt Bresnik gut, auch auf den 17-jährigen Carlos Alcaraz (SPA) ist er gespannt, der 19 jährige Lorenzo Musetti (ITA) spiele "anders und variantenreich". Aber Bresnik warnt: "Es gibt einige, die ein Jahr lang gut spielen. Die richtig Großen tun das ständig. Nadal ist jetzt 15 Jahre auf Top-Niveau. Der Grund: Schauen sie, wie er arbeitet." Nachsatz: "Es ist okay, wenn ich schlecht spiele - dann aber mit vollem Einsatz." 

    "Aus Sinner wird garantiert etwas. Er macht Tempo auf beiden Seiten - darum geht's"

    Noch wäre die nächste Generation an Tennisprofis nicht bereit für die großen Titel. Bei "einem Jungen" ist Bresnik aber sicher, dass er an der Spitze ankommen wird. Jannik Sinner (ITA). 19 Jahre alt, Südtiroler, in der Kindheit ein Super-Skifahrer. Er hat rote Haare, isst in den Breakpausen genüsslich Karotten - Selbstzweifel plagen ihn also nicht. Sein Aufstieg ist rasant: Im April 2018 war er die Nummer 1.770 der Weltrangliste, ein Jahr später 319., noch ein Jahr später 73., jetzt ist er 18. Sinner scheint die Geschwindigkeit bei den Grundschlägen auf ein neues Level zu heben - mit Vor- und Rückhand. Große Teile seines Spiels sind noch nicht ausgefeilt. Dennoch stand er beim Masters-Turnier in Miami auf Hartplatz heuer im Finale, erreichte er zuletzt in Barcelona das Halbfinale.

    "Alle haben gesagt: Karatsev kann auf Sand nicht spielen. Natürlich kann er es."

    "Er ist seriös ausgebildet", meint Bresnik nüchtern. "Er hat mit Ricardo Piatti den besten Trainer der Jungen. Den Aufschlag sehe ich noch als Manko. Es wird aber garantiert etwas aus ihm, weil er mit Vor- und Rückhand viel Tempo macht. Darum geht‘s. Deshalb ist auch der Melbourne-Finalist Karatsev keine Eintagsfliege, sondern die Überraschung 2021. Alle haben gesagt: Der kann auf Sand nicht spielen. Natürlich kann er es."