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Bresnik: "In Dominic bin ich nach wie vor verliebt"

Tennis-Trainer Günter Bresnik hinterfragte nach dem Bruch mit Dominic Thiem seine Arbeit. Die Wiener Stadthalle ist für ihn ein ganz spezieller Ort.  

Martin Huber
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Bresnik: "Dieses Anbiedern finde ich widerlich."
Bresnik: "Dieses Anbiedern finde ich widerlich."
GEPA

"Dennis war wirklich daneben, als er zu mir zurückkam. Er hat nicht einmal 15 Minuten mit meinen Spielern trainieren können", erzählt Günter Bresnik im "Heute"-Gespräch. "Ich dachte mir, dass er zehn bis zwölf Monate braucht, um körperlich wieder fit zu sein. Ich bin überrascht und froh, dass es schneller ging."

Es war im April dieses Jahres, als Dennis Novak - Österreichs Nummer zwei im Tennis - aus der Thiem-Akademie von Dominics Vater Wolfgang in Traiskirchen zu seinem Langzeit-Trainer zurückkehrte. "Das war auch für mich sehr überraschend", meint Bresnik. "Wir hatten ja null Kontakt."

Wolfgang Thiem sah einen "Rachefeldzug" gegen seine Person. Er nannte Bresnik in einem ORF-Interview "Zecke", weil er immer wieder komme und in seinem Team wildere. Es war der negative Höhepunkt in einem öffentlich ausgetragenen Konflikt.

"Darauf bin ich stolz. Dieses Anbiedern finde ich widerlich"

"Ich habe noch nie in meinem Leben einen Spieler gefragt, ob er bei mir trainieren will", widerspricht Bresnik. "Darauf bin ich stolz. Dieses Anbiedern finde ich widerlich."

Für die "Erste Bank Open" in der Wiener Stadthalle und am Heumarkt bekam Novak eine Wildcard von Turnierboss Herwig Straka. "Für mich ist er durch die Verletzung von Dominic der einzige Österreicher, der aktuell wettbewerbsfähig ist", stellt Bresnik klar. "Er hat sich die Wildcard verdient – und das seit Monaten."

In Runde eins bestätigte der Jungvater das. Er schlug den im Ranking um 48 Plätze besser klassierten Italiener Gianluca Mager am Dienstagabend mit einer soliden Leistung 7:6, 7:6. 

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    Thiem mit Freundin Lili bei der Formel 1 in Spielberg
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    Ganz egal, wie Novak und Bresniks zweiter Schützling Gael Monfils in dieser Woche in Wien abschneiden, das Jahr 1991 unterbieten sie gewiss nicht.

    Vor genau 30 Jahren erlebte Günter Bresnik seine bitterste Stunde in der Stadthalle. Der relativ unerfahrene Tennistrainer ging damals noch nervöser in die Matches als seine Schützlinge. "Ich hatte vier Spieler am Start", erinnert sich der 60-Jährige, der später US-Open-Champion Dominic Thiem mehr als eineinhalb Jahrzehnte lang zum Weltklassespieler formen sollte. "Patrick McEnroe, Amos Mansdorf, Jakob Hlasek und Patrick Baur. Alle vier schieden an einem Nachmittag innerhalb weniger Stunden aus."

    "Die Stimmung erinnerte mich stark an eine Beerdigung"

    "Alle vier wohnten auch noch bei mir daheim im Haus. Als ich heimkam, saßen sie alle an einem Tisch. Die Stimmung erinnerte mich stark an eine Beerdigung."

    Das allererste Mal in der Stadthalle

    Bresnik war 17 Jahre alt, als er erstmals als Fan in der Stadthalle war. Er war Quereinsteiger. Er trug noch keinen Sonnenhut, wenn er Tennismatches schaute. Ziemlich sicher zeigte sein Gesicht damals noch Regungen, wenn am Platz Spektakuläres oder zumindest Entscheidendes passierte.

    John McEnroe hatte ihn im Jahr zuvor am Schwarz-Weiß-Fernseher seiner Oma für Tennis begeistert. Seitdem spielte Bresnik jede freie Minute. Und er schaffte es rasch zum Hilfstrainer von Eugen Gressl. Ein Tennistrainer-Original, das im Süden Wiens in Badeschlapfen Unterricht gab.

    Der Gymnasiast Bresnik beobachtete 1978 in der Stadthalle den aufstrebenden Amerikaner Nick Saviano in der Quali. Und er schaute gerne Doppelmatches. Frew McMillan hatte es ihm angetan. Das Turnier hieß damals noch "Fischer Grand Prix". "Am besten war die Stimmung, wenn Hans Kary spielte", erinnert er sich. "Dieses Trampeln am Holzboden, das laute Scheppern, das habe ich noch im Kopf."

    Heute macht Bresnik gerne die Augen zu, wenn er arbeitet und am perfekten Schlag feilt. "Ich liebe das Geräusch, wenn der Ball richtig getroffen wird." Dann mache es plopp.

    Von einem ist der rot-weiß-rote Tennis-Guru, der später auch Boris Becker oder Henri Leconte betreute, felsenfest überzeugt. Am sattesten trifft den Tennisball Dominic Thiem.

    "Ich muss bei Dominic immer aufpassen, was ich sage, weil dann ein Anwaltsbrief daherkommt"

    "Ich muss bei Dominic immer aufpassen, was ich sage, weil dann ein Anwaltsbrief daherkommt", schickt er im "Heute"-Gespräch voraus. "Aber ich bin nach vor verliebt in Dominic. In den Tennisspieler. Er ist für mich technisch und spielerisch der Beste, wenn wir über die Zukunft in diesem Sport sprechen. Dominic ist besser als ein Zverev oder Tsitsipas."

    2019 trennten sich die Wege von Bresnik und Thiem. Seit einem Gerichtstermin 2020 ist dieses Kapitel auch finanziell so gut wie erledigt.

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      Lili Paul-Roncalli wirft sich gekonnt in Pose.
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      Lascana
      "Viele haben sich ihr Bild eh schon gemacht"

      Heute ist Dominic Thiem Grand-Slam-Sieger. Der 28-Jährige ist nach Motivationsproblemen, Umbrüchen im Betreuerteam und Management mit einer langwierigen Handgelenksverletzung aber auch in die größte Krise seiner Karriere gerutscht.

      Zu den Misstönen beim Umbau im Team Thiem meint Bresnik: "Das kommentiere ich nicht. Viele haben sich ihr Bild eh schon gemacht."

      "Was ich nicht mag, ist, wenn andere ihn so darstellen, als ob er dumm wäre"

      "Ich bin nicht da, um Dominic öffentlich in Schutz zu nehmen", fährt er dann fort. "Was ich aber nicht mag, ist, wenn andere ihn so darstellen, als ob er dumm wäre." Das wäre zuletzt nach Thiems Aussagen über seinen Impfstatus passiert. Bei einem Pressegespräch in Mondsee hatte Thiem gemeint, dass er noch nicht geimpft sei, weil er auf den Impfstoff Novavax warte.

      "Dominic hat auf seinen Körper immer extrem genau gehorcht. Ich glaube nicht, dass er einer ist, der andere gefährdet. Er hat Großeltern, die ihm wichtig sind. Ich mag Leute, die sich testen lassen. Die sollten nicht am Pranger stehen."

      Bresnik kenne viele Tennisspieler, die nicht geimpft seien. "Ich mag es nicht, wenn Leute andere missionieren wollen. Und wenn Leute abgeurteilt werden, weil sie in eine andere Richtung denken.“

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        Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
        Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
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        Fünf Jahre ist es her, dass Bresnik in der Stadthalle sein Buch "Die Dominic-Thiem-Methode" vorstellte. Die Buchpräsentation fand damals am Center Court statt, am Tag vor dem Turnierstart. Die unteren Ränge waren gut gefüllt. Bresnik trug an diesem Freitag einmal keinen Jogginganzug. Und man merkte ihm auch sonst an, dass er Einblick in sein Herzensprojekt gab.

        Ein Kapitel in seinem Buch möchte Bresnik auf "Heute"-Nachfrage nicht ergänzen, obwohl in den letzten Jahren "einiges passiert" sei. "Es würde das Buch nicht sympathischer oder runder machen."

        Bresnik hinterfragte sich nach Bruch mit Thiem

        Bresnik gibt zu, dass er nach dem Bruch mit Thiem seine Arbeit hinterfragte. "Wenn man einen Spieler so lange begleitet wie ich Dominic - privat und beruflich - dann wäre ich ein Trottel, wenn ich glauben würde, es ist kein Fehler passiert."

        "Im Umgang mit Leuten sollte man Dinge anders machen. Aber das war kein Jungschar-Ausflug von uns"

        "Im Umgang mit Leuten sollte man Dinge anders machen", stellt Bresnik nüchtern fest. "Um Erfolg zu haben, sind aber gewisse Dinge notwendig. Ich will das nicht mit Krieg vergleichen. Aber das war kein Jungschar-Ausflug von uns. Wenn du an die Spitze willst, wo die Top-Leute sind, dann wird viel gehobelt. Bei uns flogen die Späne."

        Es gehört zu Bresniks Angewohnheiten, junge Spieler bewusst zu ärgern, zu nerven. "Ich lasse sie Dinge tun, deren Sinn sich ihnen nicht erschließt. Um herauszufinden, wie sie sich unter Druck verhalten. Ob sie unlösbare Aufgaben als unlösbar akzeptieren oder sich ihnen doch stellen."

        Freie Marktwirtschaft und meistrespektierter Trainer

        Tennis ist für ihn in der Weltspitze die freieste Marktwirtschaft. Einer kommt weiter, einer ist weg. Darauf sollte man vorbereitet sein. Darauf legte er auch bei Thiem wert.

        "Ich bin selbstbewusst, nicht arrogant. Es gibt Dinge, da mache ich keine Fehler. Ich bin der meistrespektierte Tennistrainer der Welt"

        "Ich bin keiner, der an sich selbst zweifelt", sagt Bresnik. "Manche orten deshalb Arroganz. Ich bin selbstbewusst, aber nicht arrogant. Und es gibt Fakten. Es gibt Dinge, da mache ich keine Fehler. Die sportliche Ausbildung bei Dominic hat gepasst. Die Frage, ob da was falsch war, erübrigt sich bei seinem Werdegang. Sonst würde er nicht dort stehen, wo er ist." Nachsatz: "Ich bin international der meistrespektierteste Tennistrainer der Welt. Ich mache diesen Job nicht seit gestern. Nächstes Jahr sind es 35 Jahre. Ich hatte mit verschiedenen Spielern Erfolg."

        Auch Gael Monfils, die Nummer 19 der Welt, brachte er zuletzt wieder in die Spur.

        Der Ausnahmeathlet und einer der Entertainer im Tennis-Zirkus wählte mit 34 Jahren auf der Zielgeraden seiner Karriere ausgerechnet Bresnik aus. Jenen Trainer, der sagt: "Ein Tennisprofi ist kein Schlagersänger. Es geht um Leistung und nicht um Inszenierung."

        Monfils gewann von November 2020 bis Mai 2021 kein einziges Match auf der ATP-Tour. "Trotz intensiven Trainings", sagt Bresnik. Im Lockdown sei er viel in der Schweiz gewesen, um mit ihm zu arbeiten. "Das war schwer zu verstehen. Für ihn zählt nur das Gewinnen. Er gewinnt lieber 7:6 im dritten Satz gegen einen Blinden, als nach einer Top-Leistung zu verlieren. Es war auch Glück nötig, dass er nicht aufhörte. Er hat gezweifelt. In Amerika ging ihm dann der Knopf auf. Im Training gewinnt er jetzt wieder gegen die ganz Guten Sätze. Er serviert auch wieder gut. Er ist von den Toten auferstanden."

        Ein Ausflug zu Bertolt Brecht

        Bresnik mag bildhafte Vergleiche, um seine Arbeit zu beschreiben. Als Trainer wollte er immer so werden wie sein Vater als Arzt war. "Der beherrschte seine Arbeit, weil er Zusammenhänge verstand."

        "Mir gefällt diese Geschichte von Bertolt Brecht und seinem Herrn Keuner", holt Bresnik etwas aus. "Der Keuner gab dem Gärtner eine Gartenschere in die Hand - mit folgendem Auftrag: Schneide den Loorbeerbaum rund. Aber das wollte dem Gärtner nicht gelingen. Es war immer ein Eck drin. Mal da, mal dort. Erst am Ende wurde es eine Kugel. Aber da war der Loorbeerbaum schon ganz klein. ,Wo ist der Loorbeer?‘, fragte dann der Gärtner."

        "Viele Trainer schleifen, ohne zu wissen, wozu das führt"

        Was will Bresnik sagen? "Viele Trainer schleifen, ohne zu wissen, wozu das führt. Die ursprüngliche Substanz, die eigentliche Qualität des Sportlers darf nicht verloren gehen. Der Spieler darf nicht aalglatt werden." Große Intensitäten und Erfolge ohne Verletzung – das sei die große Kunst. "Und das ist nicht einfach."

        "Gael war bekannt dafür, dass er für Wochen verschwindet und untertaucht"

        Bei ihm und Monfils hat er am Anfang gezweifelt. "Dablost er die Umfänge?", war einer seiner ersten Gedanken. "Aber es funktioniert zwischen uns", ist er heute sicher. "Ich bin gleich alt wie sein Vater. Ich habe ein väterlich freundschaftliches Verhältnis zu ihm. Wir telefonieren täglich. Das heißt was. Gael war bekannt dafür, dass er für Wochen verschwindet und untertaucht. Keiner wusste da, wo er ist."

        Der schönste Moment in Wien

        Bleibt eine Frage: Was war eigentlich der schönste Moment Bresniks in der Stadthalle? "Der Turniersieg mit Horst Skoff 1988", antwortet er prompt. Im rein österreichischen Finale schlug Skoff damals den favorisierten Thomas Muster.

        "Vom Verband ausgemustert, war er plötzlich Stadthallensieger"

        "Ich habe mit Skoff 1987 zu arbeiten begonnen. Da spielte er auch gegen Muster, bekam aber bei 4:1 im ersten Satz Krämpfe." Bresnik kaufte sich am nächsten Tag Laufschuhe. Und ging mit Skoff in Wien Joggen. Ein Signal. "Von Tennis hatte ich zu dem Zeitpunkt noch keine Ahnung. Horsti war aber ein Jahr später so fit, dass er ins Finale kam und dort Muster in einer eigenartigen Partie schlug. Vom Verband ausgemustert, war er plötzlich Stadthallensieger. Das tat ihm gut, aber auch mir als Trainer."

        Kofferträger und Kontrollwahn

        "Kofferträger" nannte ihn damals eine Zeitung. Skoff sollte seine weitere Trainerkarriere prägen. "Den Kontrollwahn, den ich entwickelt habe, der hat vielleicht auch damit zu tun, was aus Skoff wurde, nachdem ich Einfluss auf ihn verloren hatte."

        Horst Skoff wurde nur 39 Jahre alt. Er starb in einem Hamburger Hinterhof in der Nähe eines Sado-Maso-Clubs. Die Obduktion stellte keine Hinweise auf Fremdverschulden fest. Bresnik fragt sich noch immer, ob er das verhindern hätte können. "Ich liebte ihn wie einen kleinen Bruder."

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