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Britisches Parlament lehnt alles ab – was nun?

Alle acht Vorschläge zum Brexit fielen durch. Zwei könnten aber eine neue Chance bekommen, ansonsten steht ein langer Aufschub im Raum.

Heute Redaktion
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May steht auf verlorenem Posten, Oppositionsführer Jeremy Corbyn kann sich ihre Schwäche aber mit seinem Schlingerkurs nicht zu Nutze machen.
May steht auf verlorenem Posten, Oppositionsführer Jeremy Corbyn kann sich ihre Schwäche aber mit seinem Schlingerkurs nicht zu Nutze machen.
Bild: Reuters

Kasperltheater ist noch ein höflicher Ausdruck dafür, was die Bevölkerung, Journalisten und selbst Politiker mittlerweile über das britische Unterhaus denken. Die Situation ist langsam an Skurrilität nicht mehr zu überbieten: Das Parlament lehnte (zwei Mal) den mit der EU ausgehandelten Austrittsdeal von Premierministerin Theresa May ab. Ein No-Deal, also ein Brexit ohne Abkommen, wurde ebenfalls abgelehnt. Am Mittwoch standen acht alternative Vorschläge zu Auswahl, für keinen gab es eine Mehrheit.

Simpel gesagt: Die britischen Abgeordneten wollen weder in der EU bleiben, noch austreten. Das erinnert an Schrödingers Katze, das Gedankenexperiment des Wiener Physikers Erwin Schrödinger, bei dem sein Haustier gleichzeitig tot und lebendig wäre.

Am Montag ist ein weiterer Parlamentstag dafür abgestellt, diese acht Vorschläge (oder neue?) zu behandeln, um eine Lösung für die Pattstellung zu finden. Zur Erinnerung: Wird Mays Deal nicht angenommen, muss Großbritannien ohne Abkommen am 12. April aus der EU austreten. Wird er angenommen, tritt man am 22. Mai aus. Ansonsten müssten die Briten sich bereit erklären, ab 23. Mai an den EU-Parlamentswahlen teilzunehmen und einen langfristigen Brexit-Aufschub zu akzeptieren. Die EU würde angeblich den 31. März 2020 anbieten, sickerte durch.

Diese Variante rückt immer näher, wie selbst konservative Abgeordnete der regierenden Tories zugeben. Denn Mays Deal hat kaum Chancen, endlich angenommen zu werden, sofern er überhaupt ein drittes Mal zur Abstimmung zugelassen wird. Parlamentsregeln verbieten es nämlich, denselben Antrag in einer Legislaturperiode unverändert zur Abstimmung vorzulegen. Und Änderungen an Mays Deal sind quasi unmöglich, da die EU Nachverhandlungen ausgeschlossen hat.

Da ein No-Deal aber wegen der desaströsen wirtschaftlichen Folgen ebenfalls von der großen Mehrheit der Abgeordneten abgelehnt wird, bleibt nur ein langer Brexit-Aufschub übrig. May, die den Brexit-Hardlinern in einem Kuhhandel ihren Rücktritt versprochen hat, falls sie doch endlich für ihren Deal stimmen sollten, würde nach eigenen Andeutungen auch dann zurücktreten, wenn es einen langen Aufschub gäbe.

Es müssten dann aller Logik nach (aber was hat der Brexit noch mit Logik zu tun?) Neuwahlen geben. Diese wären dann wie bereits wiederholt in den Raum gestellt an eine neues Brexit-Referendum gekoppelt.

Eine Art zweites Referendum – nämlich die Verpflichtung, dass jeglicher Brexit-Deal noch einmal dem Volk vorgelegt wird – wurde gestern zwar abgelehnt. Aber: Diese Option erhielt von allen Varianten die meiste Zustimmung im Parlament und verlor nur mit 27 Stimmen. Besonders pikant ist dabei, dass genau 27 Labour-Abgeordnete entgegen ihrem Klubzwang nicht für die Volksbefragung gestimmt haben.

Die zweitbeliebteste Option, die mit nur acht Stimmen verlor, war der Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU trotz Austritt. Gut möglich, dass diese beiden Varianten daher am Montag noch einmal debattiert werden und sogar zu einer neuen Abstimmung vorgelegt werden.

Zwar wäre ein positives Ergebnis für die Regierung rechtlich nicht bindend (die Abgeordneten müssten dies erst in einer weiteren Abstimmung anordnen), aber der Stein wäre ins Rollen gebracht: Endlich gibt es im Parlament für irgendetwas eine Mehrheit.

So wie in der Bevölkerung, wo laut zahlreichen Umfragen ein Verbleib in der EU nun die Mehrheit hat, scheinen sich immer mehr Abgeordnete damit abzufinden, dass die derzeitige EU-Mitgliedschaft den besten Deal für Großbritannien darstellt.