Politik

Bundeskanzler Kern: "New Deal steht im Herbst"

Heute Redaktion
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Im historischen Kreisky-Zimmer des Bundeskanzleramts gab Christian Kern (SP) sein erstes Zeitungsinterview als Bundeskanzler - geführt von "Heute"-Politikchef Erich Nuler und Kollegen von "Wiener Zeitung", "Österreich" und "Der Standard". Darin sprach der Neo-Politiker über seine Gedanken zu Norbert Hofer, plauderte über die Asyl-Obergrenze und verriet wer die US-Wahl gewinnen wird.

Im historischen Kreisky-Zimmer des Bundeskanzleramts gab Christian Kern (SP) sein erstes Zeitungsinterview als Bundeskanzler – geführt von "Heute"-Politikchef Erich Nuler und Kollegen von "Wiener Zeitung", "Österreich" und "Der Standard". Darin sprach der Neo-Politiker über seine Gedanken zu gewinnen wird. 

„Heute“: Mussten Sie Ihr iPhone gegen ein abhörsicheres Gerät eintauschen?

Christian Kern: Ich glaube, das ist das einzige, das ich behalten durfte [schmunzelt].

Sie haben Stimmen für Norbert Hofer als Protest verstanden. Was meinen Sie?

Zwei Dinge: die Problemlagen anzuschauen und Lösungen anzubieten. Das Dilemma ist: Wir haben Investitionsschwäche und Nachfrageschwäche, daraus resultieren Arbeitslosigkeit und schwaches Wachstum. Und immer mehr Lehrlinge machen ihren Abschluss nicht, immer mehr Schüler beherrschen Kulturtechniken (Lesen, Rechnen, Anm.) nicht ausreichend. Man könnte diese Liste weiterführen, aber ich will nicht, dass Ihre Leser in Depression verfallen. Jetzt arbeiten wir an Lösungen, die wir gut argumentieren müssen.

Was sagen Sie jenen, die nicht aus Protest sondern Überzeugung Norbert Hofer wählten?

Dass bei der FPÖ politische Konzeptionen zu finden sind, die Österreich nicht auf den Pannenstreifen führen, sondern in die Shredderanlage. Isolationismus und EU-Austritt ist für ein Land, wo ein Viertel der Jobs am Export hängen, völlig unrealistisch.

Welches Thema hat Priorität?

Man muss realistisch bleiben. Vieles braucht Zeit. Vieles kann man nur im EU-Verbund lösen, wie z.B. das Asylthema.

Und national?

Wir brauchen öffentliche Investitionen, insbesondere in den Wohnbau. Das hätte positive Auswirkung auf die Mieten. Und die Einkommensverteilung ist ein zweites großes Thema. Vom Bruttoeinkommen bleiben in Österreich EU-weit am zweitwenigsten netto. Nur Belgien liegt vor uns. Das ist ein Auftrag, auch im Interesse der Kaufkraft.

Wie tun Sie mit der FPÖ?

Wir werden Kriterien definieren, die ein Partner erfüllen muss, um mit uns zu koalieren. Da gehört die Vranitzky-Doktrin dazu: Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren.

Sie kündigen viel an. Wann legen Sie Konkretes vor?

Noch im Laufe des Sommer legen wir Maßnahmen vor. Dann bekennen wir uns in einem Prozess dazu, Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten. Einbinden wollen wir da die Opposition und den Rechnungshof.

Bis Herbst steht der New Deal?

Ja.

Was geschieht kurzfristig?

Wir werden schon vorher eine Reihe von Maßnahmen vorlegen, etwa den Handwerker-Bonus besser zu vermarkten. Für den "New Deal" müssen wir uns Zeit nehmen, nachzudenken.

Sie fordern, Dogmen über Bord zu werfen. Auch in der Bildung und dem Wohnbau, beides verhandelt die SPÖ derzeit mit der ÖVP.

Ich möchte das fortsetzen. Aber zuerst braucht’s eine Analyse ob die Richtung stimmt. Und dann geht’s zur Umsetzung. 

Fenster auf, frischer Wind…

Palastrevolutionen darf man sich nicht erwarten. Wir sind trotz allem eines der wohlhabendsten Länder. Es geht darum, die Zukunft nicht zu verspielen.

Wollen Sie die Gesamtschule?

Wir müssen uns von Dogmen trennen, das gilt für alle Seiten. Wenn ich mich am siebten Tag hinstellen und erklären würde, dass wir für alle Probleme Lösungen haben, wäre das Scharlatanerie.

Hat die ÖVP mehr Spielraum bei der Bildung angedeutet?

Da haben wir beide keine Wahl.

Sie haben einige Male die US-Serie "House of Cards" zitiert. Schauen Sie das?

Nach der ersten Staffel hat es mein Interesse nicht mehr geweckt.

Wieviele Stunden arbeiten Sie?

Ich schlafe sechs Stunden. Und mein Joggingprogramm lasse ich mir nicht nehmen.

Ihre Umfragewerte steigen. Schließen Sie Neuwahlen aus?

Wer auf Umfragen schielt, taktische Spielchen spielt, ist schlecht beraten. Ich willl bis 2018 konzentriert arbeiten.

Einschneidende Reformen können die Beliebtheit dämpfen.

Wenn wir wenigstens aus den richtigen Motiven scheitern, dann brauchen wir uns nicht fürchten. Ich habe nicht vor, die SPÖ in die Opposition zu führen. Aber am Ende des Tages sind die Grundsätze wichtiger als der Machterhalt. Nur in die Mitte zu rücken, macht uns undifferenzierbar.

Im Sommer wird die Asyl-Obergrenze erreicht sein. Was dann?

Der Richtwert von 37.500 Asylwerbern und an den Maßnahmen, die vor meiner Zeit beschlossen worden sind, halten wir fest. Jetzt überlegen wir uns, wann die Notstandsverordnung gezogen wird und wie sie zu gestalten ist. Denn das muss funktionieren.

 

Was erwarten Sie von der Türkei?

Schwierig. Ich habe mit Angela Merkel telefoniert. Sie ist der Einschätzung, dass das funktionieren kann. Ich glaube, wir werden nicht um Investitionen in Hotspots und in die Lager vor Ort herumkommen. Es ist eine Frage der Vernunft. Mit einem Euro in einem Flüchtlingscamp erreiche ich mehr als mit einem Euro, den ich brauche, wenn die Menschen hier sind.

In Deutschland dürfen Flüchtlinge nach drei Monaten arbeiten. Ein Modell für Österreich?

Selbst wer ein ablehnendes Menschenbild hat: Es ist unvernünftig, Menschen keine Perspektive zu geben und sie womöglich in die Kleinkriminalität zu drängen. Das gibt es auch.

Wollen Sie die Öffnung des Arbeitsmarkt für Flüchtlinge?

Angesichts der Arbeitslosigkeit wäre das eine weitere Belastung. Aber wir müssen uns die Frage stellen, welchen Preis es hat, wenn wir diese Frage negativ beantworten. Das muss man abwägen.

Wie stehen Sie zu einer Deckelung der Mindestsicherung?

Wir sind gut beraten, die sozialen Netze auszubauen. Deckelungen kommen für uns in der derzeit diskutierten Form nicht in Frage.

Unterschiede zwischen In- und Ausländer?

Wer legal in unserem Land ist, kann nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt werden. Sonst schaffen wir uns die nächsten Probleme.

Wie stehen Sie zu einer Richtlinienkompetenz, also einem Weisungsrecht des Kanzlers gegenüber den Ministern?

Das sieht die Verfassung aber nicht vor. Und: Sein Team muss man auch ohne diesem Recht überzeugen.

Tauschen Sie sich mit Werner Faymann aus?

Er besucht mich heute. Mit den Bundeskanzlern Vranitzky und Gusenbauer habe ich bereits ausführlich geplaudert. 

Wann reisen Sie nach Berlin, nach Bern?

Am 1. Juni wird sich eine Gelegenheit ergeben bei der Gotthardtunnel-Eröffnung. Das hat den Vorteil, dass dort Renzi, Hollande, Merkel und andere sind. Besuche in Berlin und Brüssel mache ich in den nächsten Wochen.

Zur EURO nach Frankreich?

Das habe ich leider aus meinem Kalender gestrichen. .

Wer wird US-Präsident?

Dass Donald Trump gewinnt, kann ich mir nicht vorstellen.

Dann gibt‘s eine Präsidentin.

Genau. Meine Frau hofft schon sehr auf das Damenprogramm. Sie wollte immer schon mit Bill Clinton ein paar Dinge besprechen.