Szene

Burg-Chef Kušej arbeitete als Wachmann und Surflehrer

Burgtheater-Direktor Martin Kušej sprach mit "Heute" über sein neues Buch, skurrile Nebenjobs und die Suche nach der eigenen Identität.

Amra Duric
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Am Weg zum Burgtheater-Direktor hatte Martin Kušej viele Zwischenstopps.
Am Weg zum Burgtheater-Direktor hatte Martin Kušej viele Zwischenstopps.
Helmut Graf

Seine Inszenierungen sorgten für Empörung, er gilt als Provokateur und enfant terrible der Theaterwelt. Beim "Heute"-Interview in seinem Büro im Burgtheater zeigte sich Martin Kušej hingegen entspannt. 

Über sein Buch…

Kušej nimmt im Buch das Publikum in seine Welt mit. Gleich im ersten Kapital setzt sich der Regisseur mit seinem Ruf auseinander und bezeichnet diesen als Missverständnis. "Das ist eher eine literarische Formulierung. Ich fühle mich nicht großartig missverstanden, aber das Angebot des Verlags kam ungefähr vor einem Jahr. Der Verlag meinte, ich bin jetzt in Wien eine wichtige Persönlichkeit. War ich vorher auch schon, aber wenn man in Wien ist, schaut das nochmal anders aus. Ich wollte eigentlich auf eine charmante Art und Weise erklären was ich tue und warum ich das tue, weil ich schon immer wieder mit gewissen Missverständnissen meine Person betreffend konfrontiert bin. Ich habe gedacht, ich erkläre jetzt einfach, wie ich Theater mache und woher sich das ableitet", erzählt der Burg-Chef im Gespräch mit "Heute".

Über Missverständnisse…

Welche Missverständnisse Kušej im Buch aufklärt: "Ich würde sagen, es sind zwei. Das eine ist, ich wäre ein Berserker und Stückezertrümmerer. Mir gefallen diese Vokabeln nicht, weil sie damit nichts zu tun haben. Natürlich gibt's mittlerweile im Theater verschiedene moderne Erzähltechniken, wie die Montage im Film um Beispiel. Man muss Texte, Stücke, die vor 250 Jahren entstanden sind, heute anders erzählen. Ich habe sehr großen Respekt vor den klassischen Vorlagen, den Stücken, Komponisten, Autoren und Autorinnen. Ich inszeniere fast lieber Stücke, die von Frauen geschrieben worden sind. Es gibt leider bisher viel zu wenige, und durch eine spezielle Reihe, über vergessene Autorinnen, versuchen wir jetzt gerade, auch hier im Burgtheater, das zu ändern."

Amra Durić im Gespräch mit Burgtheater-Direktor Martin Kušej.
Amra Durić im Gespräch mit Burgtheater-Direktor Martin Kušej.
Helmut Graf

Über seine Jobs als Wachmann und Surflehrer…

In seinem Buch gewährt der Intendant auch Einblicke in seinen Werdegang und seine Nebenjobs. "Grundsätzlich sehe ich alles, was in meinem Leben stattgefunden hat, als Erinnerungs-und Erfahrungsmaterial. Ganz konkret denke ich, dass die Zeit, in der ich Wachmann bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft war, doch sehr prägend war. Nicht direkt fürs Theater, aber die Erfahrung von absoluter Einsamkeit. Nacht für Nacht in einem riesengroßen Haus, einer Bank, einer Fabrik nur mit einer Taschenlampe herumzulaufen. Dort allein in die dunkelsten Keller zu gehen und jeden Winkel des Hauses kontrollieren zu müssen. Das gab öfter Gänsehaut. Angst habe ich seither wenig!"

"Es war 1982. Ich brauchte einen Job und ein Kollege meiner Mutter hat gesagt: Dein Sohn ist doch sportlich. Ich brauche dringend einen Surflehrer."

Nicht nur als Wachmann, sondern auch als Surflehrer war Kušej tätig. "Es war 1982. Ich brauchte einen Job und ein Kollege meiner Mutter hat gesagt: Dein Sohn ist doch sportlich. Ich brauche dringend Surflehrer. Ich habe eine Surf-und Segelschule am Wörthersee. Ich hatte bis dahin in meinem Leben noch nie ein Surfbrett oder Segelboot betreten und habe gesagt: ok, ich mache das. Ich habe dann einen dreiwöchigen Crashkurs gemacht, der mir sehr geholfen hat, weil ich die Fehler, die ich selbst beim Lernen gemacht habe, den Schülerinnen und Schülern genau erklären konnte. Dazu muss man wissen, dass der Wörthersee fast keinen Wind hat und ich eigentlich nur Menschen betreut habe, die im Wasser lagen. Ich habe später auch nie wieder gesurft."

Über die Auseinandersetzung mit seiner Identität…

In einem Kapitel setzt sich der Burgdirektor mit dem Thema Identität auseinander. "Wir waren Kärntner Slowenen – und ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Bis zu diesem Moment, als ich meinen Namen in seiner richtigen Schreibweise sah. Mit dem Hatschek", schreibt er.

Auch heute noch beschäftigt sich der Regisseur damit. "Ich habe klar meine Identität gefunden, die sich aus verschiedenen Bestandteilen speist. Insofern bin ich ein echter Österreicher, da kann man auch stolz darauf sein. Gleichzeitig versuche ich öffentlich ein Bewusstsein dafür zu schaffen und zu sagen: Es ist nicht immer so schwarz/ weiß, wie alle Nationalistischen Parteien behaupten, sondern dieses Land hat eine große pluralistische Geschichte und Kultur. Diese Kultur hat verschiedene Wurzeln, verschiedene Sprachen, verschiedene Religionen. Das ist etwas, was ich sehr hochschätze und was die Qualität von Österreich ausmachen könnte und sollte."

Über Anfeindungen…

Ganz offen spricht der Theatermann auch über Anfeindungen und unterschwellige Verachtung, die er erlebt hat. Selbst heute, als Intendant eines der wichtigsten Theaterhäuser, bleibt er davon nicht verschont. "Man spürt es schon, dass es gewissen Kreisen überhaupt nicht passt, dass hier ein Slowene Burgtheater-Direktor ist. Ich kann nur durch offensives Auftreten und Kommunikation zu dem Thema Bewusstsein schaffen. So Plattitüden höre ich noch oft. Wenn man auf Blogs oder in Zeitungen Kommentare liest, wird es bald sehr rassistisch."

"Hinter mir weiß" von Martin Kušej erscheint heute im "edition a"-Verlag.
"Hinter mir weiß" von Martin Kušej erscheint heute im "edition a"-Verlag.
edition a

Über das Leben in Wien…

"Ich war insgesamt 26 Jahre in Deutschland und bin dort eigentlich sozialisiert worden. Ich habe mich an die Lebensform, wie sie dort herrscht, gewöhnt und völlig vergessen, wie Österreich funktioniert und wie man hier miteinander umgeht. Was ich vor allem vergessen habe, ist die Intrige. Leute, die einen einladen etwas zu tun oder zu schaffen sind dann die Ersten, die hinter einem intrigieren. Ich finde das völlig unnötig und bin es gewohnt, dass, wenn man ein Problem hat, man darüber redet oder auch streitet. Aber diese Hinterfotzigkeit, wohl eher im Osten von Österreich, in der ehemaligen Kaiserstadt Wien, hat mit einem unbewussten Rest von Monarchie zu tun. Am Hof hat natürlich jeder versucht, irgendwie weiterzukommen und andere auszustechen. Ich habe damit jetzt und heute jedenfalls meine Probleme."

Über die politische Lage in Österreich…

"Es ist ein Polit-Theater mit Auf- und Abtritten. Was aber da mit dranhängt ist die Verantwortung für ein Land und ein Volk. Ich finde es aberwitzig, wie schnell sich hier Leute vom Acker machen, vor allem aus der aktuellen Regierungspartei, die diese ganze Misere des Landes, diese völlig vergeigte Pandemie-Bewältigung zu verantworten hat. Die sind alle nicht mehr da. Das finde ich schon billig, wenn man einfach weggeht und uns hier allein lässt mit dem Schlamassel. Natürlich kann auch was schief gehen oder misslingen – niemand von uns wusste, wie es genau gehen soll und ich bin nicht abgestellt, um irgendwelche Noten zu verteilen. Aber was in diesem Land gleichzeitig an Korruption auftaucht, ist kein Zufall und erschüttert mich zutiefst."

Über die Zukunft des Theaters…

"Ich glaube, dass in Zeiten der politischen Identitäten das Theater auf einen schweren Prüfstand gestellt wird. Es gibt Bereiche, die interessant und wichtig sind, und sie müssen endlich diskutiert und verändert werden. Wenn das Ganze aber eine unfreie, dogmatische und geradezu radikal einschränkende Diskussion wird, dann sehe ich für das Theater schwarz."

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    Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com