Politik

Marathon-Plädoyer gegen "Science Fiction"-Anklage

Der dritte Prozesstag stand ganz im Zeichen von Norbert Wess. Der Grasser-Verteidiger sprach doppelt so lang wie der Staatsanwalt.

Heute Redaktion
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Zwei kleine Einwände standen am Beginn des heutigen Prozesstages, doch sie waren schnell ausgeräumt. Dann war Norbert Wess am Wort - und das ganze sechs Stunden lang. "Zahlen, Daten und Fakten" wurden in aller Ausführlichkeit per Powerpoint an die Wand geworfen.

"Ich weiß, das ist langweilig"

In seinem epischen Plädoyer versuchte er dem Gericht darzulegen, warum Karl-Heinz Grasser unschuldig ist. Den Großteil seines Gegenangriffes verwendete er darauf, die Anklageschrift minutiös zu zerpflücken. Jeder Behauptung der Staatsanwälte wurden mehrere Powerpoint-Folien voller Einvernahmen entgegengestellt, die das Gegenteil aussagen sollen.

Die Schöffen versuchte er bei der zähen Materie mit launigen Bemerkungen ("Ich weiß, das ist langweilig, aber schauen Sie sich noch diese Folie mit mir an", "Wir klicken das jetzt etwas schneller durch, damit Sie mir nicht in Ohnmacht fallen") bei Laune zu halten.

"Glauben Sie uns"

"Seien Sie kritisch bei dem, was die Staatsanwälte sagen, seien Sie kritisch, auch bei den Anträgen die wir (die Verteidiger, Anm.) stellen. Aber glauben Sie uns, wir wissen auch, was wir tun", sagte er den Laienrichtern.

Buwog-Prozess
Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger und der Immobilienmakler Ernst Karl Plech müssen sich (neben anderen) vor Gericht in der Causa Buwog und Terminal Tower verantworten. Grassers Freunde sollen sich durch den Verkauf der Bundeswohnungen an das "Österreich-Konsortium" bereichert haben. Die Rolle Grassers (Hat er auch Geld erhalten? Hat er den entscheidende Tipp weitergesagt?) wird das Gerichtsverfahren klären. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Ausführlich beschäftigte er sich auch mit Anklagepunkten, die im Vorfeld des Prozesses fallen gelassen wurden (Stichwort Auswahl der Vergabe-Bank Lehman Brothers). Dass es darum im Prozess gar nicht gehen wird, schien Wess weniger zu stören.

Harry Potter und die bösen Staatsanwälte

Viele Vorwürfe der Anklage seien frei erfunden: "Das ist reine Harry Potter-Science Fiction der Staatsanwaltschaft", meinte Wess. "Sie wollten ein Ergebnis und sie haben es so hingebogen", wirft Wess den Staatsanwälten vor. Später erneut eine Attacke auf die Anklageschrift: "Das wiederholte Nennen des Namens unseres Angeklagten ersetzt nicht das Führen von Ermittlungen und Beweisen", sagt er.

Keine Bestechung, sondern Lobbying

Beim zweiten großen Anklagepunkt, Terminal Tower, sei der Vorwurf der Bestechungszahlung allein schon deswegen entkräftet, weil in den als Indiz angeführten E-Mails und Akten das Wort "Bestechung" nirgendwo vorkommen würde. "Keine Bestechung, sondern ganz normale Vermittlungszahlungen", sagt der Anwalt dazu.

Kein Negativbeweis möglich

Die Grasser vorgeworfenen Vertuschungshandlungen nach Auffliegen der Buwog-Affäre handelte Wess verhältnismäßig schnell ab. "Wie soll der Mag. Grasser Ihnen beweisen, dass ihm etwas nicht gehört?", so Wess. Der Negativbeweis sei denkunmöglich. Deshalb sehe das Recht auch vor, dass es der Staatsanwalt ist, der die Schuld beweisen muss.

"Sonne und Mond"

Auch auf die verdächtigen Konten, die die Staatsanwaltschaft Graser zuordnet hatte der Verteidiger nur eine kurze Antwort parat: "Das Konto 400.815 ist ihm nicht zuzurechnen, war ihm nicht zuzurechnen und wird ihm nie zuzurechnen sein. Mehr kann man dazu nicht sagen."

An der Erklärung des "Schwiegermutter-Geldes" hält er fest, obwohl das Bewegungsprofil Grassers aus dieser Zeit sie zu entkräften scheint. Abgesehen davon hat das für Wess "mit den Anklagevorwürfen so viel zu tun, wie die Sonne mit dem Mond."

Entschuldigung fürs lange Plädoyer

Am Ende des langen Verhandlungstages kam noch Grassers anderer Verteidiger, Manfred Ainedter zu Wort und formulierte eine Art Entschuldigung für das lange Plädoyer: "Ich bin ja schon betriebsblind gewesen", sagt Ainedter. Daher habe er Anwalt Norbert Wess und seine wissenschaftliche Mitarbeiterin engagiert, die einen "objektiven" Blick auf die Sache werfen sollten. Er bedankte sich zu Schluss bei den Schöffen, dass sie so aufmerksam zugehört haben.

Lesen Sie hier alle Details des dritten Verhandlungstages im Live-Ticker nach:

(csc)