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"Die Verstorbenen sind voll mit Coronaviren"

Nicht nur für Ärzte und Pfleger stellen Covid-19-Betroffene ein Gesundheitsrisiko dar. Auch nach dem Tod geht von ihnen Gefahr aus.

Heute Redaktion
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"Wer vor dem Tod hochansteckend war, der ist auch nach dem Ableben noch infektiös", sagt Aurel Perren, Direktor des Instituts für Pathologie an der Universität Bern. Da jedoch niemand wisse, wie lange dies bei an Covid-19 Verstorbenen der Fall ist, müssten er und seine Kollegen bei deren Autopsie grundsätzlich vorsichtig sein.

Für die Schutzausrichtung bedeutet das: "Sie entspricht mit FFP3-Maske, Schutzbrille oder Schutzmaske, Anzug und Handschuhen genau der, die auch Ärzte und Pfleger während des Abstrichs bei Coronaverdachtsfällen oder bei der Versorgung von Krankenhausisierten Covid-19-Betroffenen tragen", so der Experte.

Angst vor Infektion über die Luft

Auch bei der Autopsie selbst lassen die Pathologen besondere Vorsicht walten: Sie wird in speziellen Räumen der Biosicherheitsstufe 2 (BSL 2) durchgeführt, die etwa mit Schleusen von der Außenwelt abgetrennt sind. Normalerweise werden diese für die Sektion von Leichen mit Hepatitis-C oder HIV genutzt, die ebenfalls über den Tod hinaus ansteckend sind. Das genutzte Material wird in Biohazard-Säcken speziell entsorgt.

Anders als sonst darf bei der Autopsie von Corona-Toten kein Wasser laufen, erklärt Perren. So soll verhindert werden, dass beim Aufschneiden des Leichnams infektiöse Viruspartikel freigesetzt werden, die an die beim Wasserstrahl entstehenden Aerosole – winzige Tröpfchen, die durch den Raum schweben – andocken und sich über die Luft verteilen könnten. Es gibt Hinweise, dass dies möglich ist. Ob und inwieweit untersuchen aktuell unter anderem Forscher des Instituts für Umweltmedizin (IEM) am Münchner Helmholtzzentrum, wie Spiegel.de schreibt.

Keine Entnahme von Organpaketen

Auch in der Pathologie des UniversitätsKrankenhaus Basel (USB), wo mit zwölf Autopsien bislang die meisten Covid-19-Opfer der Schweiz obduziert wurden, gelten besondere Sicherheitsvorkehrungen: "Statt wie sonst ganze Organpakete aus den Leichen zu nehmen und sie dann zu untersuchen, autopsieren wir die Organe nun mit Ausnahme der Lunge im Körper", erklärt Alexandar Tzankov, Fachbereichsleiter Histopathologie und Autopsie am USB.

Mithilfe dieser Autopsie in corpore genannten Methode soll verhindert werden, dass die Pathologen mit mehr Blut und Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen als unbedingt notwendig. "Von diesen Sekreten, die tropfen und spritzen können, geht nach dem letzten Atemzug die größte Ansteckungsgefahr aus", sagt Tzankov. Wie lange diese bei Sars-CoV-2 besteht, kann auch er nicht sagen, "dafür müsste man zunächst zumindest Tiere gezielt infizieren, was nicht passieren wird". Aber von Hepatitis-C wisse man zum Beispiel, "dass die Infektiosität drei Stunden nach dem Tod drastisch abnimmt und 24 Stunden danach gegen null tendiert."

Vorerkrankungen und Todesursachen

Der Aufwand der Pathologen zahlt sich aus: Die Experten konnten Erkenntnisse gewinnen, die für die Wissenschaft im Kampf gegen das Coronavirus wichtig sein können. So konnte Tzankovs Team zeigen, dass die zwölf autopsierten Covid-19 Verstorbenen (2 Frauen und 10 Männer zwischen 56 und 96 Jahren) alle an arterieller Hypertonie gelitten haben; 82 Prozent hatten dagegen Blutdrucksenker aus der Gruppe der Sartane oder ACE-Hemmer eingenommen. 82 Prozent waren sehr stark übergewichtig. 40 Prozent der Verstorbenen hatten geraucht. 35 Prozent waren an Diabetes erkrankt, 15 Prozent an Krebs. Zudem war die Blutgruppe A deutlich übervertreten. Vieles passt zu den Befunden epidemiologischer Studien.

"Bis auf eine Ausnahme sind alle Verstorbenen voll mit Viren gewesen", so der Pathologe. Nur bei einer Frau sei der Erreger bereits vollständig eliminiert gewesen, als sie starb. "Das zeigt, dass Sars-CoV-2 eine Kaskade von Reaktionen des Körpers in Gang setzt, die schließlich zum Tod führt und nicht so sehr ein direkter Virusschaden der Lungenzellen."

Weitere Erkenntnis: "Überraschend selten wiesen die Verstorbenen Anzeichen einer Lungenentzündung auf", berichtet Tzankov. Vielmehr deuteten die feingeweblichen Untersuchungen darauf hin, "dass die Durchblutung der Lunge – die sogenannte Mikrozirkulation – sowie die Gasaustauschmembranen deutlich gestört sind." Das könnte erklären, warum trotz Beatmung schwer Erkrankte Covid-19-Patienten so schwer zu retten sind, vermutet der Pathologe.