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Coronavirus in Italien: 'Es ist, als wären wir in Wu...

Italien hat ein Dutzend Orte abgeriegelt. Die Straßen Codognos, dem Epizentrum des Coronavirus-Ausbruchs, sind wie leer gefegt.

Heute Redaktion
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Städte abgeriegelt, menschenleere Gassen, rasant steigende Infektionszahlen – diesmal nicht in China, sondern direkt vor unserer Haustür: Italien wird von einem Covid-19-Ausbruch überraschenden Ausmaßes erfasst.

Beim Karneval in Venedig sind sie gerade wieder sehr präsent: die typischen Schnabelmasken, die Ärzte in Zeiten der Pest trugen, um sich zu schützen. Doch zunehmend bestimmt in Norditalien ein anderer Mundschutz das Straßenbild und eine ganz junge Seuche macht den Menschen Angst: Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ist im Land. Wie großflächig es schon um sich gegriffen hat, lässt sich derzeit kaum absehen.

Die italienische Regierung will die Ausbreitung des Coronavirus im Norden des Landes stoppen und die am stärksten betroffenen Städte abriegeln. "Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten", sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Betroffen seien zunächst knapp ein Dutzend Orte südöstlich von Mailand mit etwa 50.000 Einwohnern sowie Vo' im benachbarten Venetien mit rund 3.000 Bewohnern.

In zehn Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen. Rund 50.000 Einwohner sind aufgerufen, möglichst zuhause zu bleiben. Großveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden verboten. Auch in Venetien wurden Maßnahmen vorbereitet, die eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern sollen. Alle Sportveranstaltungen wurden abgesagt. Die Gebiete gelten nun als "rote Zone".

Wie eine Geisterstadt

Der lombardische Ort Codogno, nur knapp 150 Kilometer von Lugano entfernt, glich laut Medienberichten am Samstag einer Geisterstadt. "In Codogno ist keine Menschenseele mehr auf der Straße. Es ist, als wären wir in Wuhan", sagte ein Bewohner gegenüber dem italienischen Staatsfernsehen.

"Ich feiere nicht, ich werde keinen Kuchen haben und keine Kerzen ausblasen." Ich werde keine Geschenke öffnen und den ganzen Tag allein mit meinem Vater zu Hause verbringen", schrieb gestern ein Mädchen aus Codogno auf Twitter, das heute ihren 17. Geburtstag feiert. "Wir erleben eine absurde Situation, hier in der Stadt reden wir über nichts anderes. Die meisten Menschen haben heute getan, was ich tun werde: Vorräte kaufen, wo noch Geschäfte geöffnet sind, und dann in mein Haus zurückkehren", erzählt ein Mann dem "Corriere del Ticino". Eine Leser-Reporterin berichtet von sehr besorgten Bekannten in Italien. Diese würden sich über nur langsam gelieferte Zahlen beklagen. Zudem seien Schutzmasken überteuert oder ausverkauft.

Codogno ist der Wohnort des mutmaßlichen "paziente zero", des ersten Patienten, bei dem in Italien das Coronavirus diagnostiziert wurde und der seit Mittwoch schwer erkrankt in der Klinik der Kleinstadt Codogno behandelt wird. Beim ersten gemeldeten Toten handelt es sich um einen 78-Jährigen in Venetien, beim zweiten um eine Frau in der Lombardei.

Laut Medienberichten weist auch die schwangere Frau des "paziente zero" Symptome auf. In einem Wettlauf mit der Zeit versuchen die Behörden nun, alle Personen zu identifizieren, mit denen der Mann Kontakt gehabt haben könnte. Das Problem hierbei: Der 38-Jährige soll ein begeisterter Hobbysportler gewesen sein und – bevor die ersten Symptome der Krankheit auftraten – an mehreren Wettkämpfen teilgenommen haben.

So soll er am 2. Februar mit anderen Läufern in Portofino und Santa Margherita Ligure einen Halbmarathon gelaufen sein. Rund 1200 Personen, darunter auch eine aus dem Tessin, sollen daran teilgenommen haben. Am 9. Februar soll der Mann an einem Rennen in Sant'Angelo Lodigiano mitgemacht haben. Am Samstag, den 15. Februar, soll er in Codogno an einem Fußballspiel teilgenommen haben. Abends, während eines Abendessens, traten schließlich die ersten Symptome auf. Zwei Tage später soll er einen Hausbesuch des Arztes erhalten und am 18. Februar in die Notaufnahme des Codogno-Krankenhauses eingeliefert worden sein.

76 Infektionen, zwei Todesfälle

In der norditalienischen Lombardei steigt die Zahl der Infektionsfälle auf 89. Damit hätten sich in Italien insgesamt mehr als hundert Menschen mit dem Virus Sars-CoV-2 angesteckt, teilt der Präsident der Region Lombardei, Attilio Fontana, mit. Bereits zwei Menschen sollen daran gestorben sein. Damit ist Italien das europäische Land mit den weitaus meisten erfassten Sars-CoV-2-Infizierten.

Auch in Südtirol bereiteten sich die Behörden auf einen Notfall vor. Unter anderem empfahlen die Gesundheitsbehörden am Samstagabend dem Südtiroler Landeshauptmann Thomas Widmann vor, die Universität Bozem sowie Kitas und Kinderhorte für die kommende Woche zu schließen. Zudem sei ein medizinischer Notfallplan erstellt worden, berichtete die Website des Rundfunksenders Südtirol.