"Ich sah Regen wie Gift, wo er hinfiel, da starb das Laub", sang Udo Jürgens 1982 in seinem Hit "5 Minuten vor 12" - und griff dabei eine der prägnantesten Umweltkrisen der 1980er-Jahre auf: das Waldsterben, verursacht durch den Sauren Regen.
Ein Jahr zuvor hatte das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit einer Mega-Schlagzeile für Bestürzung gesorgt: "Saurer Regen über Deutschland: Der Wald stirbt". Das Titelblatt aus 1981 verschaffte dem Phänomen auch hierzulande Öffentlichkeit.
Die USA könnten aufgrund der Rücknahme der Umweltschutzmaßnahmen durch die Regierung Trumps nun in die Ära giftigen Regens zurückfallen - ein Umweltproblem, das schon vor Jahrzehnten gelöst geglaubt worden war. Davor warnt jetzt jener Wissenschaftler, der den Sauren Regen in Nordamerika entdeckte.
Der "Blitzkrieg" von Donald Trumps Umweltschutzbehörde (EPA) gegen die Luft- und Wasserqualität könnte die USA in eine Zeit zurückversetzen, in der große Städte regelmäßig von Smog eingehüllt waren.
Laut des US-Biologen Gene Likens (90), dessen Experimente in den 1960er-Jahren zur Identifizierung des Sauren Regens beitrugen, könnte Trump sogar zu einer Rückkehr des Umweltphänomens beitragen.
Drastische Verbesserungen der Luftqualität in den USA hatten den Sauren Regen zu einem Problem der Vergangenheit gemacht. Wenn allerdings die Limits der Schadstoff-Emissionen von Kraftwerken, Autos und LKW weiterhin drastisch zurückgefahren würden, könnte das Schreckgespenst des Sauren Regens die USA erneut heimsuchen.
„Ich mache mir große Sorgen, dass das passieren könnte. Es ist sicherlich nicht unmöglich.“Gene Likensüber Sauren Regen im "Guardian"-Interview
"Ich mache mir große Sorgen, dass das passieren könnte. Es ist sicherlich nicht unmöglich", sagte der 90-jährige Forscher dem "Guardian". Likens ist noch immer an einem Überwachungsprojekt beteiligt, bei dem seit 1976 Regenwasser auf Säuregehalt untersucht wird. Die Finanzierung dieses Programms wurde jedoch kürzlich von der Trump-Regierung gekürzt.
"Ich hoffe, wir werden nicht zu alten Zeiten zurückkehren, daher sind diese Rückschritte sehr besorgniserregend", sagte Likens. "Die Gesundheit meiner Kinder und Enkelkinder liegt mir am Herzen. Ich möchte, dass sie saubere Luft zum Atmen haben. Sauberes Wasser und sauberer, gesunder Boden sind mir wichtig. Das möchte ich auch ihnen ermöglichen."
Es war im Jahr 1963, als Likens als junger Wissenschaftler im "Hubbard Brook Experimental Forest" in den White Mountains von New Hampshire Regenwasserproben entnahm und feststellte, dass es hundertmal saurer war als erwartet. "Das war ein echter Aha-Moment, der uns fragen ließ, was da vor sich ging", sagte er.
Jahrelange Studien von Likens und anderen Wissenschaftlern ergaben, dass die Schadstoffe aus Kohlekraftwerken im Mittleren Westen der USA vom Wind vor allem in den Osten der USA und nach Kanada getragen wurden.
Schwefeldioxid und Stickoxide in den Schadstoffen reagierten mit Wasser und Sauerstoff zu Schwefel- und Salpetersäure, die sich mit Wasser vermischten und als Saurer Regen zu Boden fielen.
Noch bis 1980 war der durchschnittliche Niederschlag in den USA zehnmal säurehaltiger als normal - was verheerende Auswirkungen auf die Umwelt hatte. Seen und Flüsse wurden zu sauer, Fische und Amphibien starben. Dem Boden wurden Nährstoffe entzogen, und der Regen beschädigte Pflanzen, Bäume und sogar Gebäude.
Ein landesweiter Aufschrei über den Sauren Regen, bei dem Zeitungskarikaturisten die sich auflösenden Regenschirme der Menschen darstellten und Forscher wie Likens immer mehr Beweise dafür vorlegten, löste schließlich politisches Handeln aus.
1990 verabschiedete der Kongress mit überwältigender Mehrheit eine Aktualisierung des "Clean Air Act", die den Sauren Regen durch die Reduzierung der Schadstoffbelastung durch Kraftwerke bekämpfen sollte.
Der republikanische Präsident George H.W. Bush unterzeichnete das Gesetz. "Jede Stadt in Amerika sollte saubere Luft haben", sagte Bush. "Ich bin fest davon überzeugt, dass uns dieses Gesetz dies ermöglichen wird." Tat es auch - zumindest bis heute.