Österreich

Darf ich einen Einbrecher aus der Wohnung prügeln?

Heute Redaktion
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Nach dem Kampf gegen den Einbrecher wurde das Einbruchsopfer selbst als Beschuldigter einvernommen.
Nach dem Kampf gegen den Einbrecher wurde das Einbruchsopfer selbst als Beschuldigter einvernommen.
Bild: privat

Als Einbruchsopfer ließ sich Mohammad J. (25) mit dem Täter auf einen Kampf ein. Trotzdem wurde er von der Polizei als "Beschuldigter" einvernommen. Wie weit darf Notwehr gehen?

Anfang November erwischte Mohammad J.einen Einbrecher in seiner Wohnung in Wien-Landstraße in flagranti. Zuerst wollte der 25-Jährige den Fremden nur festhalten und die Polizei alarmieren. Der aber dachte nicht daran, darauf zu warten, bis die Handschellen klicken und ergriff die Flucht. Als der Unbekannte vom couragierten Mieter umklammert wurde, verwendete er sein Einbruchswerkzeug (Schraubenzieher) als Waffe.

Im Stiegenhaus kam es zwischen den zwei Männern zum Kampf. Der endete damit, dass J.s Kontrahent – durch einen kraftvoll platzierten Fußtritt – die Treppe hinunter unkoordinierte Purzelbäume schlug, bis er gegen die Haustür krachte.

Rettungssprecherin Corina Had bestätigte, dass sich der Tatverdächtige bei seinem Sturz mehrere leichte Verletzungen zugezogen hatte. Darauf hin wurde J. in der Polizeiinspektion als Beschuldigter einvernommen – "wegen Verdacht auf Körperverletzung".

Was darf ich tun und was nicht?

Was man in solch einer Situation tun darf oder lieber unterlassen sollte, ist nicht einfach zu klären. Wie auch immer sich der Sachverhalt auf den ersten Blick darstellen mag, das Vorgehen der Polizei bleibt prinzipiell gleich, erklärt Polizeisprecher Patrick Maierhofer: "Die Polizei klärt keine Schuldfragen. Selbst wenn ein Beamter in einer Notwehrsituation jemanden erschießt, wird er erst mal wegen Mordes angeklagt. Ob es sich tatsächlich um Notwehr handelt, muss das Gericht rausfinden."

Bei einem Handgemenge zwischen Einbrecher und Einbruchsopfer wird genau gleich verfahren. "Das Gericht prüft, wie weit die körperliche Attacke im Rahmen der Notwehr oder Schutz des Eigentums war. Verletzt das Einbruchsopfer den Einbrecher, ist die Körperverletzung fakt, egal was sich vorher abgespielt hat. Diese wird von der Polizei zur Anzeige gebracht", so Maierhofer. Soll heißen – dass Mohammad J. als Beschuldigter einvernommen wurde, macht ihn nicht zum Täter.

Wie immer ist die Realität ein bisschen komplexer:

Der in Wien-Landstraße ansässige Rechtsanwalt Clemens Binder-Krieglstein erklärt, warum ein scheinbar leicht verständlicher Sachverhalt in juristische Haarspalterei ausarten kann: "Es gibt keine festgelegten Parameter, an denen sich die Verhältnismäßigkeit von Notwehr einfach so messen lässt. So lässt sich auch tatsächlich darüber streiten, ob es angemessen ist, einem Juwelenräuber auf der Flucht ins Bein zu schießen, wenn es sich um höchst seltenen Schmuck aus dem Familiennachlass handelt und der Beraubte keine andere Möglichkeit sieht das Eigentum zu verteidigen. Je schwerer die Tat umso intensiver darf eingegriffen werden." Der Anwalt betont zum Schluss: "Das Wichtigste ist aber, sobald wie möglich, die Polizei zu verständigen."

Stichverletzung gegen Treppensturz

Fundamentaler Streitpunkt: Mohammad J. wollte den Eindringling bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Rechtlich gesehen wäre das Anhalten ein angemessenes Mittel, wie Binder-Krieglstein bestätigte – nur provozierte er dadurch einen Kampf, bei dem der Einbrecher hätte schwer verletzt werden können, obwohl er die Auseinandersetzung vermeiden wollte. Bei einer folgenschweren Verletzung wäre das Herabstoßen nicht mehr vom Anhalterecht gedeckt. Andererseits soll der Flüchtige versucht haben, auf den Afghanen einzustechen, weil dieser von jenem Anhalterecht Gebrauch machte.

Fest steht: Bei vorsätzlichen Stichverletzungen sind die gesundheitlichen Folgen weitaus absehbarer als bei einem herbeigeführten Treppensturz durch einen Karate-Kick. Scherzhaft bemerkt der Rechtsanwalt, dass juristisch gesehen auch die Treppe eine große Rolle spielt: Wäre sie etwa viel steiler, länger und aus Stein gebaut, wäre Justitia in ihrem Urteil strenger.

J. ist froh, dass alles glimpflich ausgegangen ist: "Ich wollte ihn nicht davonkommen lassen, aber ernsthaft verletzen auch nicht." Vor Gericht verantworten muss sich vorerst nur der glücklose Einbrecher. Binder-Krieglstein jedenfalls denkt nicht, dass eine Notwehrüberschreitung vorliegt – darüber hinaus "sollte das Gesetz im Zweifelsfall das Opfer schützen und nicht den Täter".