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Days Gone im Test: Rocker, Zombies und die Liebe

Mit Days Gone startet einer der größten PS4-exklusiven Titel des Jahres 2019. Kann er dem Hype gerecht werden? Wir haben es herausgefunden.

Heute Redaktion
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Resident Evil 2 Remake, World War Z, State of Decay 2, der Zombie-Modus von Call of Duty: Black Ops III, Overkill's The Walking Dead, The Walking Dead: Die letzte Staffel – das Untoten-Setting in Videospielen feiert seit Monaten Hochsaison. So auch in Sonys neuem PS4-Abenteuer Days Gone, in dem ein Virus Mensch und Tier in kannibalistische Monster, so genannte Freaker, verwandelt hat.

Für Sony steht mit dem neuen Abenteuer viel auf dem Spiel: Noch vor dem Sommer, in dem traditionell in der Branche wenig große Blockbuster erscheinen, will man einen Meilenstein der Konsolengeschichte schaffen. So wird seit Wochen die Werbetrommel gerührt, Trailer um Trailer veröffentlicht und Vorschauen sprachen bisher von einem Meisterwerk wie Red Dead Redemption 2 oder God of War.

Umso unspektakulärer beginnt Days Gone. In einer etwas hektischen Videosequenz landet man mitten im Ausbrauch der Seuche, die Menschen zu Monstern macht, verliert die schwerverletzte große Liebe aus den Augen und verzichtet auf die eigene Rettung, um dem besten Freund zur Seite zu stehen. Mit Erklärungen gibt sich Days Gone nicht ab, für das bessere Reinkommen in den Titel wäre aber etwas mehr Ruhe angesagt gewesen.

Schwerfälliger Beginn

Das Spiel springt aber gleich zwei Jahre in die Zukunft und versetzt uns in die Rolle des Bikers Deacon St. John, der noch immer an der Seite seines Kumpels Boozer ist und verbittert wurde. Beim mutmaßlichen Tod seiner Frau blieben viele Fragen offen, bei dem was mit der Welt passiert ist ebenso. Deacon ist dabei aber nicht ein allzu gesprächiger Kerl, Eindruck macht eher die offene Spielwelt von Days Gone.

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Das aber erst später, denn erst muss der Spieler durch die große Schwäche des Titels, den Anfang. Der fällt wie ein Tutorial aus und besteht aus zumeist Videosequenzen, zwischen denen der Spieler nur eine Taste drücken oder ein paar Schritte gehen muss. So sorgt der Start des Games für unnötige Längen und spielt sich mühsam. Erst wenn man diesen Teil hinter sich gelassen hat, zeigt sich die wahre Spieltiefe und die Freiheit, die Days Gone bietet.

Einschüchternd und beeindruckend

Nach mehreren Spielminuten erlebt man, wie in der beinahe ausgelöschten Welt eine schöne, aber auch gefährliche Wildnis. entstanden ist. In dieser suchen Überlebende in kleinen Siedlungen Schutz vor den Freaker, allesfressende und allesangreifende Zombies, die einst Menschen waren. Nur nicht Deacon und Boozer, sie streifen mit ihren Bikes durchs Land statt sich hinter Mauern zu verschanzen.

Dabei bietet Days Gone Momente, die sich als großartiger Mix aus The Walking Dead und The Last of Us zeigen, sich aber nicht komplett über die 60-stündige Spielzeit ziehen. Blickt man von einer Anhöhe auf eine riesige Freaker-Gruppe in der Landschaft herab, ist das so einschüchternd wie beeindruckend. Muss man allerdings zum x-ten Mal Gegenstände sammeln, wird das mit der Zeit eintönig.

Repetitive Nebenaufgaben

Leider leidet Days Gone neben der doch soliden und spannenden Hauptgeschichte unter solchen sich wiederholenden Nebenaufgaben. Nicht der einzige Aspekt, bei dem Days Gone zwischen "gut" und großartig" schwankt. So sind die Sprachausgaben wirklich gut getroffen und vor allem Deacon weiß sich mit seiner rauen und doch netten Art sofort in unser Herz zu reden. Andererseits scheint der Protagonist dann von tragischen Toden stimmlich fast eingeschläfert zu werden, kommentiert sich dafür aber in Schleichmissionen lautstark und überdramatisch selbst.

Wirklich gut gelungen ist Days Gone alles, was mit dem Fahren und Upgraden des eigenen Motorrads zu tun hat. Muss man anfangs auf eine verrostete Maschine zurückgreifen, kann man diese mit Teilen aufrüsten. Das großartige Fahrgefühl ändert sich auch mit beinahe jedem Upgrade, seien es Stoßdämpfer, ein Zusatztank oder eine Nitro-Einspritzung, spürbar. Days Gone gibt auch selbst kaum Wege vor: Befahren kann werden, was man findet, etwa Straßen, Schotterwege oder Waldgebiete.

Manchmal überdramatisch

In der Story selbst wird das Thema "Biker" dann doch etwas überstrapaziert, vor allem in den Rückblenden, die Deacon mit seiner Frau zeigen. Sie tragen nicht nur kaum etwas zur Handlung bei, sondern sorgen auch nicht für Emotionen. Vielmehr wirken sie wie Ausschnitte aus einer Teenie-Serie mit gekünstelt ernsten Figuren. Mehr Eindruck machen da die Monologe, die Deacon über seine mutmaßlich tote Frau führt und die den Spieler den Schmerz der Hauptfigur nach und nach verstehen lassen.

Beeindruckend ist auch der Gesamtbogen der Handlung, wenn man von seichten oder überdramatischen Szenen absieht. In der ersten Hälfte des Spiels erlebt man einen Mann, der nach dem Sinn sucht, in einer solchen Welt überhaupt noch leben zu wollen. Später zeigen neue Bekanntschaften, Bedrohungen und Bündnisse, dass es mehr im leben gibt, als nur überleben zu wollen. Überzeugen kann Days Gone auch mit den Nebenfiguren, die von durchgeknallt bis brandgefährlich reichen.

Perfektes Gameplay

Schade, dass das nicht für die menschlichen Gegner gilt. Während man bei den Freakern eine wilde Masse aus Körpern ohne Persönlichkeit erwartet, bieten die menschlich gebliebenen Feinde leider nicht viel mehr. Sie werden als Art wahnsinnig gewordener Kult vorgestellt, bleiben dann aber farblos und zeigen kaum Motive, warum sie andere Menschen quälen müssen.

Perfekt umgesetzt wurde das Gameplay: Days Gone lässt Spieler entweder frontal oder schleichend vorgehen. So müssen des Öfteren kleine oder größere Außenposten der menschlichen Feinde angegriffen werden. Das kann man entweder mit direktem Reinlaufen machen, bei dem man auf alles schießt und einsticht, das sich bewegt. Oder man schleicht sich in den Posten und schaltet jeden Feind leise einzeln aus.

Viele Freiheiten

Der kreativste Weg ist es wohl, die Freaker die Arbeit machen zu lassen. Sprengt man ein Loch in die Mauer des Postens, lockt dieser Lärm die Freaker-Horden an. Aus einer Deckung kann man dann zusehen, wie Freaker und menschen sich gegenseitig dezimieren und greift erst ein, wenn von beiden Seiten nur noch wenige beteiligte übrig sind.

Generell ist Schleichen in Days Gone aber meist die bessere – und leichtere – Alternative. Feinde bewegen sich in bestimmten Mustern und die Wildniss bietet mit Gräsern, Bäumen und Sträuchern genug Deckung, um nicht gesehen zu werden. Etwas kurios: Ausgeschaltete Gegner kann man nicht tragen und verstecken – so gut wie nie wird allerdings ein anderer Gegner den Körper finden, da sich ihre Wege kaum kreuzen.

Tolles Waffenarsenal

Die KI des Feindes verzeiht im Spiel etwas viel. Solange man nicht direkt durch das Sichtfeld eines Feindes spaziert, werden sie selten alarmiert werden, auch wenn es eine Geräuschmechanik beim Laufen und Schleichen gibt. Einzelne Gegner stellen aber selbst im Kampf keine Gefahr da. Schießt man auf sie, stecken sie wenig ein und zielen selbst noch schlechter.

Im Nahkampf kann man mit gefundenen oder gebastelten Messern, Planken oder Baseballschläger attackieren – dabei bleibt genug Zeit, gegnerischen Angriffen per Tastendruck auszuweichen. Komplexer wird es im Kampf nie, aber die Waffen spielen sich sensationell. Ob Armbrust, Pistolen, Gewehre oder Prügel, Granaten, Molotovs und Bomben, das Arsenal ist so groß wie abwechslungsreich.

Highlight sind die Horden

Schwierig bis unmöglich wird der Kampf dann, wenn es gegen Horden geht. Die aus Dutzenden bis Hunderte Freakern bestehenden Gruppen und die Kämpfe gegen sie sind das, was von Days Gone wirklich im Gedächtnis bleibt. Einmal auf den Spieler aufmerksam geworden, verfolgt ihn ein mit animalischer Intelligenz ausgestatteter Haufen aus Klauen, Zähnen und toten Augen. Selbst am Bike kann man kaum fliehen – sondern muss Angründe, Fallen und schiere Waffengewalt nutzen, um eine Überlebenschance zu haben.

Dazu kommen extrem ausführliche Fähigkeitenbäume, die das Leben in der Wildnis erleichtern. Diese reichen von mehr Tragekapazitäten, Zeitlupefunktionen in Kämpfen oder generell mehr Sammelmengen. Punkte zum Freischalten erspielt man sich in den zu absolvierenden Missionen. Waffen und Gegenstände wiederum bastelt man über ein Far-Cry-ähnliches Waffenrad mit gesammelten Materialien.

"Schon wieder?"

Sammeln wird man übrigens sowieso genug, denn mit jedem entdeckten Camp schickt uns ein Anführer auf neue Missionen, bis wir uns genug "Vertrauen" erarbeitet haben, um neue Waffen und Motorrad-Teile herzustellen. Weil in der Zwischenzeit wieder Teile kaputtgehen, geht das Sammeln so auch ständig noch einmal weiter – was witzigerweise auch Deacon im Spiel manchmal mit einem genervten "Schon wieder?" kommentiert.

Grafisch bewegt sich Days Gone auf höchstem Niveau. Die Welt ist kontrast- und abwechslungsreich und dabei immer gestochen scharf. Das Spiel selbst läuft äußerst flüssig ab, die Weitsicht in der offenen Welt ist zudem enorm. Besonders die Bewegungen der Figuren und Freaker wirken ebenso realistisch wie das Fahren mit dem Bike. Wechselndes Wetter sowie Tag-Nacht-Zyklen und alles von zerbröckelnden Straßen bis hin zu schneebedeckten Bergen üben eine große Faszination aus.

Nicht vermasseln lassen

Days Gone bietet spielerisch extrem viel, doch nicht alles davon überzeugt bisher. Vor allem immer und immer wiederkehrende Sammelaufgaben trüben das eigentliche Erlebnis etwas. Das besteht daraus, in Days Gone eine unbarmherzige Welt vorzufinden, in der Freundschaft, Liebe und Überlebenswille drei der wenigen Dingen sind, die verbleiben.

Wer einer riesigen Freaker-Horde gegenübersteht oder mit dem Bike durch das ganze Land jagt, wird erkennen, welch großartigen Momente Days Gone zu bieten hat. Es wäre schade, wenn man sich das durch repetitive Aufgaben vermasseln lässt.

(rfi)