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Denkende Maschinen sind nur für Hollywood

Heute Redaktion
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Maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, Quantencomputing – im Data Lab von Volkswagen wird nach der "höchsten Wahrscheinlichkeit" geforscht.

Können Computer und Roboter denken? Haben sie das Zeug für ein Bewusstsein? Wenn die Spezialisten aus dem Data Lab der Volkswagen Konzern-IT über ihre Arbeit sprechen, hören sie diese Fragen häufig. Denn im Data Lab arbeitet ein internationales Team daran, Programmen das selbstständige Lernen beizubringen. Allerdings warnt Prof. Dr. Patrick van der Smagt, Leiter der KI-Forschung im Data Lab vor falschen Vorstellungen und Hoffnungen (oder Ängsten): "Denkende Maschinen sind etwas für Kinofilme, für Hollywood."

Die Forscher in Wolfsburg entwickeln Algorithmen, die selbstständig lernen, bestimmte Muster und Gesetzmäßig­keiten zu erkennen und vorherzusagen, um dann optimale Entscheidungen zu treffen. Der Schlüssel dazu ist das sogenannte maschinelle Lernen. Also die Fähigkeit eines Programms, Daten zu verknüpfen, Zusammenhänge zu analysieren und Vorhersagen zu treffen. Van der Smagt und sein Team gehen aber weiter: Sie setzen auf sogenannte Deep Neural Networks (tiefgehende neuronale Netze). Dazu verbinden die Spezialisten Informatik mit Mathematik, genauer: mit Wahrscheinlichkeitstheorie. Ihr Algorithmus lernt selbstständig die mathe­matisch optimale Entscheidung – also die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit richtige – in Echtzeit abzuleiten.

"Kein selbstreflektiertes Denken"

"Das Erkennen von Mustern ist aber kein selbstreflektiertes Denken", sagt van der Smagt. "Es liegt aber vermutlich in der Natur des Menschen, solchen Systemen unbewusst menschliches Verhalten oder sogar ein Bewusstsein zu unterstellen. Doch das interpretieren wir natürlich nur hinein. Ein Algorithmus lernt, indem er Daten mit mathematischer Wahrscheinlichkeit auswertet. Nicht mehr, und auch nicht weniger."

Die denkende Maschine ist also reine Fiktion. Warum aber beschäftigen sich die Volkswagen Experten im Data Lab mit maschinellem Lernen und Algorithmen, die sich selbst etwas beibringen? "Die Einsatzmöglichkeiten selbstlernender Systeme sind vielfältig", sagt Barbara Sichler. Sie leitet den Geschäftsbetrieb des Data Labs und koordiniert den Wissenstransfer in die Marken und Bereiche des Automobilkonzerns. Die Mission des Data Labs: Prüfen, wo solche selbstlernenden Algorithmen eingesetzt werden könnten – und diese dann entwickeln. Die Einsatzgebiete sind breit gefächert.

Neuer "Collaboration Space"

Lernende Systeme können Facharbeitern zum Beispiel helfen, verzweigte Logistik- und Produktionsprozesse noch besser zu steuern. Sie können komplexe volkswirtschaftliche Entwicklungen ana­lysieren, um Experten in der Marktplanung umfassendere Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Roboter und Maschinen in der Werkshalle könnten lernen, ihre eigenen Wartungs­zyklen vorherzusagen und den Instandhalter zu informieren. Die Spezialisten im Data Lab arbeiten zudem an technischen Lösungen für neue digitale Kundenangebote, etwa in der Verkehrsführung.

Für Sichler ist es entscheidend, dass sich ein Kompetenzzentrum wie das Data Lab nicht ab­kap­selt. "Digitale Zukunftsarbeit hinter verschlossenen Türen kann nicht erfolgreich sein. Wir setzen auf die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wissenschaft und Wirtschaft", sagt sie. Jüngster Wurf ist der "Collaboration Space" im Data Lab: eine Kombination von Werkstatt und Labor für internationale Startups, komplett ausgerichtet auf maschinelles Lernen. Dort bringen Startups Robotern neue Bewegungsmuster bei oder forschen an innovativen Wegen der Datensicherheit. Bereits mit an Bord sind Startups aus Australien, England und Österreich. (Red)