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Deshalb werden Rasierklingen so schnell stumpf

Es ist ein Krampf: Gerade erst gekauft, sind die Rasierklingen kurz darauf auch schon wieder stumpf. Warum eigentlich?

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So glücklich wie in der Werbung sind Rasierklingen-Nutzer in der Regel nicht.
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Rasierklingen sind nicht gerade günstig – und doch versagen sie schon nach kurzer Zeit den Dienst. Die genauen Hintergründe dafür lagen bisher im Dunkeln. Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge sind der Sache nun nachgegangen und haben eine Erklärung für den rasanten Verschleiß gefunden.

Mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops konnte das Team um Gianluca Roscioli erstmals nachverfolgen, wie genau die Klinge menschliches Haar, das 50-mal weicher als diese ist, durchschneidet und was dabei vonstattengeht.

Dabei stammten die für die Auswertung verwendeten Haare aus einem Selbstversuch Rosciolis: Der Materialwissenschaftler hatte in diesem eine neue Rasierklinge verwendet, mit der er sich mehrmals rasierte – so lange, bis die Schneide stumpf wurde. Nach jedem Durchgang untersuchte er die Klinge im Elektronenmikroskop und dokumentierte die Veränderungen auf der Schneide.

Der Anfang vom Ende

Wie die Wissenschaftler im Fachjournal "Science" schreiben, ist der Prozess deutlich komplexer als gedacht. Die Schneide wird nicht einfach abgenutzt. Vielmehr kann ein Haar unter bestimmten Umständen winzige Splitter auf der Klinge verursachen. "Deren Größe beträgt etwa ein Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares", so Roscioli.

Der erste Mikroriss läutet den Anfang vom Ende ein. Hat er sich erst einmal gebildet, kommen schnell viele weitere dazu – weil die Klinge durch die erste Macke anfälliger geworden ist. "Diese Mikrorisse breiteten sich zunächst senkrecht zur Kante aus, bevor sie dann ihre Richtung änderten und im Bogen zurückführten – dadurch entstand die Geometrie der Abplatzungen", so die Forscher. Das Resultat: Die Rasierklingen werden stumpf.

"Wir haben die Hauptbestandteile des Versagens gefunden, was uns in die Lage versetzte, einen neuen Verarbeitungsweg zu bestimmen, um Klingen herzustellen, die länger halten können", erklärt Roscioli. Bis es diese gibt, gilt: Je senkrechter man das Haar schneidet, desto schonender ist dies für die Klinge.

Drei Erkenntnisse

Um herauszufinden, "unter welchen Bedingungen dieses Abplatzen stattfindet und was es braucht, um den Stahl zum Nachgeben zu bringen", führten Roscioli und seine Kollegen mehrere Versuche durch, bei denen sie Haare mit verschiedenen Durchmessern, in unterschiedlichen Winkeln im Mikroskop an eine eingespannte Rasierklinge heranführten und zerschnitten. Ähnlich wie bei Bart- oder Achselhaaren waren die Haare auch am unteren Ende befestigt, oben aber frei beweglich. Dabei kam heraus:

Schneidewinkel: Trifft die Klinge das Haar genau im rechten Winkel, bleibt sie intakt. Ist sie um 21 Grad geneigt, was mehr der Realität entspricht, führt dies zu einer plastischen Verformung und Kerben an mehreren Stellen.

Klingenmaterial: Auch das Vorhandensein von Defekten in der mikroskopischen Struktur des Stahls spielt eine Rolle. So ist die Klinge anfälliger für Absplitterungen, wenn die Mikrostruktur des Stahls nicht einheitlich ist.

Haarränder: Zu Mikrorissen kommt es vor allem dort, wo die Ränder des Haares auf die Schneide trafen. Dann kann ein einzelnes Haar zwei Kerben in einer Schneide verursachen – jede von ihnen beginnt an einer der beiden Seiten des Haares, so die Forscher. Das tritt auf, wenn die Haarkante auf eine der weicheren Stellen in der Mikrostruktur des Stahls trifft.

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