Es begann mit der Corona-Pandemie. Zwar gab es nach einer ersten, wohl der Verunsicherung geschuldeten Zurückhaltung bei der Familienplanung im Frühjahr 2021 ein leichtes Geburtenplus, doch kurz darauf gingen die Fertilitätsrate in Österreich wieder zurück. Ein Trend, der bis heute stark zugenommen hat. Das zeigt jetzt eine Analyse von Maria Winkler-Dworak, Kryštof Zeman und Tomáš Sobotka von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Sie haben sich die Schwankungen in den Geburtenzahlen von 21 europäischen Ländern sowie Israel, Kanada, den USA, Japan und Südkorea in der Spätphase der Coronavirus-Pandemie zwischen November 2021 und Oktober 2022 angeschaut. Die Daten stammten aus der Human Fertility Database, die vom Vienna Institute of Demography der ÖAW und dem deutschen Max-Planck-Institut für Demografische Forschung betrieben wird.
Im Gegensatz zu vergleichbaren historischen Ereignissen, etwa der Spanischen Grippe, "erholten sich die Geburtenraten am Ende der Pandemie nicht und es kam in vielen Ländern zu einem starken Geburtenrückgang", heißt es in einer Aussendung der ÖAW zur im Journal "Human Reproduction Open" erschienenen Studie.
"In der Spätphase der Pandemie zwischen November 2021 und Oktober 2022 sind die Geburtenraten in fast allen Ländern gesunken, auch bei uns in Österreich", sagt Winkler-Dworak. So sei die Gesamtfertilitätsrate hierzulande von 1,51 Geburten pro Frau im November 2021 auf 1,42 im Oktober 2022 gefallen.
"Aus Studien zur Spanischen Grippe wissen wir zum Beispiel, dass zu Beginn der Krankheitswelle ein starker Rückgang verzeichnet wurde und gegen Ende eine Erholung. Das ist typisch für solche Zäsuren", erklärt Sobotka. Auch bei Covid-19 habe es neun Monate nach dem Ausbruch 2020 einen Rückgang gegeben. Danach konnte kurzzeitig mancherorts ein Mini-Babyboom vermeldet werden. Das war "allerdings weit vor dem Ende der Pandemie".
Dazu beigetragen sollen vor allem die politischen Covid-Maßnahmen, wie Lockdowns und Social Distancing beigetragen haben: "Die politischen Maßnahmen und Home-Office-Regelungen haben zudem dazu beigetragen, dass viele Menschen mehr Zeit zu Hause verbracht haben. Das hat neun Monate später die Mini-Booms bei den Geburtenraten befeuert", so Sobotka. Mit dem Auslaufen der Maßnahmen kehrten die Geburtenraten aber zum früheren rückläufigen Trend zurück.
„Viele Menschen haben mehr Zeit zu Hause verbracht.“Tomáš Sobotka
Das anhaltende Geburtenminus sei hingegen auf wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen: "Die ökonomische Unsicherheit spielt sicher eine Rolle. Der Arbeitsmarkt hat sich nach den Einbrüchen zu Beginn der Pandemie erholt, was steigende Geburtenraten fördert. Allerdings ist durch Verwerfungen in den Lieferketten auch die Inflation gestiegen, was den positiven Effekt dämpft", ist Winkler-Dworak überzeugt.
Doch auch das Timing der Impfprogramme falle mit einem temporären Rückgang der Geburtenraten neun Monate später zusammen. "Insgesamt lässt sich aus den Zahlen ableiten, dass viele Frauen ihren Kinderwunsch kurzzeitig aufgeschoben haben, bis sie vollständig geimpft waren", so Maria Winkler-Dworak.
Nach der Pandemie hält der allgemeine Abwärtstrend nun allerdings weiter an. So führt Statistik Austria für das Jahr 2023 eine Gesamtfertilitätsrate von 1,32 gegenüber 1,41 für 2022 an. "Die stark gestiegene Inflation ab 2022 spielt hier sicherlich eine maßgebliche Rolle und wirkt auch noch nach", so Winkler-Dworak. Jüngste Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass neben der Teuerung auch der Angriffskrieg in der Ukraine Frauen oder Paare veranlasst, ihren Kinderwunsch aufzuschieben bzw. davon abzulassen.