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Die Top-Vertreter der Reisebranche an einem Tisch

Heute Redaktion
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In der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs debattierten die Reise-Experten des Landes über Trends im Tourismus. Wo wir nächstes Jahr urlauben, wo eher nicht.

Griechenland? Feiert die Türkei ein Comeback? Oder landen wir 2018 ganz wo anders? Die Experten der Reise- und Touristikbranche redeten in den „Gipfelgesprächen" Klartext. „Heute"-Chefredakteur Christian Nusser moderierte den Talk.

Christian Nusser: Wenn ich kommendes Jahr trendig sein will, wo soll ich hinfahren?

Martin Fast: Trendziel wird 2018, wie auch heuer, Griechenland sein. Vor allem große Orte, wo es viele Produkte

gibt, werden gebucht werden. Wir haben bereits genügend Zimmer gesichert und trotz Problemen mit Air Berlin und

Niki ausreichend Flugverbindungen im Programm.

Neu! Heute-Gipfelgespräche

Vor Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, liegt eine Premiere. Vor wenigen Tagen fand das erste unserer Gipfelgespräche statt. Die neue, nun regelmäßige
Veranstaltungsreihe versammelt die Top-Experten des Landes aus jeweils einem Fachgebiet an einem Tisch. Dann wird Klartext geredet. Und damit die Gipfelgespräche auch einen würdigen Rahmen bekommen, finden Sie im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, statt.

Ioannis Afukatudis: Griechenland ist das Trendziel seit gut zwei Jahren und wird das auch 2018 sein.

Christian Nusser: Seit dem Ende der Air Berlin haben sich in Deutschland die Flugpreise verdreifacht. Kann man jetzt auch in Österreich mit höheren Preisen rechnen?

Martin Gross: Das wäre schön! (Allgemeines Gelächter)

Spaß beiseite, auf die Langstrecke wird der Wegfall der Air Berlin wenig Einfluss haben. Langfristig rechne ich aber mit Auswirkungen bei den Preisen.

Christian Nusser: Herr Gessl, wie wird sich Ihr Spezialgebiet Ägypten denn im nächsten Jahr entwickeln?

Alexander Gessl: Die geforderten Kapazitäten für Griechenland gibt es nicht. Auch andere Ziele sind 2018 interessant. Das Preis-Leistungs-Verhältnis in Ägypten ist top, Griechenland wird teuer sein. Ich glaube auch, dass die Türkei

funktionieren wird, auch Bulgarien wird kommen.

Pauschalreiseziele gelten als sicher

Gerhard Säckl: Bei der Türkei bin ich anderer Meinung! Im klassischen Reisebüro merkt man das Sicherheitsthema viel mehr. Da sieht man die Türkei nicht im Kommen. Marokko, Andalusien und das arabische Element sind bei Reisen stark im Kommen.

Christian Nusser: Thema Sicherheit. Wie sieht man das in der Versicherungsbranche?

Andreas Sturmlechner: Wenn ein Pauschalreiseveranstalter ein Ziel anbietet, dann ist es dort relativ sicher. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Terroranschlag verletzt zu werden, ist sehr gering. Ein Lotto-Sechser ist 50.000 Mal wahrscheinlicher. Wir haben etwa sieben neue Notfälle pro Tag, Kleinigkeiten und verschiedene Unfälle. Aufgrund der Terrorgefahr ändern wir jetzt kein Versicherungsprodukt.

Christian Nusser: Ist der Kreuzfahrtboom jetzt vorbei?

Peter Grossmann: Ich muss vorher noch etwas zur Türkei sagen. 2017 hatten wir eine interessante Entwicklung. Die Reisebüros hatten beim Türkeigeschäft keinen Zuwachs, jedoch online gab es sehr wohl Anstiege. Zu den Kreuzfahrten. Die liegen nach wie vor im Trend, es ist praktisch alles ausgebucht. Bis 2026 kommen 67 neue Kreuzfahrtschiffe auf den Markt, das entspricht etwa 277.000 Betten. Das ist ein Riesenruck, der hier passiert.

Christian Nusser: Wie sieht denn der klassische Kreuzfahrt-Gast aus? Möchte der eine Balkon-Kabine aber nur Unter-Deck zahlen?

Werner Fankhauser: So ganz ist es nicht. Kunden sind bereit, mehr Geld auszugeben. Man will das Erlebnis Kreuzfahrt spüren, gut essen und unterhalten werden.

Christian Nusser: Thema Umweltschutz?

Werner Fankhauser: Dieses?Thema wird immer wichtiger und die Kunden legen auch Wert darauf. Kreuzfahrten machen gerade einmal 0,25 Prozent des gesamten Schiffsverkehrs aus. So bekommen unsere Schiffe sukzessive Filter, um Schwefel zu filtern. Auch Flüssiggas ist ein Thema.

Neue Kreuzfahrtschiffe kommen auf den Markt

Christian Nusser: Thema Flusskreuzfahrten: Entwickeln sich diese durchschnittlich oder besser?

Peter Grossmann: Derzeit gibt es etwa 700 Flusskreuzfahrtschiffe. Hier hat man natürlich den Vorteil, dass

man sich sicher fühlt, hat man doch immer das Festland in Sichtweite.

Christian Nusser: Wo fährt man 2018 nicht mehr hin?

Martin Bachlechner: Viele Märkte sind weggefallen. Denke auch, dass die Türkei wieder kommen wird. Es wird ähnlich wie 2017 sein.

Andreas Sturmlechner: Momentan gibt es in allen Destinationen Zuwächse.

Robert Chlebec: Das sehe ich auch so. Die Türkei wird sich erholen, jedoch auf niedrigem Niveau. Zum Thema Sicherheit: Die Kunden fühlen sich auf Kreuzfahrten wohl und sicher. Das ist ein geschlossenes System – mit Check-in und Kontrollen.

Ioannis Afukatudis: Türkei und Ägypten sind für uns alle wichtig, weil ein Gleichgewicht zu den anderen Destinationen hergestellt werden sollte. Die haben 60 bis 70 Prozent verloren in der Vergangenheit.

Christian Nusser: Die Türkei und Ägypten braucht man also, um das Preisgefüge zu halten.

Alexander Gessl: Richtig. Zig Leute fahren jetzt nach Italien. Italien ist viel zu teuer, machen wir uns nichts vor!

Christian Nusser: Obwohl die Italiener beklagen, dass Wien zu teuer ist!

Robert Chlebec: Ja, der Bürgermeister von Venedig! (Anm.: Bürgermeister Luigi Brugnaro hatte sich beklagt, dass er am Flughafen Wien 11,60 € für 4 Espressi zahlte!)

Alexander Gessl: Der Gute war wohl noch nie am Markusplatz Kaffee trinken!

Die angesagtesten Destinationen für 2018

Christian Nusser: Wie wichtig ist für Emirates der österreichische Markt?

Martin Gross: Wir haben viel Incoming-Geschäft, unsere

Passagiere fliegen nach Wien und von Wien weg. Viele Gäste sind aus der arabischen Welt, aus Australien und dem asiatischen Raum. Rund ein Drittel unserer Outgoing-Passagiere fliegen nach

Dubai, zwei Drittel fliegen dann noch weiter. Wien passt da gut ins Streckennetz, weil es noch wenig Direktflüge gibt und wir viele Möglichkeiten für Fernreisen bieten.

Gerhard Säckl: Dafür gibt es jetzt das Burka-Verbot …

Martin Gross: Momentan ist es so, dass die Medien in der arabischen Welt nur sehr wenig darüber berichtet haben. Es gibt eine ähnliche Situation in Frankreich und der Schweiz. Am 1. Oktober war der Airport Wien voll von Medien, die gewartet haben. Kein einziger Passagier der Emirates hatte an diesem Tag ein Kopftuch.

Christian Nusser: Apropos Regierungsbildung in Österreich – was wünscht sich die Reisebranche von der neuen Regierung?

Abschaffung des Burka-Verbots

Martin Gross: Die Abschaffung des Burka-Verbots.

Martin Fast: Eine Deeskalation der Worte zwischen offiziellen Vertretern Österreichs und der Türkei.

Alexander Gessl: Eine Eskalation zwischen der Türkei

und Österreich sehe ich gar nicht, denn so wichtig ist Österreich für die Türkei nicht. Dass es Probleme zwischen Deutschland und der Türkei gibt, ist klar. Wir bringen Tausende Leute regelmäßig

in die Türkei, da hat es kein einziges Problem gegeben.

Ioannis Afukatudis: Wichtig wäre auch die Abschaffung

der Ticketsteuer. Jetzt müssen wir uns das wo anders holen. Die Kunden wollen beste Leistung zum besten Preis!



Gerhard Säckl:
Wir sind mit Regulierungen überbelastet. Und da meine ich nicht nur die Datenschutz-Grundverordnung und die Pauschalreise-Richtlinie, die nun umgesetzt werden.

Christian Nusser: Fühlen Sie sich als Branchenvertreter gut wahrgenommen von der Politik?

Alexander Gessl: Ganz ehrlich, ich fühle mich von den Vertretern verarscht!

Ioannis Afukatudis: Wir haben einen Verband, der Gewicht hat! Wir beschäftigen Tausende Leute und sorgen für schöne Momente. Das sollte Grund genug sein, wichtig genommen zu werden.

Martin Fast: In Wahrheit bräuchten wir einen eigenen Minister oder Staatssekretär. Österreich ist ein Tourismusland!

Alexander Gessl: Die Politik wird uns nicht weiterhelfen.

Martin Fast: Schau dir die Pauschalreise-Richtlinie an. Man hätte zumindest eine Anlaufstelle für Probleme.

Ioannis Afukatudis: Das Thema wurde von den Engländern vorangetrieben. Und die sind bekanntlich ausgetreten.

Robert Chlebec: Sehr viele Kunden buchen Reisen selbständig, jeder Kunde wird dann selbst Veranstalter. Aber kaum eine Fluglinie hat Insolvenzabsicherungen, wie wir jetzt bei der Air Berlin erlebt haben.

Christian Nusser: Klassisch im Reisebüro oder online buchen – wo geht die Reise hin?

Robert Chlebec: Das hat sich stark gewandelt. Erst wurden Flugtickets online gebucht, dann Hotels. Kunden haben sich daran gewöhnt, weil das System technisch ausgereift ist. Pauschalreisen sind da schon aufwendiger zu buchen.

Omnichanel heißt die Zukunft für Reisebüros

Gerhard Säckl: Ganz klar, das Reisebüro bleibt. Der Trend, online zu buchen, ist da, aber abhängig von den Segmenten. Kompetenz, um im Markt zu bestehen, wird

entscheidend sein.

Ioannis Afukatudis: Es gab Zeiten, wo Buchungsplattformen wie verrückt gewachsen sind. Das ist vorbei, es findet bereits eine Konsolidierung statt. Die Technik ist ausgereift, die Produkte sind komplett. Der Kunde holt sich die Information im Internet und bucht dann im Reisebüro. Omnichanel ist die Richtung, in die es geht.

Christian Nusser: Aber ist es nicht so, dass ich mich im Sportgeschäft beraten lasse und dann kaufe ich die Sportschuhe im Internet?

Martin Bachlechner: Das wird es sicher auch geben …

Martin Fast: Der große Unterschied zur Reisebranche ist, Herr Nusser, den Urlaub kann ich nicht zurückgeben, die Schuhe schon!

Alexander Sturmlechner: Ein Ticket von A nach B zu kaufen, ist leicht im Internet, wenn es komplexer wird oder um neue Destinationen geht, dann ist Beratung wichtig. Da hat dann der stationäre Vertrieb seine Berechtigung und Bestand.

Martin Bachlechner: Wichtig ist, dass Mitarbeiter gut beraten. Wenn der Kunde mehr weiß als der Mitarbeiter, dann wird es schwierig.

Peter Grossmann: Manche Dinge muss ich im Reisebüro einfach besser können als der Kunde.

Christian Nusser: Meine Herren, vielen Dank für das interessante Gespräch.

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