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Die Unvernunft der 70er-Jahre

Mit dem Scirocco schuf VW ein Coupé, das zwar wenig Platz, dafür aber Chic und Sportlichkeit bot - genauso wie jede Menge Fahrspaß.

Heute Redaktion
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Bild: Kein Anbieter

Wer sich in den 1970er-Jahren ein Coupé kaufte, konnte das kaum sachlich begründen. Weniger Platz, knappere Innenhöhe, geringeres Ladevolumen und ein höherer Einstiegspreis sprachen – neutral gesehen – für die typischerweise verwandte Limousine und nicht für das Coupé. Aber wem Design, Auftritt und sportliches Fahrgefühl wichtig waren, der griff trotzdem zum Coupé.

Giugiaro und Karmann 

Der VW Scirocco erschien 1974 auf dem Markt, kurz vor dem Golf, dem er auch die Technik verdankt. Er ersetzte den nie zum richtigen Sportwagen gewordenen Karmann-Ghia, der noch mit der Technologie des Käfers – Stichwort: luftgekühlter Heckmotor – bis 1974 gebaut wurde. Wie sein Vorgänger wurde auch der Scirocco, nach einem Wüstenwind benannt, bei Karmann gebaut.

Das Design stammt von Giorgio Giugiaro, der die Aufgabe brillant leistete, auf der technischen Basis einer Limousine ein hinreißend geformtes Coupé zu zeichnen. Dass das Auto dem 1976 präsentierten Alfa Romeo Alfasud Sprint gleicht, liegt sicher nicht zuletzt daran, dass dieser auch von Giugaro stammt und zudem das Pflichtenheft wohl ähnliche Punkte umfasste.

Technischer Vorläufer 

Technisch war der Scirocco mit dem Golf verwandt, zusammen aber beschritten sie neue Wege. Erstmals im Volkswagen-Konzern wurden die Motoren, die Audi-Wurzeln hatten, quer eingebaut. Dies bedingte eine eigens entwickelte Getriebe-Differential-Einheit.

Besonders war der unterschiedliche Einbauwinkel der unterschiedlichen Motoren: Der kleine 50 PS starke 1,1-Liter-Motor war nach vorn geneigt, während die stärkeren und schwereren 1,5-Liter-Motoren nach hinten geneigt eingebaut wurden. Das Leistungsspektrum reichte am Anfang bis 85 PS. Auch die Hinterachskonstruktion war eine raffinierte Ingenieurleistung, sie wurde Verbundlenkerachse genannt und überzeugte durch beste Fahreigenschaften.

"Einer der bestliegenden Wagen" 

Helmut Eicker von der Zeitschrift "Auto Motor und Sport" beschrieb den Scirocco auf jeden Fall als "einen der bestliegenden Wagen", die im Jahre 1974 erhältlich waren. Mit rund 800 kg geriet der bereits mit 85 PS kräftig motorisierte Scirocco zum Leichtgewicht, was zu guten Fahrleistungen (0-100 km/h in 10,6 Sekunden, Spitze 177,3 km/h gemäss AMS 12/1974) und günstigem Verbrauch bei der Topversion (9,6 Liter pro 100 km) führte.

Zum Vergleich: Der moderne Scirocco, erhältlich seit 2008, wiegt 1300 bis 1500 kg und misst immerhin 4,25 Meter in der Länge, respektive 1,81 Meter in der Breite.

Zum Klassiker gereift 

Zum richtigen Sportwagen mutierte der bereits im Stand dynamisch aussehende Scirocco mit dem Einbau des 1,6-Liter-Einspritzermotors. 110 PS standen nun, wie auch beim berühmten Bruder Golf GTI, zur Verfügung: Genug für 185 km/h Spitze und eine Zeit von rund 9 Sekunden für den Sprint von 0 bis 100 km/h. Spätestens ab jetzt mussten sich auch die Fahrer vermeintlich schneller Limousinen und Sportwagen vor dem VW-Zeichen im Rückspiegel in Acht nehmen. Dass diese Sportlichkeit auch noch mit einer guten Ökonomie gekoppelt war, half der Marktakzeptanz zusätzlich.

Mit einem VW Scirocco ist man auch heute noch gut gekleidet, das Mitschwimmen im modernen Verkehrsfluss ist kein Problem und spätestens beim Parkieren ist man dank kompakten Abmessungen sowieso der König. Frühe Scirocco sind seit Jahren Oldtimer und genießen damit die Privilegien historisch wertvoller Fahrzeuge.

(red)

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