Es war ein zufälliger Fund, aber vor allem die Neugier eines Verwandten, die zur Aufklärung eines Cold-Case-Falls führten, der seit Tagen die argentinische Hauptstadt Buenos Aires erschüttert.
Im Garten einer Familie in der schicken Nachbarschaft Coghlan hatten Bauarbeiter im vergangenen Mai menschliche Knochen entdeckt. Nun ist die Identität des Opfers geklärt. Dabei handelt es sich um Diego Fernández Lima, einen Teenager, der am 26. Juli 1984 seiner Mutter mitgeteilt hatte, dass er kurz einen Freund besuche. Er kehrte nie wieder nach Hause zurück.
Als das Bauunternehmen vor einigen Wochen mit Baggern das Häuschen an der Avenida Congreso abrissen, um dann auf dem Grundstück ein mehrstöckiges Wohnhaus zu errichten, stürzte ein Teil der Trennmauer ein, die die Parzelle zum Nachbarhaus trennt.
Die Bauarbeiter entfernten von Hand Teile der Trennmauer und entdeckten dahinter eine Grube, 40 Zentimeter tief, 60 Zentimeter breit und 1,2 Meter lang. Darin lagen zahlreiche Fragmente menschlicher Knochen – darunter Schien- und Wadenbein, ein Unterkiefer und einzelne Zähne – sowie ein Schlüsselbund mit orangefarbenem Anhänger, eine verrostete Uhr, Kleidungsreste und ein Anhänger mit japanischen Inschriften.
Die Überreste wurden dem argentinischen Team für Forensische Anthropologie (EAAF) übergeben, das bald herausfand, dass es sich um ein männliches Opfer handelt, das zwischen 1980 und 1990 gestorben war. Um bei der Identifizierung des Verstorbenen weiterzukommen, ließen sie die Nachricht in den Medien verbreiten.
Als ein Neffe von Diego Fernández Lima vom Fall erfuhr, erzählte er seinem Vater davon. Der junge Mann hatte mehrmals Familiengeschichten über seinen vermissten Onkel gehört, und vieles stimmte überein: Die Nähe zum Haus, in dem seine Familie wohnte, der Zeitpunkt von Diegos Verschwinden.
Der Neffe konnte schließlich seine Großmutter, Diegos Mutter, überzeugen, den Forensikern eine Blutprobe zur Verfügung zu stellen. Der Abgleich des DNA-Profils der Frau mit dem des Opfers ergab den zielführenden Treffer.
Als Diegos Eltern 1984 das Verschwinden ihres Sohnes meldeten, habe die Behörde die Anzeige gar nicht ernst genommen, erzählt Diegos Bruder Javier dem Sender América TV. Diego sei "doch sicherlich mit einem Mädchen von zu Hause abgehauen", habe die Polizei damals der Familie gesagt.
Die Mutter und der Vater suchten jahrelang unermüdlich nach ihrem Sohn, doch sie hatten keinerlei Hinweise. Wer war der Freund, den er besuchen wollte? Das wussten sie nicht.
Mariella Fumagalli, Leiterin des Forensikerteams, geht von einem Tötungsdelikt aus: "An der vierten rechten Rippe sowie an einigen Gelenken haben wir Verletzungen beobachtet, die wohl mit einem scharfen Gegenstand entstanden sind", sagt sie.
An den Überresten gebe es Spuren, die auf einen gewaltsamen Tod und einen Zerstückelungsversuch hindeuten. "Es könnte aber auch mit einem Versuch zusammenhängen, den Körper für die Beerdigung zu manipulieren", meint Fumagalli.
Die sterblichen Überreste wurden im Garten eines Anwesens gefunden, das einer Familie namens Graf gehörte. Einer der Söhne, Norberto Cristian Graf, war mit Diego in den Kindergarten und zur Schule gegangen, gehörte jedoch nicht zu seinem engsten Freundeskreis.
Trotz der Veröffentlichung seines Namens hat sich Norberto Graf bis anhin nicht bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, um auszusagen. Zu befürchten hätte er allerdings nichts: Das Verbrechen ist nach argentinischem Recht bereits verjährt.