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Diese Insel war einst tödlich

Auf diesem kleinen, grünen Fleck nordwestlich von Schottland wurde 1942 eine biologische Waffe getestet. Heute gilt sie als Touristenmagnet.
Heute Redaktion
13.09.2021, 21:56

Auf halbem Weg zwischen Gairloch und Ullapool, nordwestlich der schottischen Highlands befindet sich die Insel Gruinard. Sie ist knapp zwei Quadratkilometer groß und besteht eigentlich nur aus einer Wiese. Was soll auf dieser Insel also passiert sein?

Versuche für biologische Waffen

Im Zweiten Weltkrieg wurden hier Tests für biologische Waffen durchgeführt. So zeigte ein Team von Wissenschaftlern Winston Churchill die Letalität von Anthrax, der Infektionskrankheit Milzbrand. Die Wissenschaftler sollten auch herausfinden, ob es überhaupt möglich sei, diese Bakterien als Waffe einzusetzen.

Wie wir heute wissen, kann Anthrax als biologische Waffe eingesetzt werden. Aufgrund der relativen Unempfindlichkeit der Milzbrandsporen gegenüber Umwelteinflüssen eignet er sich sogar wesentlich besser als beispielsweise der Pesterreger.

Anthrax in der Kriegsführung

Anthrax wurde schon davor zur Kriegsführung eingesetzt: Finnen und Schweden setzten das Bakterium gegen die russische Armee ein. In den 1930ern forschten die Japaner ebenfalls am Bakterium und infizierten Tausende Kriegsgefangene.

Anthrax – Milzbrand
Wer Milzbrand-Sporen einatmet zeigt Symptome wie Fieber, Husten, Schmerzen in der Brust und Atemnot. Wird der Patient nicht behandelt, verschlechtert sich sein Zustand rapide und er kann innert 48 Stunden sterben. Wer die Sporen isst, dem droht Durchfall, innere Blutungen, Bauchschmerzen, Schwindel und Erbrechen. Die Mortalitätsrate ist beim Einatmen der Sporen mit 80 Prozent aber klar am höchsten.

Im Zweiten Weltkrieg begannen die Engländer mit ihren Experimenten. Sie wussten aber bereits, dass das Bakterium sehr zäh und langlebig ist. Für die Versuche brauchten sie also einen abgelegenen und unbewohnten Ort, der auch später gesperrt bleiben konnte: Gruinard Island.

Tests an Schafen

1942 wurden acht Schafe auf die Insel gebracht. Anschließend ließen die Wissenschaftler Bomben mit Anthrax-Sporen explodieren. Für den Test wählten sie einen besonders aggressiven Stamm: Vollum 14578. Innerhalb weniger Tage starben die Schafe.

Die Briten wussten jetzt also um die tödliche Wirkung einer gewissen Menge Anthrax-Sporen. Daraus wurde ein geradezu diabolischer Plan, die Operation Vegetarian. Leinsamenkuchen, gespickt mit Anthrax-Sporen, sollten über Deutschland abgeworfen werden. Der Plan: Die Nutztiere würden diese Sporen essen und die deutsche Bevölkerung danach diese infizierten Tiere. So würde nicht nur ein Teil der Bevölkerung ausgelöscht, sondern auch eine Nahrungsmittelknappheit für die Überlebenden verursacht.

Fünf Millionen Leinsamenkuchen wurden produziert und waren bereit zum Einsatz. Die Operation Vegetarian sollte aber nur zum Einsatz kommen, wenn die Deutschen mit biologischen Waffen angreifen würden, doch so weit kam es glücklicherweise nicht. Nach Ende des Krieges wurden die Kuchen zerstört.

Insel jahrelang unbewohnbar

Gruinard Island dagegen war noch immer verseucht. Fast 50 Jahre lang war sie Sperrgebiet, bis die Engländer 1986 den Auftrag zur Dekontaminierung gaben. In den darauffolgenden zwei Jahren wurde die Insel mit 280 Tonnen Formaldehyd entseucht. An dieser Vorgehensweise und der Wirksamkeit gibt es bis heute Zweifel. Es wurden aber auch erneut Schafe auf die Insel gebracht, die keinerlei Anzeichen einer Milzbrandinfektion zeigten.

1990 wurde die Insel wieder als sicher und sauber eingestuft und die Warnschilder entfernt. Gruinard Island wurde an die Nachfahren der ursprünglichen Besitzer zurückgegeben. Und auch wenn die Insel als sauber gilt, haben viele Schotten Zweifel: Gruinard Island ist deswegen auch heute noch unbewohnt. (Red)

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