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Diese Karosse bietet Luxus in Zeitlupe

Der Rolls-Royce Silver Shadow offeriert auch heute noch Stil und Luxus zum Preis eines gebrauchten VW Golf.

Heute Redaktion
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Es beginnt schon beim Einsteigen: Es empfängt einen diese typisch britische Noblesse, die Fahrzeugen des englischen Traditionsherstellers schon immer eigen war. Das Leder der Sitze knirscht. Das Auge gleitet über ein noch wirklich aus Holz gebautes Armaturenbrett und die wenigen Instrumente. Hängen bleibt der Blick bei der Spirit of Ecstasy, auch Emily genannt, die steil auf der Motorhaube steht.

Es besteht kein Zweifel, man sitzt – oder besser thront – in einem Rolls-Royce, dem besten Auto der Welt, wie der Hersteller damals selbstsicher verkündete.

Der Mythos von der tickenden Uhr

Der Einstieg in den 1,52 Meter hohen Wagen erfolgt aristokratisch stilsicher, ohne dass man sich zusammenfalten muss wie ein Schweizer Taschenmesser. Nach dem Starten des Motors durch Rechtsdrehung des Zündschlüssels links vom Lenkrad, beginnt der Wagen fast lautlos zu laufen, der Mythos von der lauter tickenden Uhr stimmt. Diese tickt recht geräuschvoll, was wohl durchaus beabsichtigt war.

Mühelos lässt sich die Automatik über einen Lenkradhebel in die Fahrposition bewegen. Der Wagen gleitet majestätisch voran. Er schnellt nicht aus den Startblöcken wie ein Sportwagen, er beginnt einfach die Strasse aufzusaugen. Es kommt keine Hektik auf, alle Bewegungen scheinen sich zu verlangsamen. Auch die Blicke der Passanten verweilen länger auf dem Wagen, wenn sie prüfend im Fahrzeuginneren Adel und Reichtum aufspüren wollen.

Alles scheint wie in Zeitlupe abzulaufen, man dreht ohne Hast am dünnen Lenkradkranz, um ja keine Unruhe in die Fuhre zu bringen. Landstraßen-Tempo ist im besten Fall in weniger als acht Sekunden erreicht, aber in der Realität lässt man sich auch gerne lockere 30 Sekunden Zeit, um die Limousine auf 80 km/h zu beschleunigen. Warum sich beeilen, wenn sich der Genuss mit jeder Sekunde steigert?

Stattliches Automobil

Der Silver Shadow fühlt sich wie ein ziemlich groß geratenes Auto an. 5,17 m Länge, 1,8 m Breite und 2.185 kg Gewicht waren durchaus eine Ansage im Jahr 1965. Heute aber wiegt schon ein ausgewachsener Mittelklasse-Kombi so viel und mancher Audi oder BMW ist länger und vor allem breiter als der Engländer.

Sanft wie eine Miezekatze rollt der RR ab, man gleitet über die Strasse. Die Löcher, die der Winter in den Strassen zurückgelassen hat, werden hervorragend von den Passagieren ferngehalten. Die Rundumsicht auf hoher Sitzposition ist ausgezeichnet; ein Grund dafür, dass sich das Auto weniger ausladend anfühlt, als es ist.

Revolution beim Autobauer

In Kurven verbeugt sich der schwere Engländer etwas zur Seite, aber wer würde schon hohe Kurvengeschwindigkeiten von diesem Wagen fordern wollen? Quietschende Reifen und ein Rolls-Royce passen einfach nicht zusammen. Die hydraulische Dreikreisbremse verzögert den Silver Shadow sicher und fast ein wenig aufdringlich, das Pedal will sorgfältig behandelt werden. Während die Zeit für die Menschen auf der Welt weiter läuft, scheint sie im Rolls-Royce stehen zu bleiben oder zumindest langsamer zu laufen – so müssen sich englische Adlige auf dem Weg ins Oberhaus oder zur Oper gefühlt haben.

Der Rolls-Royce Silver Shadow trat 1965 die Nachfolge des zwischen 1955 und 1966 über 7000-mal verkauften Silver Cloud an. Erstmals mit selbsttragender Karosserie ausgerüstet, wurde der Silver Shadow bis 1980 rund 32.000-mal als Limousine gebaut. Die Überlebensrate ist hoch, die Preise sind heute (noch) tief.

Weitere Informationen und viele Bilder sowie Verkaufsprospekte gibt's auf .

B.v.Rotz