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Droht dem geförderten Wohnbau bald das Ende?

Die Mieten explodieren. Und sie werden weiter steigen, wenn die Politik nicht für günstige Baugründe sorgt, warnen gemeinnützige Wohnbauträger.

Heute Redaktion
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Prof. Mag. Karl Wurm, Obmann der Gemeinnützigen Bauvereinigungen.
Prof. Mag. Karl Wurm, Obmann der Gemeinnützigen Bauvereinigungen.
Bild: Helmut Graf

Karl Wurm ist Obmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV) in Österreich. Der soziale Wohnbau werde scheitern, wenn die Politik nicht für günstige Baugründe sorgt, warnt der Experte im "Heute"-Interview. Er fordert rasche Maßnahmen der Regierung, sonst würden die Mieten weiter rasant ansteigen.

Heute: Private Hauptmieten sind laut aktueller AK-Studie in Österreich zwischen 2008 und 2016 um 35 Prozent gestiegen. Werden Mietwohnungen Luxus?

Karl Wurm: In Wien sind die privaten Mieten sogar um 43 Prozent gestiegen. In den Ballungsräumen ist die Nachfrage höher.

Heute: Kann man da von „leistbarem Wohnen" sprechen?

Wurm: Wohnen wäre leistbar, wären auch die Löhne im selben Ausmaß gestiegen. Das ist aber nicht der Fall: Die Einkommen haben im selben Zeitraum nur um 22 Prozent zugenommen. Die Leute haben also weniger Geld und müssen immer mehr für das Wohnen ausgeben. Das wird ein enormes Problem.

Der private Wohnungsmarkt ist eben ein freier Markt. Und wenn das Angebot geringer ist als die Nachfrage, dann steigt der Preis.

Das "absolute Kontrastprogramm"

Heute: Was kann der gemeinnützige Wohnbau dagegen tun?



Wurm: Wir bieten das absolute Kontrastprogramm gegen den freien Markt an. Für gemeinnützige Wohnbaugesellschaften ist ausdrücklich vorgeben, dass sie diesen Marktmechanismen nicht gehorchen dürfen. Wir dürfen nur die tatsächlichen Kosten verrechnen. Kurz: Wir schauen nicht auf Profitorientierung und Gewinnmaximierung, das dürfen wir nicht.

Heute: Gibt es im gemeinnützigen Wohnbau befristete Mietverträge?



Wurm: Grundsätzlich nicht, außer sie sind aus der Sache heraus begründet. Ein Beispiel: Wir bauen auch Altenheime. Dort gibt es natürlich befristete Verträge, sonst könnten ja die Erben einsteigen.

Ansonsten gibt es bei uns nur unbefristete Verträge – das ist ein weiterer großer Unterschied zum privaten Wohnbau.

350 Euro Unterschied bei der Miete



Heute: Wie sind die Preisunterschiede zwischen privatem und gemeinnützigem Wohnbau bei einer durchschnittlichen 70 Quadratmeter Wohnung?



Wurm: Bei uns liegt die Durchschnittsmiete von Neu- und Altwohnungen bei 7,12 Euro pro Quadratmeter, der bei Altwohnungen allein liegt der Schnitt bei 5,40 Euro.

Die absolute Untergrenze bei Privat-Mieten liegt aber schon bei 9,35 Euro, Neubauwohnungen in guter Lage kosten bis zu 20 Euro Miete pro Quadratmeter.

In Wien werden bei Privat-Mieten im Schnitt 12 bis 13 Euro pro Quadratmeter verlangt. Gemeinnützige Wohnungen in Wien kosten aber höchstens 7,50 Euro. Bei einer 70 Quadratmeter-Wohnung in Wien ist das also im Schnitt ein Unterschied von rund 350 Euro – im Monat!

Heute: Welche Formen von gemeinnützigem Wohnbau gibt es eigentlich?



Wurm: Zwei Hauptelemente prägen das Angebot des gemeinnützigen Wohnbaus: Die geförderte Miet- und die geförderte Eigentumswohnung. In den Bundesländern ist die Eigentumswohnung – Stichwort Häuslbauer – stärker, in den Städten herrscht eine Miet-Dominanz vor. Leider gibt es derzeit in den Ballungsräumen viel zu wenige Mietwohnungen.

Ohne billigen Baugrund keine günstigen Wohnungen

Heute: Wie kommen Sie eigentlich zu den Bau-Grundstücken?



Wurm: Wenn wir günstige Wohnungen errichten wollen, müssen wir am Grundstücksmarkt die hohen Preise bezahlen. Das ist ja das wachsende Problem: Wie sollen wir bei diesen hohen Grundstückspreise noch einen leistbaren Wohnraum zusammenbringen?

Daher unsere Forderung: Wenn die Politik langfristig der Bevölkerung einen leistbaren Wohnraum zur Verfügung stellen will, muss sie für billigere Grundstück sorgen. Unsere Gemeinnützigkeit ist unsere Berechtigung: Die Regierung muss sagen, dass sie uns als stabilisierendes Element am Wohnungsmarkt braucht. Deshalb sollte ausschließlich der gemeinnützige Wohnbau günstige Grundstücke bekommen. Aber gerade hier geht nichts weiter.

Heute: Eine Bringschuld der Politik?

Wurm: Ja, auf jeden Fall. Wenn man dieses Marktspiel weiter zulässt, kann man sich ausrechnen, wann es keinen geförderten Wohnbau mehr gibt. Eine Alternative wäre, die Wohnbauförderungen zur Abfederung diesen hohen Grundpreise so in die Höhe zu schrauben, dass sich die Leute die hohen Mieten leisten könnten. Das macht aber keinen Sinn und würde dem Steuerzahler viel Geld kosten.

Konkret wollen wir, dass Städte und Kommunen niedrigere Grundstückspreise – unter dem Marktpreis – für leistbaren Wohnraum rechtlich abgesichert festlegen dürfen.

Heute: Wie kommt man zu einer gemeinnützigen Wohnung?



Wurm: Am einfachsten ist es, die Homepage des Verbandes der gemeinnützigen Bauvereinigungen unter www.gbv.at zu besuchen: Dort findet man nach Bundesländern eingeteilt alle Wohnbauvereinigungen und kann seinen Wünschen und Preisvorstellungen entsprechend auswählen.

Keine Maklergebühren



Heute: Muss der Kunde Maklergebühren bezahlen?

Wurm: Nein, das gibt es bei gemeinnützigen Gesellschaften nicht.

Heute: Auch die Betriebskosten steigen permanent. Kann das im gemeinnützigen Wohnbau zur Kostenfalle werden?



Wurm: Natürlich können Betriebskosten zu einem Problem werden, da ist der Unterschied zwischen Privaten und Gemeinnützigen nicht so groß. Aber wenn schon die Grundmiete hoch ist, dann wirken sich hohe Betriebskosten zusätzlich verschärfend aus. Wir haben ja oft das Problem, dass wir bei neuen Wohnungen sehr viel Technik in den Häusern installiert haben. Und diese Technik, die teilweise über Normen vorgegeben ist, hebt die Baukosten ebenso wie die Betriebskosten.

Wir wollen diese Entwicklung einbremsen: Ein gemeinnütziger, sozialer Wohnbau muss nicht alles können. Gemeinnützige Luxuswohnungen wären falsch.

(GP)