Lippen aufspritzen ist momentan ein beliebter Beauty-Eingriff.
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Unter der Leitung von Professor David Alais von der School of Psychology an der University of Sydney (Australien) haben Forscher geschlechtsspezifische Vorurteile und den möglichen Einfluss kosmetischer Eingriffe auf die westliche Wahrnehmung von Schönheit aufgedeckt. Alais rekrutierte 32 Studierende – 16 Frauen und 16 Männer – für die Experimente. In der Studie wurden digital erstellte Bilder verwendet, die sieben Lippengrößen auf männlichen und weiblichen Gesichtern repräsentierten. Die Teilnehmer wurden gebeten, deren Attraktivität zu bewerten. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin "Proceedings of the Royal Society B" veröffentlicht.
Was Frauen und Männer schön finden
Männer neigen dazu, Frauen mit natürlich aussehenden Lippen attraktiver zu finden, während Frauen selbst sich eher zu volleren, betonten Lippen hingezogen fühlen.
Diese Bilder von Männer- und Frauengesichtern wurden bei den Experimenten verwendet.
The Royal Society/David Alais/University of Sydney
Unter Berücksichtigung aller Beobachter erhielten Bilder von Männern mit dünneren Lippen und Bilder von Frauen mit volleren Lippen die höchsten Bewertungen.
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Geschlechtsspezifische Präferenzen
Weibliche Teilnehmerinnen zeigten beim Betrachten von Bildern weiblicher Gesichter eine noch stärkere Präferenz für vollere Lippen, während männliche Teilnehmer weibliche Gesichter mit unveränderten Lippen bevorzugten. Dies deutet darauf hin, dass Attraktivitätsurteile vom Geschlecht des Betrachters geprägt sind.
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Der Anpassungseffekt
Der Anblick eines Gesichts mit veränderten Lippen, die voller oder dünner wirkten, beeinflusste später die Attraktivitätsbeurteilung neuer Gesichter. Der Anblick voller Lippen führte zu höheren Bewertungen für Gesichter mit vollen Lippen, der Anblick dünner Lippen zu höheren Bewertungen für Gesichter mit dünnen Lippen. Psychologen haben beobachtet, dass dieser Anpassungseffekt die visuelle Präferenz für eine Reihe von Reizen beeinflusst, von Kunst bis hin zu Essensvorlieben.
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Lippen isoliert
Interessanterweise ergab die Studie, dass die Anpassung an die Lippen allein, ohne den Kontext des gesamten Gesichts, ebenfalls zu Veränderungen in der Attraktivitätsbewertung führte. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Lippengröße vom Gehirn als eigenständiges Merkmal kodiert wird, das von der gesamten Gesichtsstruktur getrennt ist.
Laut Professor Alais hätten die Ergebnisse potenzielle Auswirkungen auf die wachsende Beliebtheit kosmetischer Eingriffe – insbesondere der Lippenvergrößerung. Die Ergebnisse deuten nicht nur darauf hin, dass Lippenvergrößerungen vor allem Frauen ansprechen, sondern auch, dass der Anblick künstlich vergrößerter Lippen zu einer "Lippendysmorphie" führen könnte. Dabei verschiebt sich die Wahrnehmung dessen, was als attraktiv gilt, in Richtung einer neuen, volleren Norm.