Politik

Ein Botschafter, sein Rudergerät und Armin Wolf

Heute Redaktion
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Der neue deutsche Botschafter besuchte "Heute". "Na und?", fragen Sie sich vielleicht. Dann wissen Sie nicht, wer der Beste ist. Von Christian Nusser.

Man muss sich die Szene etwa so vorstellen: Frühmorgens, eine Villa irgendwo in Wien, auf der Terrasse steht ein Rudergerät, auf dem sich ein schlaksiger Fast-Mittfünfziger abmüht, als säße er gerade im Achter von Cambridge und es ginge wieder einmal gegen die von Oxford von der Terrasse gegenüber.

Der Mann heißt Ralf Beste, nämlich wirklich, ist seit Sommer der neue Botschafter unseres mit großem Abstand liebsten Nachbarlandes (auch wenn uns manchmal deswegen Selbstzweifel plagen) und blickt, während er sich in die Riemen legt, auf Armin Wolf in der ZiB2 vom Vortag. Die Sendung mag er, aber am Abend, wenn sie regulär läuft, ist es ihm meist schon zu viel an österreichischem Dialekt, der im Laufe des Tages an ihn herangetragen wurde. Also schaut er die Newsshow in der Früh nach. Auf nüchternen Magen verträgt er den österreichischen Zungenschlag besser.

Was soll das heißen?

"Die Sprachbarriere ist niedrig, aber unüberwindlich", sagt Beste und eine zweite Szene belegt das. Sie spielt an einem der letzten Sonntage in ebenjener Villa. Diesmal werkt Ralf Beste nicht am Rudergerät, die Deutschen würden sagen, weil er vermutlich einmal alle Fünfe gerade sein lassen will. Nein, dem Botschafter sitzt seine Frau gegenüber, beide studieren die "Kronen Zeitung" – eher akademisch wohlgemerkt – sie versuchen also zu erahnen, was dieses oder jenes Wort bedeuten könnte. Beste weiß nicht, dass es Österreichern manchmal auch so geht.

Er hat jedenfalls den Mantelteil erwischt, die "Krone bunt" also, seine Frau das Kernstück, die eigentliche Tagesausgabe. Zwischen dem Paar liegt auf dem Tisch ein Wörterbuch, das helfen soll, österreichische Begriffe in deutsche zu übersetzen. Im gleichen Moment, das ist jetzt für die Geschichte wichtig, wollen Herr und Frau Beste nach diesem Wörterbuch greifen, weil beide gleichzeitig jeweils ein Wort nicht verstehen. "Bei mir war es 'Gerstl', bei meiner Frau 'sudern'", sagt Beste und lacht, es ist das Lachen eines Traumschiffkapitäns, dem guter Seemannsgarn ausgekommen ist.

Ist Botschafter sein eigentlich fad?

Wie ein Traumschiffkapitän sieht der 53-Jährige zumindest entfernt aus. Florian Silbereisen, etwas älter und viel größer natürlich, vor allem auch die Nase. Die Ohren hat er eher von Kurz. Beste ist irgendwas um die 1,95 Meter groß. Wenn er bei der Tür hereinkommt, glaubt man, der Berliner Fernsehturm habe Beine bekommen.

Der neue deutsche Botschafter in Wien, Ralf Beste (hier links im Bild), kam zum "Heute"-Redaktionsbesuch, mit Chefredakteur Christian Nusser:

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Wir sitzen im Newsroom von "Heute", den er vorher so genau inspiziert hat wie Deutsche gerne Tiroler Zweitwohnsitze vor Kaufabschluss. Ins bereitgestellte Konferenzzimmer hätten wir ihn sanft treiben müssen. Man merkt, er ist lieber da, wo er früher immer war, am Pulsschlag eines Medienhauses. Beste ist gelernter Journalist, war 13 Jahre beim "Spiegel", zuvor hatte er Geschichte in Bochum, Bielefeld und Baltimore studiert. Ob Botschafter im Vergleich dazu nicht ein fader Beruf sei, frage ich ihn. "Nein im Gegenteil", antwortet er wieder mit einem Kapitänslächeln, "da kommt man in Bereiche, die sonst für einen nicht einsehbar sind". Silbereisen hätte das nicht schöner formulieren können.

Alle Fotos des Redaktionsbesuches:

Tatsächlich war das mit der Langeweile bei ihm einmal Thema. Als Beste noch Journalist war, urteilte er einmal so über Frank-Walter Steinmeier, heute Bundespräsident von Deutschland: "Jeder Landrat hat mehr Basiserfahrung". Dieser Schneid hat dem Leider-Nein-Landrat wohl imponiert, denn er bot Beste das Amt des Stellvertretenden Leiters des Planungsstabes in Berlin an. Was man dabei tut, abgesehen davon natürlich im Rahmen eines Stabes zu planen, ist Außenstehenden nicht ganz klar. Das macht aber nichts. Ob er perplex gewesen sei, dass Steinmeier ihm das Amt offeriert habe, frage ich ihn. "Schon", antwortet Beste, "aber Steinmeier war wohl auch überrascht, dass ich es angenommen habe". Die sind gar nicht so steif, wie man immer sagt, diese Diplomaten.

Neulich im Planungsstab

Er wollte damals, wie er erzählt, einer "Midlife Crisis" zuvorkommen, die sich mutmaßlich noch nicht einmal den Weg zu ihm gebahnt hatte. "Ich bin jetzt 47", horchte er in sich hinein, "will ich nochmals 20 Jahre das gleiche machen?" Man kann die Antwort vorwegnehmen. Er wollte nicht, wurde 2014 tatsächlich Stellvertretender Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes in Berlin, zwei Jahre später hüpfte er weiter in die neue geschaffene Position des Beauftragten im Bereich Strategische Kommunikation. 2017 wurde Beste schließlich Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes. "Ein fantastischer Job", sagt er, "vor allem konnte ich viel reisen".

Nach Österreich kam er mit seiner Ehefrau, die beiden eben erwachsenen Kinder studieren in Amerika und Berlin. Österreich, das kannte er bisher vom Skifahren in Tirol, ein paarmal war er auch schon in Wien. Jetzt hat er wie jeder Botschafter in Wien eine Dauerkarte für den Musikverein. "Da gehen wir auch hin", sagt Beste und er tut das mit der Grandezza eines Traumschiffkapitäns, der in der Tasche seines weißen Smokings ein paar Gutscheine fürs Bordrestaurant entdeckt hat und wild entschlossen ist, sie jetzt einzulösen.

Kein Wort zu Rapid und Austria

Beste ist jetzt 53 Jahre alt, er kennt sich gut im Fußball aus, ist seit Menschengedenken Fan und Mitglied von Borussia Dortmund. Den LASK und den Wolfsberger AC kennt er, über die Wiener Vereine verliert er kein Wort. Vielleicht wollte er sich nicht in die da noch laufenden Präsidentschaftswahlen von Rapid einmengen, am Ende des Tages ist er ja dann doch Diplomat, auch wenn er nicht so redet.

Er rechnet, etwa drei bis vier Jahre in Wien bleiben zu können. Interessanterweise wird man als Botschafter offenbar für eine bestimmte Zeit bestellt, die bestimmte Zeit wird aber erst im Nachhinein festgelegt. "Hoffentlich kommen dann noch zwei, drei Stationen", sagt er und meint wohl Botschaften in anderen Ländern, in die sein Traumschiff treiben könnte. "Obwohl, was könnte schöner sein als Wien?", werfe ich ein. Beste lacht. "Die Schweiz vielleicht?", frage ich. Er kann kaum mehr an sich halten.

"Österreicher urteilen härter"

Die Österreicher findet er wie alle Deutschen nett, vielleicht auch ein bisschen eigen, sagen würde er so etwas natürlich nie. Als wir durch die Redaktion gehen, bleibt er an einem TV-Monitor stehen, auf dem der Teletext zu lesen ist. "Das ist eines der erfolgreichsten Medien in Österreich", sage ich.

Beste staunt, obwohl er mit der heimischen Medienlandschaft schon bestens vertraut ist. Er liest viel, meistens die gedruckten Ausgaben, die "Süddeutsche" von daheim aber schon am Abend zuvor digital. Vor einigen Tagen gab er einem österreichischen Medienmagazin ein Interview. Der Reporter wollte ihm entlocken, wie furchtbar er die Medien hier doch empfinden müsse. "Gar nicht", sagt Beste, "das Angebot ist toll. Ich habe den Eindruck, dass die Österreicher viel härter über sich urteilen als etwa die Deutschen".

Am Ende geht er schwer, habe ich den Eindruck. Ich glaube, wenn wir ihm einen Job angeboten hätten, wäre er geblieben, hätte Steinmeier angerufen, seine Flegelei von damals wiederholt, ihm noch einen guten Tag gewünscht und wäre wieder Reporter geworden.

So aber zieht er weiter, er ist zu einer Eröffnung ins Jüdische Museum geladen. Erst als Beste weg ist, fällt uns auf, dass wir gar nicht über Cordoba geredet haben. Die Szene, in der Sepp Maier ins Leere fliegt, der Ball im Kreuzeck landet und Hansi Krankl abdreht, nicht wissend, dass er gerade Edi "I wer narrisch" Finger in die Nähe eines Kollaps gebracht hat, ist sein Profilbild bei Twitter.

Lassen wir das. Für dieses ewige Gesudere gibt es schließlich kein Gerstl.