Niederösterreich

Ein Pfleger für 36 Schwerkranke: "Vater (92) büxte aus"

1 Nachtpfleger für 36 kranke und demente Bewohner in einem Pflegeheim: "Um 2 Uhr früh suchte die Polizei meinen 92-jährigen Vater", so eine Tochter.

Christine Lenk (64) sorgt sich um Vater (92) im "Haus an der Traisen"
Christine Lenk (64) sorgt sich um Vater (92) im "Haus an der Traisen"
privat

Mit Ende September 2022 musste Christine Lenk (64) aus St. Pölten ihren Vater schweren Herzens ins Pflegeheim „Haus an der Traisen“ in der nö. Landeshauptstadt geben.

Polizei suchte Vater (92)

Die 64-jährige Tochter berichtet von massiver Unterbesetzung in den Nächten. „Lediglich eine einzige Pflegekraft für 36 kranke und demente Personen während der Nächte. Im Oktober stand plötzlich die Polizei um 2 Uhr bei mir vor der Türe und fragte, ob ich wisse, wo mein vermisster Vater (92) sein könnte. Das Heim hatte nicht mal die Handynummer von mir gespeichert."

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    Christine Lenk (64) hat 92-jährigen Vater.
    Christine Lenk (64) hat 92-jährigen Vater.
    Heute/Lie

    Ende November wurde der gestürzte 92-Jährige im Bad der Pflegeeinrichtung gefunden, musste mit Kopfverletzungen ins Spital (Befund siehe Bilderserie). Und die Fenster im Obergeschoss seien bis vor rund drei Wochen ungesichert gewesen. „Ein Wahnsinn, bei dementen Bewohnern", meint die 64-jährige Pensionistin, die rund 40 Jahre im Bankwesen gearbeitet hatte.

    „Dem Heim, den Mitarbeitern, dem Leiter sowie der damalig diensthabenden Nachtschwester mache ich überhaupt keine Vorwürfe. Das ist ein strukturelles Problem“, so die Schwester des verstorbenen Gebietskrankenkassendirektors, Gerhard Stoiber († 54). Christine Lenk habe sich schon mehrmals an die zuständigen Landesräte gewandt, doch passiert sei gar nichts.

    „Mich würde interessieren, wenn ein Angehöriger der Landeschefin oder zuständigen Landesräte im Heim wäre, ob man sich da auch taub stellen würde", so die 64-Jährige, die mittlerweile wütend ist. "Wenn ich dann wie gestern lese, dass sich die VPNÖ um alle Anliegen der Menschen in NÖ kümmere, weiß ich auch nicht mehr weiter", so die Ex-Bankerin, die zugleich betont: "Am Tage ist im Pflegeheim wirklich alles in Ordnung."

    Die 64-Jährige ist sicher: "Drei Pfleger in der Nacht wäre die Unterkante, vier wäre besser. Aber leider wurde alles kaputt gespart. Ganz oben verdienen die Manager und Politiker noch fette Kohle, aber bei den arbeitenden Pflegekräften und der Durchschnittsbevölkerung wird gespart."

    Das sagt LGA dazu

    Die Landesgesundheitsagentur (LGA) zum Vermissten-Vorfall im Oktober: "Wir bedauern den Vorfall und natürlich auch die damit verbundene Aufregung. Gerne stellen wir die Causa aus unserer Sicht klar. Besagter Herr wurde aufgrund seiner Covid-Erkrankung isoliert, um die anderen BewohnerInnen vor einer Ansteckung von SARS COV-2 zu schützen. Dies bedeutet, dass Herr S. gebeten wurde, sollte er das Zimmer verlassen, eine FFP2-Maske zu tragen. Fluchtwege müssen zusätzlich natürlich immer offen sein – im Falle einer Gefahrensituation wäre ein Versperren fatal. Die Handynummer von Herrn S. lag in unserer Betreuungseinrichtung nicht auf, da sie uns nicht bekanntgegeben wurde. Unsere Versuche Frau Lenk zu erreichen waren leider erfolglos, weshalb wir sie durch die Polizei informierten ließen. Dies war schlussendlich auch der richtige Schritt, da sie Maßgebliches zur Auffindung des Abgängigen beitragen konnte. Aus unserer Sicht hat das PBZ regelkonform gehandelt." Und: Laut LGA gäbe es für Notfälle ein Krisenhandbuch mit klaren Anleitungen.

    Zweiter Pfleger soll kommen

    Christine Lenk meint dazu: "An jenem Oktobertag wurde mein Vater wegen Corona isoliert, das stimmt. Sehr sinnvoll übrigens, wenn er dann nachts überall herumgeistern kann."

    Aus Insiderkreisen heißt es übrigens, dass bald eine zweite Pflegekraft für die Nacht auf der betroffenen Station des Pflegeheimes hinzukäme.