Gesundheit

Ein Toter! Diphterie-Fälle in Österreich nehmen zu

Nach jahrelanger Ruhe sind im vergangenen Jahr gleich 62 Menschen an der hochansteckenden Infektionskrankheit erkrankt. Es gab einen Todesfall.

Christine Scharfetter
Experten warnen vor zunehmenden Impflücken, nachdem es jahrelang kaum Diphterie-Fälle in Österreich gab.
Experten warnen vor zunehmenden Impflücken, nachdem es jahrelang kaum Diphterie-Fälle in Österreich gab.
Science Photo Library / picturedesk.com

Diphtherie ist eine hochansteckende Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae verursacht wird. Zuletzt galt sie in Europa praktisch als ausgerottet, bevor im vergangenen Jahr gleich 62 Menschen in Österreich an Diphtherie erkrankten. Es kam sogar zu einem Todesfall.

"Schlechte Durchimpfungsraten begünstigen erneute Ausbrüche und machen diese Krankheit, wenn sie eingeschleppt wird, wieder gefährlich", warnt Priv.-Doz. Dr. Hans Jürgen Dornbusch, Leiter des Referates Impfkommission der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ). Er betont, die Vorsorge gegen diesen "Würgeengel der Kinder", wie die Krankheit früher genannt wurde, beginne in der Kindheit mit einer zeitgerechten Impfung.

Die Bezeichnung "Würgeengel" basiert auf den Folgeerscheinungen der Atemwegs-Diphtherie, bei der ein wie ein Häutchen aussehender Belag den Rachen überzieht. Diese "Pseudomembran" kann die Atmung und das Sprechen behindern und zu lebensgefährlichen Erstickungsanfällen (Diphtherie-Croup) führen.

2020 und 2021 traten je zwei Fälle in Österreich auf, nachdem zuletzt 2016 und 2014 je zwei Fälle nach 20 Jahren ohne Diphtherie dokumentiert worden waren.

Enorme Ausbreitung in Europa

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichteten 2022 neun Länder der europäischen Region, darunter Österreich, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweiz und das Vereinigte Königreich, über 391 Diphtherie Fälle – etwa achtmal so viele Fälle, wie durchschnittlich pro Jahr in den vorangegangenen zehn Jahren aufgetreten waren. Im Zeitraum 2012 bis 2021 wurden in der Europäischen Region insgesamt nur 452 Fälle gemeldet.

Atemwegs-Diphtherie und Haut-Diphtherie

Die Diphtherie-Bakterien verbreiten sich über feinste Speicheltröpfchen – zum Beispiel beim Husten oder Niesen. Kinder und ältere Menschen können schwer erkranken. Neben der Atemwegs- bzw. Rachen-Diphtherie gibt es allerdings auch die Haut-Diphtherie bzw. Wund-Diphtherie. Hier dringt das Bakterium durch Hautkontakt oder Kontakt zu Wundsekret in eine offene Wunde ein und vermehrt sich dort. Dazu reicht eine kleine Verletzung oder ein Insektenstich. Es bilden sich schmerzhafte Hautgeschwüre mit schmierigen Belägen – vorwiegend an den Beinen. Über infizierte Haut können anfällige Kontaktpersonen sowohl Wund- als auch Atemwegs-Diphtherie bekommen. In seltenen Fällen kann bei den Patienten selbst eine Hautdiphtherie auch zur Infektionsquelle für eine Rachendiphtherie werden.

Rasche Behandlung ist überlebenswichtig

"Um schwere Folgen zu verhindern, muss rasch ein Diphtherie-Gegengift in Kombination mit Antibiotika verabreicht werden. Tückisch ist, dass vermehrt Antibiotikaresistenzen auftreten", ergänzt Priv.-Doz. Dr. Dornbusch. Diphtherie ist eine schwere Erkrankung, bei der 5 bis 10 Prozent der Erkrankten versterben. Bis zu 20 Prozent der Fälle führen bei Kindern unter 5 Jahren und Erwachsenen über 40 Jahren zum Tod.

Aufgrund unzureichender Durchimpfungsraten und anhaltend starker Migrationsbewegungen sei in Österreich und anderen europäischen Ländern mit weiteren Fällen von Diphtherie zu rechnen, warnen österreichische Experten und Expertinnen, die in der Fachzeitschrift "Infection" den schweren Krankheitsverlauf eines an Diphtherie verstorbenen 24-jährigen Flüchtlings aus Afghanistan beschreiben, der 2022 in Wien behandelt wurde.

Impflücken infolge der Corona-Pandemie

Für die Grundimmunisierung benötigen Kinder drei Impfungen, die sie im Rahmen der Sechsfachimpfung erhalten (3., 5. u. 11.-12. Lebensmonat). Sie schützt gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung, Haemophilus influenzae B und Hepatitis B. Die Impfungen sind für Kinder kostenfrei. Eine Auffrischimpfung sollte in Form einer Vierfachimpfung (Diphtherie, Wundstarrkrampf, Keuchhusten, Kinderlähmung) zwischen dem 7. und 9. Lebensjahr verabreicht werden, dann alle 10 Jahre und ab 60 Jahren alle fünf Jahre.

Dennoch  stellte das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz fest, dass etwa 43.000 Kleinkinder im Jahr 2021 keine vollständige Grundimmunisierung besaßen. Diese Kinder sind also wahrscheinlich nicht ausreichend gegen Diphtherie und andere Erkrankungen wie Kinderlähmung, Wundstarrkrampf und Keuchhusten geschützt.

Bei den im Jahr 2021 5- bis 9-Jährigen waren etwa 28.000 Kinder (6 Prozent) komplett ungeimpft und fast 14 Prozent in dieser Altersgruppe hatten noch keine Auffrischimpfung (fast 61.000 Kinder), bei den 10- bis 16-Jährigen waren es 12,5 Prozent (rund 75.000 Kinder und Jugendliche).