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Wir lassen uns per Headset die Gedanken lesen

Mit dem Emotion Analyzer können Gehirnwellen gemessen und Emotionen analysiert werden. Wir stellen uns dem Selbsttest und zeigen, was das bringt.

Heute Redaktion
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Wie der Emotion Analyzer genau funktioniert, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Welche Möglichkeiten er bietet könnte allerdings bahnbrechend sein. Das Headset mit einer Elektrode, die an die Stirn angelegt wird, und einem Messclip, der am Ohr befestigt wird, soll Gedanken lesen können. Oder besser gesagt: Er

erfasst Gehirnwellen und spielt sie sichtbar über eine zugehörige App als Emotionen aus.

Die Technologie stammt aus Japan, wo die Versuche damit vielfältig sind. Seine Anfänge hat der Emotion Analyzer als medizinisches Tool. So konnte das Headset etwa bei Komapatienten oder Demenzkranken zeigen, dass sie noch auf Angehörige und Ansprache von anwesenden Personen reagieren. Sympathie, Stress, Interesse, Gelassenheit und Konzentration kann das Gerät analysieren, an vier weiteren Gefühlen wird noch gearbeitet.

Großteil der Entscheidungen passiert unbewusst

Auch in Österreich kommt der Emotion Analyzer zum Einsatz, allerdings in der Werbe- und Marktforschung. Das ist für beide Seiten interessant: Unternehmen können nachvollziehen, auf welche Werbungen und Botschaften Kunden positiv und interessiert reagieren – und bei Kunden entstehen bleibende Eindrücke durch emotional ansprechende Inhalte. Neuromarketing nennt sich diese Methode.

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Doch wie läuft das "Gedankenlesen" in der Praxis ab? "Heute.at" hat sich dem Test gestellt. Karl Aschinger, Customer Success Manager und Spezialist für neue Technologien bei der weltweit tätigen Werbe- und Marketingagentur isobar, hat uns den Emotion Analyzer auf den Kopf gesetzt. Und erklärt im Vorfeld: "90 bis 95 Prozent der alltäglichen Entscheidungen werden unbewusst getroffen."

Gefühle werden in Echtzeit auf Tablet übertragen

Während das Gerät am Kopf platziert wird, gibt es noch Informationen zum Messverfahren. 12 bis 20 Personen brauche es für einen Test, bei dem die Emotionen jedes Probanden in Echtzeit über eine Software auf ein Tablet übertragen und ausgespielt werden. Dabei lässt sich etwa im Fall eines Werbespots nachvollziehen, wie hoch das Interesse an dem Clip ist, ob er gefällt und wann der Zuseher gedanklich "abspringt".

Nach dem "Gedankenlesen" werden Probanden zu ihrem Eindruck, ihren Vorlieben und zu Gedanken während besonders markanter Ausschläge bei einem oder mehreren Gefühlen bei einer bestimmten Werbeszene befragt. Die wenige Minuten dauernden Interviews soll Antworten darauf liefern, warum eine Szene besonders gefällt oder wieso eine Einblendung das Interesse plötzlich abfallen lässt. Entsprechend können Unternehmen ihre Sujets und Clips adaptieren, Störfaktoren entfernen oder sich für einen aus mehreren Entwürfen entscheiden.

Stress ist nicht immer negativ

Zurück zum Praxistest. Ist das Gerät am Kopf platziert, merkt man nach kurzer Zeit das Tragen kaum noch. Mit geschlossenen Augen versucht man sich zu entspannen, während das Headset sich kalibriert. Während dann ein Weihnachtsspot einer Lebensmittelkette zu sehen ist, "spuckt" das Tablet zeitgleich die Emotionen aus. Niedriges Interesse zu Beginn des eigentlich emotionalen Spots, später ein heftiger Ausschlag bei Sympathie und schließlich ansteigender Stress am Ende – was anfangs kurios aussieht, klärt sich im Gespräch auf. Da der Werbefilm, in dem der Tod eines Beteiligten vorgetäuscht wird, dem Tester bereits bekannt ist, hält sich das Interesse offenbar erst in Grenzen.

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Für einen heftigen Ausschlag bei Gefallen sorgen aber zwei Dinge im eigentlich traurig gestalteten Spot: Das Einsetzen von Musik sowie ein Hund, der durch das Bild läuft. Das Ende schließlich zeigt, dass Stress nicht immer negativ für Werbung sein muss. Als die Protagonisten im Spot um den angeblich Toten immer heftiger trauern, schießt der Stress, aber auch das Interesse in die Höhe. Was bedeutet: Der Zuseher ist gerade "voll bei der Sache", die Botschaft kommt an. Bei der Auflösung schließlich kehrt der Totgeglaubte zurück und der Emotion Analyzer zeigt abfallenden Stress, größere Gelassenheit und ein bleibendes Interesse an – ein Paradebeispiel für einen emotional ansprechenden Werbefilm.

Wer in Österreich den Emotion Analyzer nutzt

In Österreich haben bereits große Unternehmen wie Nahrungsmittelhersteller, die nicht genannt werden möchten, mit dem Emotion Analyzer von isobar gearbeitet, für Plakatwerbungen, für Produktverpackungen, aber auch für Geschmackstests. Wäre es dann nicht auch für Politiker und Parteien interessant zu wissen, welche Plakate, Personen und Botschaften unbewusst gut und schlecht bei den Österreichern ankommen? "Eine spannende Sache. Bisher hat aber kein Politiker und keine Partei den Emotion Analyzer genutzt", sagt Aschinger.

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Karl Aschinger, Customer Success Manager bei isobar