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Enthüllungsbuch über Trump: "Der redet so viel Scheiße"

Trumps früherer Sicherheitsberater John Bolton wirft dem Präsidenten wiederholten Amtsmissbrauch und teils gravierende Unwissenheit vor. 

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US-Präsident Trump hat eine Klage gegen das Enthüllungsbuch von Ex-Sicherheitsberater John Bolton (hinten rechts) eingebracht.
US-Präsident Trump hat eine Klage gegen das Enthüllungsbuch von Ex-Sicherheitsberater John Bolton (hinten rechts) eingebracht.
picturedesk.com/Zuma/Oliver Contreras

Außenpolitik nach Bauchgefühl, gefährliches Unwissen und ein unbändiger Wunsch nach einer zweiten Amtszeit, der ihm wichtiger ist als die Interessen des Landes – so beschreibt der frühere Nationale Sicherheitsberater John Bolton US-Präsident Donald Trumps Regierungsstil. Zudem wirft er ihm in seinem kommenden Enthüllungsbuch wiederholten Amtsmissbrauch vor, wie mehrere US-Medien am Mittwoch berichteten.

"Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war", schrieb Bolton in einem vorab vom "Wall Street Journal" veröffentlichten Kapitel. Selbst das Ringen mit China um ein Handelsabkommen habe Trump ganz offen für seine Wiederwahl einsetzen wollen, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf das Buch, das am kommenden Dienstag veröffentlicht werden soll – falls es nicht noch auf Antrag des Weißen Hauses von einem Gericht blockiert wird.

Nach den schweren Anschuldigungen von Bolton gegen ihn hat US-Präsident Donald Trump seinen ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater kritisiert. "Er hat das Gesetz gebrochen", sagte Trump am Mittwochabend (Ortszeit) in einem Interview des TV-Senders FOX. Die bekannt gewordenen Informationen aus Boltons Buch seien als geheim eingestuft. Trump bekräftigte damit seine Position vom Montag, ging aber nicht direkt darauf ein, ob Boltons Vorwürfe stimmen oder nicht. Dem "Wall Street Journal" gegenüber bezeichnete Trump Bolton derweil als "Lügner", den jeder im Weißen Haus gehasst habe.

Ermittlungen unterbunden

Bolton schreibt der Zeitung zufolge, dass ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht nur wegen der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre, sondern auch wegen anderer Fälle gerechtfertigt gewesen wäre. Trump habe mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten von ihm lieben "Diktatoren" unterbunden, etwa in Bezug auf China und die Türkei. Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen gegen die Unternehmen ZTE und Halkbank gegangen, schrieb Bolton demnach. "Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten", schrieb Bolton. Er habe seine Bedenken damals auch schriftlich an Justizminister William Barr gerichtet.

In Bezug auf China habe Trump in den Verhandlungen um ein Handelsabkommen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen, schrieb Bolton demnach. Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, waren ein wichtiger Teil des Abkommens. Trump habe Chinas Präsident Xi Jinping angefleht, "damit Xi sicherstellt, dass er gewinnen würde", schrieb Bolton demnach. "Er betonte die Bedeutung von Landwirten und von größeren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl", schrieb Bolton.

Aussichtslose Nordkorea-Politik

Bolton, der als Sicherheitsberater eng mit dem Präsidenten zusammengearbeitet hatte, warf Trump auch vor, seine Außenpolitik häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit zu basieren. So habe der Präsident zum Beispiel nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht ist und einmal auch gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wie Bolton der "New York Times" zufolge beschreibt. Zudem soll Trump einen Nato-Austritt sehr ernsthaft erwogen haben.

"Der redet so viel Scheiße", soll US-Außenminister Mike Pompeo beim 51. ASEAN-Gipfeltreffen 2018 in Singapur über Trump geschrieben haben.
"Der redet so viel Scheiße", soll US-Außenminister Mike Pompeo beim 51. ASEAN-Gipfeltreffen 2018 in Singapur über Trump geschrieben haben.
picturedesk.com/AFP/Mohd Rasfan

Bolton erklärte auch, es sei klar gewesen, dass Trumps persönliche Diplomatie mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Während eines Gipfeltreffens mit dem Nordkoreaner in Singapur 2018 habe Außenminister Mike Pompeo ihm einen Zettel zugesteckt, in dem jener über Trump geschrieben hatte: "Der redet so viel Scheiße", wie es in dem Buch demnach heißt. Auch Pompeo habe Trumps Nordkorea-Politik als aussichtslos angesehen.

Nach knapp eineinhalb Jahren entlassen

Das US-Justizministerium will die Veröffentlichung des Buches des früheren Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton vorläufig stoppen. In dem Antrag auf eine entsprechende einstweilige Verfügung beim zuständigen Gericht in Washington vom Mittwoch (Ortszeit) heißt es, ein Erscheinen würde die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden. Angesichts des geplanten Veröffentlichungsdatums kommende Woche beantragte das Ministerium eine Anhörung am Freitag.

Die US-Regierung hatte wegen des Buches bereits am Dienstag Klage bei einem Bundesgericht in Washington eingereicht. Bolton verbreite geheime Informationen und gefährde mit der Veröffentlichung auch die nationale Sicherheit, hieß es zur Begründung. Bolton habe von dem Verlag rund zwei Millionen Dollar (1,78 Millionen Euro) für das Buch erhalten. Der Verlag Simon & Schuster kritisierte die Klage scharf und sprach von Bemühungen, dem Präsidenten unliebsame Informationen zu unterdrücken.

Bislang gab es kein Buch aus Trumps engstem Führungszirkel im Weißen Haus, bei dem der Autorenname bekannt war – es gab ein anonymes Buch. Trump hatte seinen Vertrauten Bolton im September nach knapp eineinhalb Jahren wegen Meinungsverschiedenheiten als Sicherheitsberater geschasst. Boltons fast 600 Seiten langes Werk mit dem Titel "The Room Where It Happened" (dt. "Der Raum, in dem es geschah"), sollte ursprünglich im März erscheinen, die Veröffentlichung wurde aber vom Weißen Haus gestoppt.

"Er ist Autor, aber kein Patriot"

Bolton hatte sich allerdings Anfang des Jahres geweigert, im Amtsenthebungsverfahren gegen Trump wegen der Ukraine-Affäre vor dem Repräsentantenhaus ohne Vorladung unter Strafandrohung auszusagen. Kritiker werfen ihm daher vor, scheinheilig zu agieren und nur möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen. In dem Buch rechtfertigte Bolton seine Entscheidung. Die Demokraten hätten ihre Untersuchung aus politischen Gründen nur auf die Ukraine begrenzt, um das Verfahren schnell abzuschließen, schrieb er. Wäre es eine breiter angelegte Untersuchung gewesen, hätte er ausgesagt, behauptete er. Dann wäre das Verfahren vielleicht anders ausgegangen, mutmaßte er.

Der demokratische Abgeordnete Adam Schiff, der das Amtsenthebungsverfahren führend betreute, wies Boltons Darstellung zurück. Einige von Boltons Mitarbeitern hätten "viel zu verlieren gehabt" und mit ihrer Aussage im Parlament "wirklichen Mut gezeigt". Bolton hingegen habe alles für sein Buch aufgehoben. "Er ist vielleicht ein Autor, aber kein Patriot", schrieb Schiff auf Twitter.

Justizminister William Barr hatte am Montag gesagt, Bolton habe nicht den vorgeschriebenen Prozess durchlaufen, sich Passagen des Buchs durch das Weiße Haus freigeben zu lassen. Trump wiederum sagte, Bolton sei bekannt dafür, nicht immer die Wahrheit zu sagen.

Meinungsverschiedenheiten vor Abgang

Bolton beschreibt in dem Kapitel im "Wall Street Journal" auch, wie Xi Trump bei einem G-20-Gipfel offenbar ausführlich schmeichelte, um dem US-Präsidenten spontane Zugeständnisse abzutrotzen. Trumps Berater hätten sich im Nachhinein bemüht, die Situation wieder geradezurücken, schrieb er. Bei einem weiteren Treffen habe Trump Xi sogar gesagt, dieser sei "die tollste Führungsperson der chinesischen Geschichte". Die Lage der Menschenrechte in China – etwa die Demokratiebewegung in Hongkong oder die Lage der unterdrückten muslimischen Minderheit der Uiguren – hätten Trump demnach nicht interessiert.

"Ein Präsident darf die legitime Macht der Regierung nicht missbrauchen, in dem er seine persönlichen Interessen mit den Interessen des Landes gleichsetzt oder durch das Erfinden von Ausreden, um das Verfolgen persönlicher Interessen unter dem Vorwand der Interessen des Landes voranzutreiben", schrieb Bolton über Trump.

Der als stramm konservativ geltende Republikaner Bolton ist seit Jahrzehnten in der Politik aktiv. Unter Präsident George W. Bush etwa hatte Bolton unter anderem die außenpolitisch bedeutende Stelle des US-Botschafters bei den Vereinten Nationen in New York inne. Bolton ist zudem seit Langem für seine harte Haltung gegenüber dem Iran und Nordkorea bekannt. Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Politik gegenüber diesen Staaten waren es offenbar auch, die ihn zum Abgang bewegten. Bolton zufolge hat er seinen Job aus freien Stücken gekündigt, Trump hingegen will ihn rausgeschmissen haben.