Nigel Farages Partei Reform UK ist laut einer aktuellen Umfrage erstmals die stärkste politische Kraft in Großbritannien. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov ermittelte im Auftrag der "Times" und des Senders Sky News, dass Reform UK derzeit 25 Prozent der Wählersympathien auf sich vereint. Die regierende Labour-Partei liegt mit 24 Prozent knapp dahinter, die Konservativen kommen auf 21 Prozent. Das Ergebnis zeigt eine deutliche Verschiebung in der britischen Parteienlandschaft, wie die Tamedia-Zeitungen berichten.
Obwohl die nächsten Unterhauswahlen erst in mehr als vier Jahren anstehen, sorge das Umfrageergebnis für Unruhe bei den etablierten Parteien. Aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts, das nur den Siegern in den einzelnen Wahlkreisen den Einzug ins Parlament ermöglicht, könnte Reform UK trotz des hohen Wählerzuspruchs bei der Sitzverteilung hinter Labour und den Konservativen bleiben. Dennoch gewinne die Partei von Nigel Farage (60) in immer mehr Wahlkreisen an Unterstützung. Bereits bei den letzten Parlamentswahlen im Sommer konnte Reform UK 14 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, erhielt aber nur fünf Sitze.
YouGov zufolge hat Reform UK besonders viele Wähler von den Konservativen gewonnen. Jeder vierte frühere Tory-Wähler ist mittlerweile zu Reform UK übergelaufen. Zudem befürworten 43 Prozent der konservativen Wähler eine Fusion ihrer Partei mit den Rechtspopulisten, was innerhalb der Tory-Partei zu Spannungen führt.
Neben den Tories könnte nun auch Labour Wähler an Farages Partei verlieren. Angesichts der wachsenden Unzufriedenheit mit Premierminister Keir Starmer (62) und seiner Regierung drohen der Labour-Partei bei den Kommunalwahlen im Mai Verluste. Reform UK profitiert dabei nicht mehr nur von ihrer Anti-Immigrationspolitik, sondern spricht zunehmend auch Wähler an, die unzufrieden mit den Lebenshaltungskosten, dem Gesundheitswesen und anderen innenpolitischen Problemen sind.
Nick Lowes, Direktor des Verbands "Hope Not Hate", sieht einen breiteren gesellschaftlichen Wandel: "Reform UK interessiert inzwischen auch Wähler, die der Zuwanderung und einer multikulturellen Gesellschaft positiv gegenüberstehen, aber das Vertrauen in die etablierten Parteien verloren haben." Ein führender Labour-Politiker sagte laut dem "Observer": "Dies sind nicht mehr nur Turbulenzen. Wir erleben einen epochalen Wandel. Die Leute sind einfach viel wütender als früher."