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Erdogan-Besuch entzweite am Samstag Köln

Heute Redaktion
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Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat in Köln Zehntausende Menschen auf die Straße gebracht. Erdogan griff bei der Wahlkampfveranstaltung seine Kritiker scharf an, gab aber dennoch eine EU-Mitgliedschaft als Ziel aus. 10.000 Anhänger jubelten Erdogan zu, die nach dem Grubenunglück von Soma erzürnten Gegner des Regierungschefs waren mit etwa 50.000 Demonstranten allerdings in der Überzahl.

Der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat in Köln Zehntausende Menschen auf die Straße gebracht. Erdogan griff bei der Wahlkampfveranstaltung seine Kritiker scharf an, gab aber dennoch eine EU-Mitgliedschaft als Ziel aus. 10.000 Anhänger jubelten Erdogan zu, die nach dem erzürnten Gegner des Regierungschefs waren mit etwa 50.000 Demonstranten allerdings in der Überzahl.

In Köln waren am Samstag tausende türkische Flaggen zu sehen. Die einen protestierten gegen die Politik des Regierungschefs, die anderen bejubelten seinen Auftritt. Die Polizei stand im Großeinsatz, auch wenn es im Gegensatz zur friedlich blieb.

Erdogan warf Kritikern in der Türkei und im Ausland vor, seinem Land schaden zu wollen. Es gebe Kräfte, die den Aufstieg der Türkei verhindern wollten, sagte Erdogan in Köln. "Denen sage ich: Die Türkei ist nicht mehr die alte Türkei." Erdogan wies die Kritik an Einschränkungen der Bürgerrechte in der Türkei zurück.

"Lügen und Verleumdungen"

Gegner seiner Regierung im Innern wie im Ausland wiederholten dieselben "Lügen und Verleumdungen", sagte Erdogan. Auch die Kritik am Umgang der türkischen Polizei mit Demonstrationen sei verfehlt, denn es handle sich um "Terrorakte", sagte Erdogan. Polizisten zu töten und Dokumente zu fälschen, sei keine Pressefreiheit. Er warf den europäischen Ländern vor, zu den kürzlichen Todesurteilen gegen Mitglieder der Muslimbruderschaft in Ägypten geschwiegen zu haben.

Auch deutsche Medien attackierte der türkische Regierungschef. Er sei von verschiedenen Medien nach dem Unglück von Soma mit Beleidigungen überzogen worden, betonte Erdogan in Anspielung auf eine Überschrift im "Spiegel", in der ein Bergmann vor Kurzem mit den Worten zitiert wurde, der türkische Premier solle sich "zum Teufel scheren".

EU-Mitgliedschaft bleibt Ziel

Trotz aller Kritik am Westen betonte Erdogan, die Türkei bleibe beim Ziel der EU-Mitgliedschaft. Sein Land sei ein "Gegengift" gegen den wachsenden Rassismus in Europa. Erdogan betonte die Verbundenheit zwischen der Türkei und den Türken in Europa. Er überbringe "Grüße von 77 Millionen Brüdern" in der Türkei, sagte er. Von den Zuhörern wurde Erdogan mit Applaus und Sprechchören wie "Die Türkei ist stolz auf dich" gefeiert.

Mit Blick auf die 301 Todesopfer des Grubenunglücks in Soma betonte Erdogan, er werde alles tun, um die Verantwortlichen für die Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen. Zugleich griff er seine Kritiker in der Türkei an, die versucht hätten, aus dem Unglück politisches Kapital zu schlagen.

Der Rhein als Trennwand

Auf beiden Seiten des Rheins marschierten Türken und türkischstämmige Deutsche auf. Auf der rechten Rheinseite strömten die Menschen in Richtung Lanxess-Arena, wo Erdogans Rede stattfand. Auf der linken Seite des Flusses formierte sich vehementer und wütender Protest von - laut Polizei - rund 30.000 Demonstranten gegen den islamisch-konservativen Politiker. Die Organisatoren, die Alevitische Gemeinde in Deutschland, sprachen von 50.000 Teilnehmern.

"Wir wollen ihn nicht. Wir setzen ein Zeichen und zeigen, dass viele türkeistämmige Menschen in Europa gegen die Politik von Erdogan aufstehen", sagte die Studentin Esra. "Für die Explosion in Soma und die Sicherheitsmängel ist die AKP-Regierung von Erdogan verantwortlich." Dass der Ministerpräsident vor der türkischen Präsidentschaftswahl im August und kurz nach dem tödlichen Grubenunglück in Soma nun in Köln eine "Jubelshow" vor seinen Anhängern inszeniere, sei geschmacklos.

Helme der Gegner erinnern an Grubenunglück

"Der deutschen Bevölkerung muss gezeigt werden, dass man einem Diktator wie Erdogan keinen Platz lassen und auch keine Bühne geben sollte", meinte Ümit Üc, der in einem Demo-Zug durch die Innenstadt mitmarschierte. Auf Plakaten war zu lesen: "Erdogan, du bist kein Demokrat" oder "Erdogan: Räuber, Mörder, Lügner". Manche wie So auch Behlül Cevikel trugen Sicherheitshelme mit dem Aufschrift "Soma". "Es ist menschenverachtend, wenn jemand so kurz nach einem Minenunglück nach Deutschland kommt, weil er hier 1,5 Millionen Wahlberechtigte gewinnen möchte", sagte der Demonstrant.

Die Anhänger des 60-jährigen Regierungschefs waren auf Einladung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) gekommen, die als verlängerter Arm von Erdogans Partei AKP gilt. Anlass für Erdogans Redeauftritt war offiziell das zehnjährige Bestehen der UETD. Viele hatten sich - trotz hoher Temperaturen - einen Erdogan-Schal umgehängt. Andere hatten ein Poster des Ministerpräsidenten dabei. In der Halle hingen riesige türkische Flaggen von den Rängen. Es herrschte erwartungsfrohe Stimmung..

Kleine Reibereien am Freitag

Am Freitagabend musste die Polizei in der Kölner Innenstadt Anhänger und Gegner der türkischen Regierung voneinander trennen, die sich "heftige Wortgefechte" lieferten, bestätigte die Polizei am Samstag einen Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers". Die Demonstranten hatten sich in einer kleinen Straße in der Innenstadt versammelt, wo ein türkischer Minister und der türkische Botschafter samt Begleittross ein Restaurant besuchten. Zu den rund 100 Demonstranten habe sich die gleiche Anzahl Schaulustiger gesellt, sagte der Polizeisprecher.