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Erdogan redet von "Neuauflage der Kreuzzüge"
"Charlie Hebdo" zeigt eine Karikatur des türkischen Präsidenten. Ankara hat nun Strafanzeige erstattet. Erdogan schießt aus allen Rohren.
Der französische Präsident Emmanuel Macron und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdogan lassen kaum eine Gelegenheit verstreichen, um Kritik an der Gegenseite zu üben. Eine Karikatur, die den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Unterhose neben dem nackten Hinterteil einer Frau zeigt, gießt erneut Öl ins Feuer.
Die Titelseite der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" zeigte am Mittwoch einen leicht bekleideten Erdogan, wie er das Gewand einer verschleierten Frau anhebt. "Ohh! Der Prophet!", steht in einer Sprechblase. Die Seite ist betitelt mit den Worten: "Erdogan – privat ist er sehr lustig".
Lustig fand der türkische Präsident selbst das ganz und gar nicht, die Reaktion aus Ankara folgte prompt: Erdogans Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun warf dem Magazin "kulturellen Rassismus" vor, die Oberstaatsanwaltschaft in Ankara leitete Ermittlungen wegen Präsidentenbeleidigung ein und der Anwalt Erdogans erstattete Strafanzeige.
"Islamfeindlichkeit unter den Führenden Europas"
Erdogan verurteilte "Charlie Hebdo" als "obszön". Er habe von der Titelseite mit der Karikatur, die ihn abbilden soll, gehört, sie aber nicht angesehen, sagte Erdogan vor Mitgliedern seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara. Es sei unter seiner Würde, solche "obszönen Publikationen" auch nur zu beachten. "Wir wissen, dass das Ziel nicht meine Person ist, sondern die Werte, die wir vertreten", sagte Erdogan.
Es sei "Ehrensache", sich gegen Angriffe auf den Propheten zu stellen. Erdogan sagte weiter, unter den Führenden in Europa breite sich Feindlichkeit gegen den Islam und Muslime sowie Respektlosigkeit gegenüber dem Propheten Mohammend "regelrecht wie Krebs" aus. Erdogan warf bestimmten Ländern eine "Neuauflage der Kreuzzüge" vor. Diese würden von westlichen Staaten geplant, die den Islam attackierten
Der französische Regierungssprecher Gabriel Attal beantwortete die Kritik und sagte, Frankreich werde niemals auf "seine Prinzipien und Werte verzichten". Präsident Macron kommentierte die Karikatur zunächst nicht.
Streit nach Gedenkfeier des geköpften Lehrers Paty
Der Streit um Karikaturen war erneut entbrannt, nachdem Macron auf einer Gedenkfeier zu Ehren des in Paris enthaupteten Lehrers Samuel Paty gesagt hatte, Frankreich werde nicht "auf Karikaturen und Zeichnungen verzichten, auch wenn andere sich davon zurückziehen". Der Lehrer hatte im Unterricht Mohammed-Karikaturen als Beispiel für Meinungsfreiheit gezeigt.
Auch wegen seiner Ankündigung, einen "Islam der Aufklärung" in Frankreich schaffen zu wollen, hatte Erdogan Macron Islamfeindlichkeit vorgeworfen – und ihm psychologische Behandlung anempfohlen. Frankreich rief seinen Botschafter aus Ankara zurück und Erdogan rief seine Landsleute auf, französische Waren zu boykottieren. Zuvor hatten bereits Händler in mehreren muslimisch geprägten Ländern angekündigt, keine französischen Produkte mehr zu verkaufen.
Erdogan und Marcon: zahlreiche Streitpunkte
Der Streit zwischen den Nato-Verbündeten hat deutlich mehr Spielarten: Im Konflikt im östlichen Mittelmeer steht Macron solidarisch mit Griechenland und Zypern und verurteilt Erdgaserkundungen der Türkei in der Ägäis als "inakzeptabel". Zur symbolischen Unterstützung Griechenlands entsandte er zusätzliche Kriegsschiffe. Er zeigt sich auch offen gegenüber zusätzlichen Türkei-Sanktionen der Europäischen Union – im Gegensatz etwa zu Deutschland.
Macron kritisiert die Türkei außerdem scharf für die Unterstützung der international anerkannten Regierung im Bürgerkriegsland Libyen. Er hatte wiederholt erfolglos versucht, zwischen dem libyschen Regierungschef Fajis al-Sarradsch und dem rivalisierenden General Chalifa Haftar zu vermitteln. Frankreich wurde aber auch wiederholt vorgeworfen, Haftar zu unterstützen.
Strategisch dürfte zumindest der Karikaturenstreit Erdogan in die Karten spielen. "Wir wissen, dass das Ziel nicht meine Person ist, sondern die Werte, die wir vertreten", sagte Erdogan als Reaktion auf die Karikatur und stellte sich so als Vertreter der Muslime dar. Erdogan kann sich gewiss sein: Seine Verurteilungen finden Gehör und Zustimmung. Die hat er zumindest im Inland angesichts sinkender Umfragewerte auch bitter nötig.