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Homeschooling, Woche zwei – es ist der helle Wahnsinn

Die zweite Woche Homeschooling mit meinen drei Kindern ging zu Ende. Ich darf bilanzieren: Es ist der helle Wahnsinn. Von Herausgeberin Eva Dichand

Heute Redaktion
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Meistens bekomme ich zwischen 12 und 16 E-Mails. Vor acht Uhr früh wohlgemerkt. Inhalt: Instruktionen, was heute alles zu "lernen" sei. Meine drei Kinder werden derzeit per Homeschooling unterrichtet. Von mir. Anscheinend glauben in diesem Land alle, dass wir Eltern einfach so das gesamte Unterrichtsvolumen plus unseren eigentlichen Job locker von zu Hause schaffen können.

Zusätzlich zu den 12 bis 16 Arbeitsaufträgen erhält man ein paar Kritikmails mit einer Auflistung dessen, was alles nicht abgeliefert wurde. Der Drama-Lehrer urgiert das Theaterstück aus Kartonfiguren – er wünscht dieses gefilmt und upgeloaded zu bekommen. Ernsthaft?! Der Science-Lehrer verlangt ebenfalls die Ablieferung seines Science-Projekts (irgendetwas Wissenschaftliches aus Karton gebastelt). Man geht offenbar davon aus, dass eine Person (mit eigentlich anderem Job) den Kindern sämtliche Fächer dreier Schulstufen vermitteln kann.

Turnstunde unterbricht News-Besprechung

Wie die meisten anderen Menschen habe ich aber auch einen Job: Tageszeitung – auch nicht ganz einfach derzeit, noch dazu vom Home Office aus. Um 9.30 Uhr gibt's einen Call mit meinem Chefredakteur. Weit kommen wir nicht. Lautes Pumpern aus dem Nebenzimmer. Ich unterbreche das Gespräch. "Was machst du denn da?", frage ich die Tochter (4. Klasse Volksschule). "Ich habe Turnunterricht."

Leider kein Scherz, sondern die neue Realität. Weit gefehlt, tagtägliche Realität. Vielleicht könnte das Unterrichtsministerium endlich die Weisung an alle Schulen erteilen, in solchen Krisenzeiten nur das wirklich Notwendigste von den Kindern, respektive Eltern, zu verlangen. Wie wär's mit Mathematik, Deutsch und Englisch? Der Rest auf freiwilliger Basis. Kartonfiguren basteln, Turnunterricht und Scienceprojekte – ernsthaft? Die derzeitige Situation kann nur ein Notprogramm für kurze Zeit und kein regulärer Schulbetrieb sein.

Die Eltern haben niemanden

Augenscheinlich bin ich mit dieser Ansicht nicht alleine. Mich erreicht täglich eine Flut Leserbriefe (neuzeitlich E-Mails) von anderen überforderten und frustrierten Eltern. Denn während Unternehmer, Arbeitnehmer und Industrie alle ihre Interessensvertreter haben, haben die armen Eltern niemanden. Sie werden von Politik und Entscheidungsträgern momentan offenbar als weniger wichtig eingestuft.

Ob vielleicht jemand krank ist in einer Homeschooling-Familie oder ob man sich zu fünft in einer Mini-Wohnung ohne Balkon gefangen fühlt, das dürfte derzeit allen herzlich egal sein. Im Land macht man sich Gedanken, wie man es bewerkstelligen kann, dass der Voest-Arbeiter möglichst bald wieder zur Arbeit kann. Zweifellos wichtig. Die Schulen? Können ruhig als letztes wieder öffnen, hier wird schließlich nicht so laut geschrien. Noch nicht. Schulen und Unis wieder zu öffnen, sei volkswirtschaftlich nicht so wichtig wie Geschäfte, sagt der Kanzler. In Südkorea machen sie es genau umgekehrt. Dort wird Bildung als das Wichtigste und Kinder und Jugendliche werden als die am wenigsten gefährdete Gruppe gesehen.

Ungeahnte Revolution droht

Ein Großteil unserer sehr jungen Politiker hat noch gar keine Kinder. Ob die Schulen nach Ostern zumindest teilweise wieder öffnen, ist ihr geringstes Problem. Für die Bevölkerung ist dies allerdings gar kein geringes Problem. Das könnte zu einer ungeahnten Revolution führen. Nämlich die der Eltern. Und glauben Sie mir, an der Anzahl der Leserbriefe und Postings in den sozialen Medien kann ich schon jetzt vorhersagen: Gegen das, was dann kommt, ist der gewohnte Gegenwind sämtlicher Gewerkschaften des Landes nur ein laues Lüfterl.