Coronavirus

Experte sagt, wie riskant Lockdown-Ende im Mai ist

Das Ende des Lockdowns steht fest, Österreich sperrt am 19. Mai wieder auf! Experten waren jedoch eindringlich vor einem "Frühstart".

Andre Wilding
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Sieht es so ab dem 19. Mai wieder in Österreich aus?
Sieht es so ab dem 19. Mai wieder in Österreich aus?
Tobias Steinmaurer / picturedesk.com

Es steht fest: am 19. Mai endet in Österreich der Lockdown! Gastronomie, Handel, Tourismus, Kultur und Sport werden mit strengen Sicherheitskonzepten wieder geöffnet, sechs Wochen später – am 1. Juli – soll es dann bereits die nächsten Lockerungen geben.

Gemeinsam mit der "Öffnungskommission" lädt die Bundesregierung am heutigen Freitag zum großen Öffnungsgipfel. Dort werden die neun Landeshauptleute, Sozialpartner und die Oppositionsparteien über die einzelnen Öffnungsschritte im Mai im Detail informiert. Gegen 14.00 Uhr tritt dann die Regierung vor die Presse und informiert die Bevölkerung über die genauen Maßnahmen.

Doch Experten warnen vor einem "Frühstart"! Denn das Coronavirus breitet sich nach wie vor weiter aus, vor allem im Westen des Landes ist die Zahl der Infektionen in den vergangenen Tagen und Wochen deutlich gestiegen. Darauf weist etwa auch der Komplexitätsforscher Peter Klimek hin. Angesichts der unterschiedlichen Entwicklung der Corona-Zahlen im Land ist der Fachmann mit Prognosen bei den Öffnungsschritten mehr als vorsichtig.

E484K bereitet Sorge

"Wo wir genau dann in welchem Bundesland Mitte Mai stehen, ist noch einmal eine andere Frage", so Klimek gegenüber dem Ö1-Morgenjournal. In Wahrheit könne man aktuell noch nicht genau sagen, "wie groß diese Öffnungsschritte sein kann, die man vielleicht wo setzen kann." Klimek geht aber davon aus, dass Österreich durch die Impfungen und das wärmere Wetter in den nächsten Wochen mehr Spielraum für Öffnungen bekommen werde.

Aber: "Man darf jetzt einfach keinen Frühstart hinlegen, sondern sinnvoll zu schauen, wann die Lage so stabil ist, dass man diese Öffnungsschritte nachhaltig durchführen kann", stellt der Experte im Ö1-Morgenjournal klar. Der Experte empfiehlt daher eine ähnliche Vorgangsweise wie im vergangenen Frühjahr. Damals sei man auf Sicht gefahren, habe Öffnungsschritte gesetzt und dann zwei Wochen gewartet und geschaut, ob die Entwicklung der Zahlen stabil bleibt.

Dass die 7-Tages-Inzidenz etwa in Tirol (213) in den letzten Tagen so stark gestiegen ist, hat offenbar mit einer neuen Mutation mit dem Namen E484K zu tun, die sich im Bundesland ausbreitet. "Bei dieser Mutation, die sich in Tirol entwickelt hat, sprechen wir von einer sogenannten Fluchtmutation. Das bedeutet, dass das Virus an der Oberfläche eine Veränderung durchgemacht hat, die es den Antikörpern nicht mehr so leicht macht das Virus zu bekämpfen", stellt Andreas Bergthaler, Virologe am Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Akademie der Wissenschaften, im Ö1-Morgenjournal klar.

Mutation trotzt Impfungen

Das sei auf dem Hintergrund der britischen Variante B.1.1.7. entstanden, die infektiöser ist. "Damit haben wir jetzt eine modifizierte Variante in Tirol vorliegen, die infektiöser ist und obendrauf noch eine Fluchtmutation hat", so der Experte weiter. Diese Fluchtmutation habe auch gezeigt, "dass die Antikörper schlechter das Virus abtöten können und das könnte in weiterer Folge dazu führen, dass es vermehrt zu Re-Infektionen kommt oder auch das Impfstoff-Brüche begünstigt werden."

Diese Mutation trotzt also stärker den Impfungen. "Bei der Datenlage muss aber sehr vorsichtig sein, dass ist nämlich primär im Labor. Die Studien der letzten Wochen suggerieren aber, dass die Antikörpertiter, die das Virus töten, um sechs bis zehnfach weniger effektiv sind. Was das genau in der Wirklichkeit heißt, ist aber schwierig umzulegen", stellt Bergthaler am Freitag im Ö1-Morgenjournal klar.

Was man sich aber vorstellen müsste, sei: "Jeder, der geimpft wird oder eine Infektion durchmacht, der hat auch eine unterschiedliche Immun-Antwort und unterschiedliche Antikörpertiter. Es kann also gut möglich sein, dass die Personen, die besonders niedrige Antikörpertiter haben, unter Umständen gefährdeter sind, wieder infiziert zu werden, obwohl sie schon einmal eine Infektion durchlaufen haben oder geimpft sind", so der Virologe im Ö1-Morgenjournal weiter.

"Dürfen Erfolg nicht verspielen"

Doch wie riskant ist eine Öffnung im Mai angesichts der Corona-Lage im Westen sowie in den restlichen Bundesländern eigentlich? "Ich sehe es in dieser Hinsicht wie mein Kollege Peter Klimek. Ich glaube, wir müssen vorausschauend handeln", so Bergthaler im Ö1-Morgenjournal. Er nennt eine Metapher: "Auf der Autobahn fahren wir auch nicht mit Standlicht, sondern mit Fernlicht. Wir möchten möglichst im Voraus potenzielle Hindernisse erkennen." Und genauso sei es auch mit den Öffnungen.

"Die Impfungen sind eine unglaubliche Erfolgsgeschichte und das ist natürlich auch die Lösung aus der ganzen Krise. Aber wir dürfen diesen Erfolg auch nicht verspielen. Je mehr wir dem Virus die Chance geben, Fluchtmutationen anzusammeln über die nächsten Wochen und Monate, umso schwieriger werden wir es im nächsten Winter haben", erklärt der Virologe im Ö1-Morgenjournal.