Gesundheit

Experte warnt: "Jetzt nicht die Nerven wegschmeißen"

Epidemiologe Hans-Peter Hutter will die Corona-Variante Omikron nicht verharmlosen, warnt aber vor einer Panikmache, die nach hinten losgehen könnte.

Christine Scharfetter
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Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene an der MedUni Wien, nimmt Omikron keinesfalls auf die leichte Schulter, hält aber auch nichts von einer Panikmache.
Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene an der MedUni Wien, nimmt Omikron keinesfalls auf die leichte Schulter, hält aber auch nichts von einer Panikmache.
istock/Naeblys; Heute

Verschärfte Quarantäneregeln, strengere Einreisebedingungen und das alles kurz vor Weihnachten. Die neue Coronavirus-Variante Omikron (B.1.1.529) ist um ein Vielfaches ansteckender und könnte den derzeitigen Vorsprung nach dem dreiwöchigen Lockdown in kürzester Zeit wieder zunichtemachen. Dennoch warnt der österreichische Epidemiologe Hans-Peter Hutter im "Heute"-Gespräch vor der falschen Wortwahl, zu viel Panik und undurchsichtigen Maßnahmen.

Ist Omikron ein weiterer Schritt zur "Common Cold"-Variante?

"Wir wissen bis jetzt nicht sehr viel, aber eines wissen wir auf jeden Fall, sie ist deutlich infektiöser", so der Facharzt für Hygiene von der MedUni Wien. "Wenn das eine Variante ist, die fitter ist und danach schaut es aus, dann will sie sich durchsetzen. Von daher können wir die Verbreitung zwar bremsen, langsamer machen, aber wir werden sie nie aufhalten können. Das ist eine Illusion."

"Wir werden sie nie aufhalten können. Das ist eine Illusion."

Was wir hingegen nicht wissen, das sei, ob die Omikron-Variante überhaupt zu einem schweren Krankheitsverlauf führe. "Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass sie infektiöser und zum Beispiel - worauf es Hinweise gibt - harmloser ist, dann haben wir einen sehr wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Nämlich in die Richtung, dass sich dieses Virus immer mehr in die sogenannte 'Common Cold'-Variante hinentwickelt."

Diese "Common Cold"-Variante sei zwar infektiöser, aber nicht mehr problematisch. Ein Stadium, in das sich Viren im Laufe der Zeit üblicherweise hinentwickeln würden. Sprich, aus dem bisher so bedrohlichen Coronavirus würde irgendwann eine einfache Erkältung werden. Das Ende der Pandemie sei somit erreicht.

Doch genauso könne Omikron in die andere Richtung gehen und "zumindest so bedenklich und problematisch wie Delta" sein. Deshalb zeigt der Experte Verständnis dafür, dass man derzeit vorsichtiger und umsichtiger sei. "Aber gleichzeitig darf man jetzt nicht die Nerven wegschmeißen." Das sei gerade nach 22 Monaten Pandemie ein wichtiges Faktum.

Klare, verständliche Maßnahmen

Viele würden nach der langen Zeit die Maßnahmen nicht mehr befolgen. "Dem gilt es natürlich auch die Aufmerksamkeit zu widmen, damit diese Gruppe nicht größer wird." Entscheidend sei für den Epidemiologen hier die Wortwahl. Weder wolle und sollte man derzeit vermitteln, dass alles sinnlos sei, noch weiter Angst schüren und Panik verbreiten.

"Wir müssen vorsichtig sein, aber gleichzeitig sollten die Maßnahmen, die wir jetzt umsetzen, verständlich und nachvollziehbar sein. Es muss klar ersichtlich sein, warum diese oder jene Maßnahme gesetzt wird." Andernfalls werde die Bereitwilligkeit der Bevölkerung, jetzige oder zukünftige Maßnahmen einzuhalten, weiter sinken. Hutter appelliert: "Wir müssen umsichtig, vorsichtig, aber auch mit einer gewissen Zuversicht in die nächsten Tage und Wochen gehen."

Delta noch nicht verschwunden

Gleichzeitig wundert sich der Epidemiologe, dass plötzlich niemand mehr über die Delta-Variante spreche. Dabei sei diese immer noch vorherrschend und tatsächlich gefährlich. "Wir haben nach wie vor deutlich überwiegend mit Delta zu tun. Wenn man sich infiziert, dann wird es eher doch noch die Delta-Variante sein." Deshalb ruft Hans-Peter Hutter auf: "Nehmt das mit dem Impfen ernst, wir haben das kostenlose Angebot und sehr viele Gelegenheiten. Nutzt es, ob es das erste Mal, das zweite Mal oder das dritte Mal ist."