Politik

Experten kritisieren Wahlkampf auf Kosten Suchtkranker

Heute Redaktion
Teilen
Picture
Bild: Fotolia

Kritik am Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) im Zusammenhang mit der Substitutionstherapie kommt von den Grünen. "Hier wird vor den Wahlen billiges Kleingeld für ein konservatives Klientel gemacht. Und das auf Kosten der Betroffenen", sagte der Grüne Gesundheits- und Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald.

Kritik am Vorstoß von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (V) im Zusammenhang mit der Substitutionstherapie kommt von den Grünen, Gesundheitsminiter Alois Stöger und mehreren Experten. "Hier wird vor den Wahlen billiges Kleingeld für ein konservatives Klientel gemacht. Und das auf Kosten der Betroffenen", sagte der Grüne Gesundheits- und Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald.

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat für die Aussagen seiner ÖVP-Kollegin nur harsche Worte übrig: „Süchtige gehören zum Arzt und nicht in die Polizeistation“, so Stöger. Er könne nicht nachvollziehen, was Mikl-Leitner geritten habe, so Stöger im Ö1-Interview.

"Gesundheitspolitik hat sehr viel mit Sachverstand zu tun und Substitutionstherapien sind eine bewährte und gängige Praxis ohne wirkliche Alternative. Das Breittreten allgemeiner Vorurteile fördert nur weitere Diskriminierungen von Suchtkranken", meinte Grünewald. Die Grünen seien für "ein offenes Zugehen zur Diskussion von international geprüften Modellen von Konsumräumen, die sich in mehreren Staaten bewährt haben und auch wissenschaftlich evaluiert wurden".

"Laut neuen Erkenntnissen sind intravenöse Behandlungsformen beziehungsweise Heroin auf Krankenschein ein zukunftsweisender Weg", sagte Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Grünen Wien. "Dieser sollte für eine kleine Gruppe von schwerst Abhängigen möglich sein."

Experte: "Abkehr wäre Rückschritt"

Für den Leiter des Instituts für Suchtprävention in Linz, Christoph Lagemann, würde die Abkehr von der Drogenersatztherapie einen "massiven Rückschritt" bedeuten. "Aus sachlicher Sicht ist das völlig haarsträubend".

Auch der Wiener Arzt Alexander David, einer der Pioniere der Substitutionstherapie in Österreich, kommentiert die aktuelle Debatte eindeutig : „Solche Diskussionen sind nicht neu. (...) Versachlichung hilft den Patienten, Verpolitisierung ist schlecht für die Betroffenen.“ Man könne hier ganz leicht Ängste hervorrufen. Auch die Ärztekammer hatte zuvor Mikl-Leitner heftig kritisiert.

"Ausbauen statt reduzieren"

"Es gibt überhaupt keine Grund dafür, die Drogensubstitutionstherapie zu reduzieren. Ganz im Gegenteil, man sollte sie in Österreich ausbauen. In Wien haben wir eine Deckungsquote von 75 Prozent bei den infrage kommenden Patienten. Österreichweit liegt sie bei maximal 50 Prozent, zum Teil deutlich darunter", sagte am Donnerstag der Wiener Arzt und Drogenexperte Hans Haltmayer (Ambulatorium der Suchthilfe Wien), auch Referent für Substitution und Drogentherapie in der Wiener Ärztekammer.

Mikl-Leitner: Mehr Therapie und weniger Substitution

Mikl-Leitner betonte im Mittagsjournal, es gehe nicht um die Abschaffung der Substitutionstherapie. Man solle aber darüber diskutieren, ob nicht mehr Begleitung und Therapie und weniger Substitution zielführend wäre. Ein Beispiel sei Vorarlberg, wo Substitutionsmedikamente zu einem weit geringeren Prozentsatz eingesetzt würden als in anderen Regionen Österreichs.

Ein Sprecher Mikl-Leitners verwies darauf, dass es auch andere Möglichkeiten der Substitution gebe als die Verabreichung retardierter Morphine. In Wien sei etwa das größte Problem die Massenabgabe, die in vielen Fälle nicht mit der kontrollierten Einnahme einhergehe. Dieses Problem sollten die Verantwortlichen in der Bundeshauptstadt einmal angehen.

Mehr als 700.000 Patienten europaweit werden mittels Drogenersatztherapie behandelt - in Österreich sind es mit rund 17.000 fast die Hälfte der Opiatabhängigen. Laut Europäischer Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA) geht die Behandlung in der Regeln mit psychosozialer Betreuung einher.