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"Solche Lager könnten sogar Sogwirkung haben"

Heute Redaktion
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Flüchtlinge auf einem Schlauchboot im Mittelmeer. Archivbild.
Flüchtlinge auf einem Schlauchboot im Mittelmeer. Archivbild.
Bild: Reuters

Um die illegale Migration über das Mittelmeer zu bremsen, will Frankreich Asylgesuche bereits in Transitländern in Afrika prüfen. Zwei Experten nehmen Stellung.

Frankreich geht neue Wege, um die illegale Migration nach Europa in den Griff zu bekommen: In den nächsten Wochen sollen in den afrikanischen Transitländern Niger und Tschad Büros eröffnet werden, um die Asylchancen von Flüchtlingen vor Ort zu überprüfen. Um den "Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen" einzudämmen, sollten Ausreisewillige ohne Chance auf Asyl zudem besser über die "Situation" aufgeklärt werden, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron am vergangenen Montag.

Einen ähnlichen Tenor hatte auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz in seiner Rolle als Außenminister angeschlagen.

In Zusammenarbeit mit dem UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sollen in den kommenden zwei Jahren 3.000 Flüchtlinge direkt aus den beiden Ländern nach Frankreich kommen. Mit der Ankündigung setzt Macron eine Zusage eines Gipfeltreffens zur Flüchtlingskrise um, an dem Ende August in Paris neben Macron auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Staats- und Regierungschefs Spaniens, Italiens, Libyens, des Tschad und des Niger teilgenommen hatten. Insgesamt will Frankreich in den kommenden zwei Jahren 10.000 Flüchtlinge aufnehmen.

Experte sieht EU-Pläne skeptisch

Benjamin Schraven, Migrationsexperte am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, steht dem Vorhaben Frankreichs und der EU grundsätzlich "skeptisch" gegenüber. Für ihn hängt der Erfolg davon ab, wie schnell der Asylanspruch in den Transitländern überprüft wird: "Im Moment dauern Asylverfahren allgemein viel zu lange. Wenn Flüchtlinge ewig in solchen Lagern festhängen, werden Schlepper wieder anfangen, die Leute weiter nach Norden zu schleusen." Würden dagegen die Verfahren schnell bearbeitet, sieht der Experte durchaus die Möglichkeit, dass das Problem etwas entschärft werden könnte.

Außerdem brauche es genügend Auffangzentren, sagt Schraven. "Es ist sehr wichtig, nicht nur mit den Transit-, sondern auch mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge zusammenzuarbeiten." Aus seiner Sicht bräuchte es regionale Zentren, wenn auch nicht direkt, dann zumindest in unmittelbarer Nähe der Herkunftsländer der Migranten.

"Damit setzt Europa ein wichtiges Zeichen"

Für Politologe Belachew Gebrewold vom Management Center Innsbruck setzt Europa mit der Hilfe vor Ort ein "wichtiges Signal": "Es ist ein guter Ansatz, aber nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung." Damit die Überprüfung von Migranten in Afrika selbst gelingen kann, müsse die Rückführung der abgewiesenen Asylsuchenden in ihre Herkunftsländer sehr gut organisiert sein, so Gebrewold. Und: "Das Problem löst sich nicht von heute auf morgen. Solche Auffanglager könnten anfangs sogar eine Sogwirkung haben."

Europa und Afrika müssten anfangen, ihre Probleme gegenseitig ernst zu nehmen, so der Politologe: "Für Afrika haben die Migrationsströme übers Mittelmeer nicht erste Priorität, weil über 80 Prozent der Flüchtlinge innerhalb des Kontinents bleiben." Europa dagegen habe bisher der Ursachenbekämpfung von Flucht und Migration in Afrika zu wenig Bedeutung beigemessen.