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Fall Nastase - War Selbstmordversuch fingiert?

Heute Redaktion
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Immer mehr Beobachter in nationalen und internationalen Medien zweifeln an dem Selbstmordversuch des rumänischen Ex-Regierungschefs Adrian Nastase. Unter anderem weist ein ausführlicher Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) auf zahlreiche Ungereimtheiten hin.

Immer mehr Beobachter in nationalen und internationalen Medien zweifeln an dem Selbstmordversuch des rumänischen Ex-Regierungschefs Adrian Nastase. Unter anderem weist ein ausführlicher Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) auf zahlreiche Ungereimtheiten hin.

Vor allem die Tatsache, dass weder die laufenden Kameras noch die anwesenden Journalisten und sonstigen Zeugen den Revolverschuss registrierten, obwohl Nastase keinen Schalldämpfer benutzt haben soll, macht Beobachter stutzig.

Der 62-jährige Politiker der sozialdemokratischen PSD war deren langjähriger Parteichef und ehemaliger Premier, Außenminister und Präsidentschaftskandidat. Deshalb wurde er ins Spital eingeliertert, statt in Haft zu gehen. Laut der ursprünglichen Version konnte er jedoch vom Polizisten, der zum Vollzug des Haftbefehls in seine Wohnung gekommen war, in letzter Sekunde daran gehindert werden, versetzte sich jedoch eine Schusswunde an Hals und Schulter.

Kein Blut, keine Schüsse?

Jedes weitere Detail, das seither über den Fall bekannt wird, scheint die Widersprüche zu verstärken und die Wahrheit zu verschleiern - nach Meinung einiger Kommentatoren eine klassische Geheimdienst-Desinformationstechnik. Weder über die Anzahl und den Zeitpunkt der abgefeuerten Schüsse, noch über die völlige Abwesenheit jeder Blutspur beim Transport in die Klinik herrscht bis jetzt Klarheit. Legenden ranken sich inzwischen um den Burberry-Winterschal, den Nastase auf der Krankentrage trotz der hohen Temperaturen um den Hals gebunden trug - laut vielen Kommentatoren ein äußerst dürftiger Verband, beziehungsweise ein unnötiges, wenn nicht gefährliches, da medizinisch wohl kaum empfehlenswertes Accessoire.

Neue Kleidung statt Tropf

Obwohl Nastases Kardiologe, Sebastian Bradisteanu, betonte, dass sein Patient aufgrund seines hohen Blutdrucks, seiner Zuckerkrankheit und seines älteren Herzleidens weiterhin infarktgefährdet sei, wurden bei Nastase nach dem Schuss weder ein Tropf noch eine Sauerstoffmaske angelegt. Vielmehr nahm man sich Zeit, das mit Blut befleckte Hemd durch ein frisches zu ersetzen. Bradisteanu ist übrigens ein bekannter Hausarzt der PSD-Größen und steht selbst unter gravierendem Korruptionsverdacht: Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft beschuldigt ihn, bei der Ausstattung des Gefängniskrankenhauses, in das auch Nastase übermittelt werden könnte, Gelder veruntreut zu haben.

Rechtshänder schießt mit links

Besonders auffällig ist die Tatsache, dass Nastase, von dem man von zahlreichen Fotografien, in denen er als Jäger mit Schusswaffen in der Hand posiert, weiß, dass er Rechtshänder ist, bei seinem Selbstmordversuch mit der linken Hand geschossen zu haben scheint - dies würde zumindest der Verlauf der Kugel nahelegen. Dieser ist äußerst kompliziert, weist zwei Eintritts- und zwei Austrittswunden auf, wobei noch keine glaubwürdige Erklärung vorliegt, woran die Kugel abgeprallt sein könnte.

Krankenwagen schon vor Schuss vor Ort

Zudem ist inzwischen bekannt, dass ein Krankenwagen bereits vor dem Selbstmordversuch vor Nastases Haus wartete, weil der Innenminister Ioan Rus eigenen Angaben zufolge nach einem Telefonat mit Nastase Verdacht geschöpft hatte, dass dieser einen Selbstmordversuch unternehmen werde und einen Krankenwagen an dessen Adresse bestellte.

Gefältschte Zeugenberichte?

Aus jüngsten Enthüllungen des Portals Ziua-News.ro, das Faksimiles der Zeugenberichte von Nastases Ehefrau Daniela und seines Sohnes Andrei veröffentlichte, geht zudem hervor, dass seine Frau erst im Krankenhaus vor der Operation von ihrem Mann erfuhr, dass ihm bis zum Eintreffen der Sanitäter Handschellen angelegt worden waren. Rumänische Journalisten vermuten, dass das Detail der Handschellen fabriziert wurde und dazu dienen soll, beim bereits angekündigten Menschenrechtsverletzungs-Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) als Beweismittel zu dienen. Auch im Bericht des Sohnes finden sich verdächtige Details: Er verwechselt offenbar die im Rumänischen ähnlich klingenden Wörter für "erschießen" und "beißen" (a impusca und a musca) - ein Hinweis darauf, dass er seinen Bericht auf Diktat verfasst haben könnte.

Nastase profitiert vom Vorfall

Von der sich verallgemeinernden Unsicherheit um den tatsächlichen Hergang und die Hintergründe profitiert Nastase selbst. Obwohl ein rechtskräftiges Hafturteil gegen ihn vorliegt, konnte er sich dessen Vollzug nun fast eine Woche lang de facto entziehen und genießt, anders als jeder andere Strafgefangene, uneingeschränktes Besuchsrecht. Eine Übersiedelung Nastases in die - mehr als ausreichend ausgestattete - Gefängniskrankenanstalt lehnte die ärztliche Kommission am Montag ohne detaillierte Begründung ab, obwohl es immer wieder hieß, dass Nastases Genesung "sehr gut" verlaufe und auch am Abend des Schusses keine Notoperation, sondern erst am nächsten Tag eine kosmetische Operation durchgeführt wurde. Seine Anwälte beantragten zuerst eine Verschiebung, inzwischen sogar eine Aufhebung des Strafvollzugs.

APA/red.