Österreich

Warum man Rehbabys nicht "retten" sollte

Heute Redaktion
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Nicht jedes "hilflose" Reh- oder Fuchsbaby ist tatsächlich verlassen. Die Stadt Wien bittet nun um Vorsicht, denn die echte Gefahr besteht oft in den Rettungsversuchen.

Auch in diesem Frühjahr erinnert die Stadt Wien an das richtige Verhalten gegenüber aufgefundenen – vermeintlich hilflosen – Jungwildtieren. "Leider ist es jedes Jahr aufs Neue so, dass beim Frühlingsspaziergang oder bei der Gartenarbeit Wildtier-Nachwuchs entdeckt wird. Dabei kommt es oft zu Missverständnissen, die für Jungtiere tragisch enden können, weil Spaziergänger auf scheinbar hilflose oder verlassene Jungtiere treffen und falsch reagieren", warnt Tierschutzstadträtin Ulli Sima (SPÖ). Tatsächlich sei die Situation aber natürlich. Nur ganz selten seien junge Wildtiere tatsächlich von den Eltern verlassen worden. Die wirkliche Gefahr entstehe oft erst durch menschliche "Rettungsversuche".

Jungtiere sind nur selten wirklich hilflos

Junge Hasen oder Rehkitze werden nur einmal bis zweimal pro Tag von der Mutter aufgesucht, es sei für sie völlig natürlich, auf die elterliche Pflege zu warten. Jungvögel starten ihre ersten Flugversuche zwar meist alleine, seien aber trotzdem nicht verlassen. Sie sind ständig mit den Eltern durch Rufe in Kontakt. "Sollten Sie also auf Jungtiere treffen, bitte entfernen Sie sich rasch wieder, denn sonst halten Sie die Eltern davon ab, ihre Jungen zu versorgen" appelliert Sima.

Jungvögel am besten in Ruhe lassen

Aufgefundene Jungvögel bräuchten meist gar keine Hilfe, aber ausgerechnet Jungvögel hätten es den Wienern besonders angetan. Im Jahr 2017 wurden über 400 Vögel von der Wiener Tierrettung abgeholt, ein Großteil davon waren Jungvögel, die gar keine Hilfe benötigten: "Der Vogelnachwuchs braucht in aller Regel keine menschliche Hilfe. Ganz im Gegenteil, oft entsteht erst infolge der Mitnahme durch den Menschen für die Jungtiere Lebensgefahr! Tierschutz bzw. Naturschutz bedeutet hier, Tiere einfach in der Natur zu belassen", so Sima.

Ästlinge wirken oft nur hilflos

Wichtig sei zunächst, die Unterscheidung zwischen Nestling und Ästling zu kennen. Nestlinge sind noch weitgehend unbefiedert, können nicht alleine stehen. Beim Fund eines Nestlings sollte man versuchen, das Nest zu finden und ihn wieder zurück in das Nest setzen. Die Stadt bittet, keine eigenen Aufzuchtversuche zu starten, Ästlinge, also noch nicht flügge gewordene Jungvögel, wirken oft nur hilflos. Tatsächlich seien die Jungvögel bereits befiedert und können alleine stehen. Durch das Hüpfen auf dem Boden lernen sie fliegen, durch Rufen halten sie Kontakt zu ihren Eltern. Die Eltern kümmern sich auch noch außerhalb des Nestes um ihre Jungen.

Nicht jeder Jungvogel, so wie diese Turmfalkenküken, ist hilflos

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(Bild: MA22)

"Ein Ästling braucht die Hilfe des Menschen nicht, außer, er hüpft gerade mitten auf einer Straße herum. Dann kann man ihn vorsichtig auf einem geschützten Platz in der unmittelbaren Nähe setzen, so können ihn seine Eltern wieder finden. Jungvögel dürfen auch mit der bloßen Hand angegriffen werden, denn Vögel erkennen ihre Jungen nicht am Geruch, anders ist dies bei Rehen, Hasen etc. Sie werden nach menschlichem Kontakt von den Muttertieren verstoßen", erklärt die Stadträtin.

Menschliche Eingriffe oft mit fatalen Folgen für die Jungtiere

Jedes Jahr würden durch eine vermeintliche Rettung viele Jungtiere unnötigerweise der tierelterlichen Pflege entrissen und in vielen Fällen dadurch leider auch eines wildtiergerechten Lebens beraubt. Denn oft ist nach der "Rettung" von jungen Wildtieren nur mehr ein Leben in menschlicher Obhut möglich. Jungtiere lernen die Verhaltens- und Ernährungsweise von ihren Eltern. Das kann der Mensch nicht bieten.

"Bitte greifen Sie daher aufgefundene Jungtiere nicht an, belassen Sie die Tiere an der Fundstelle und entfernen Sie sich von den Jungtieren. So hilft man Wildtieren am meisten", erklärt die stellvertretende Leiterin der MA 60 – Tierschutz und Veterinärdienste der Stadt Wien Susanne Lorenz .

Richtiges Verhalten gegenüber Jungwildtieren

- Hände weg, menschliche Rettungsversuche bedeuten viel Stress für die Tiere und bringen viele Jungtiere in Lebensgefahr.

- Im Zweifelsfall ist das Tier versorgt und benötigt keine menschliche Hilfe.

- Nach der Entdeckung sollte man sich schnell wieder entfernen, sonst hält man die Eltern von der Versorgung des Kleinen ab.

- Beobachtungen nur aus sehr großer Entfernung.

- Nur verletzte junge Wildtiere und Jungtiere in unmittelbarer Nähe des verunglückten Muttertiers benötigen Hilfe.

- Keine Versorgung durch Laien, schon falsches Futter endet für die meisten Jungtiere tödlich.

- Hunde in der Natur nur mit Leine oder im kontrollierten Freilauf mit Maulkorb führen.

Hilfe bei der Wildtier-Hotline der Stadt Wien



Sollte ein Wildtier tatsächlich in einer Notsituation aufgefunden werden, gibt es die Wildtier-Hotline der Stadt Wien. Unter der Telefonnummer 01/4000 49090 ist die MA 49 (Forst- & Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien) täglich von 7.30 bis 22 Uhr erreichbar und kümmert sich um in Not geratene Wildtiere.

Alle Infos dazu gibt es online hier.

(lok)