Mädchen unerwünscht

Föten-Friedhof von Vietnam zeigt erschütternde Wahrheit

Nur in wenigen Ländern der Welt werden so viele Babys abgetrieben wie in Vietnam. Auf einem Föten-Friedhof bettet eine alte Dame sie zur letzten Ruhe.

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Föten-Friedhof von Vietnam zeigt erschütternde Wahrheit
In Vietnam werden jährlich mindestens 300.000 Schwangerschaften abgebrochen. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher sein. (Symbolbild)
Getty Images

Im Ort Ben Coc nördlich von Hanoi – werden ausschließlich winzige Lebewesen beerdigt, die nie auf der Erde gelebt haben. Und davon gibt es in Vietnam sehr viele. Das Land hat UN-Statistiken zufolge seit Jahren eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt. Damit die Föten nach dem Schwangerschaftsabbruch einen würdigen Bestattungsort bekommen, hat Nguyen Thi Nhiem vor 16 Jahren Land gekauft und in einen Friedhof für ungeborenes Leben verwandelt. Hier betet sie für die Seelen der ungewollten Kinder.

Heute umfasst die Begräbnisstätte rund 1800 Quadratmeter, auf denen mehr als 240.000 Föten in Massengräbern beerdigt sind. 80 Prozent waren zwischen einem und drei Monaten alt, aber viele auch älter. "Jeden Tag erhalte ich 15 bis 20 Föten, von denen einige von ehrenamtlichen Studenten auf den Friedhof gebracht werden. Andere holt mein Mann in umliegenden Spitälern und Kliniken ab", erzählt die 64-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Männlicher Nachwuchs erwünscht

Nach UN-Schätzungen von 2022 werden in Vietnam jedes Jahr mindestens 300.000 Abtreibungen vorgenommen. Die Dunkelziffer ist aber hoch. Der nationale Verband für Familienplanung spricht von 1,2 bis 1,6 Millionen jährlichen Abbrüchen in einem Land mit etwa 98 Millionen Einwohnern.

Die Besonderheit: In Vietnam handelt es sich oft um geschlechtsspezifische Abtreibungen. Denn die meisten Paare wollen Söhne haben. Die Bevorzugung von männlichem Nachwuchs ist kulturell tief verwurzelt. Hauptgrund ist der hartnäckige Einfluss des Konfuzianismus, wonach Frauen als untergeordnet betrachtet werden. Söhne gelten als Hauptverdiener, sie sollen das Familienvermögen verwalten und ihre alternden Eltern versorgen.

Von 100 Föten sind 90 weiblich

"Obwohl geschlechtsselektive Abtreibungen in Vietnam illegal sind, finden viele Paare Wege, um sicherzustellen, dass sie Söhne bekommen – was zur höchsten Abtreibungsrate des Landes in der ganzen Region beiträgt", sagt Khuat Thu Hong, Direktorin des in Hanoi ansässigen Instituts für Studien zur sozialen Entwicklung. Viele Frauen seien gezwungen, mehrmals schwanger zu werden, um einen Buben zur Welt zu bringen. Andere müssten gleich mehrere Abtreibungen durchführen lassen, um dieses Ziel zu erreichen.

Das zeigt sich auch auf dem Föten-Friedhof. "Von 100 Föten, die hier begraben sind, sind 90 weiblich", berichtet Nhiem. "Das ist ganz offensichtlich eine Folge der Geschlechterselektion."

Platz auf Föten-Friedhof wird knapp

Vietnams Bevölkerungsamt schätzt, dass es bis 2034 im Land 1,5 Millionen mehr Männer als Frauen geben wird, wenn das Geschlechterungleichgewicht weiter so hoch bleibt. Bis 2050 läge die Zahl bereits bei 4,3 Millionen. "Vietnam wird mit den gleichen Problemen konfrontiert sein wie China, weil Männer Schwierigkeiten haben werden, Partnerinnen zu finden", ist Expertin Hong überzeugt. Die häufige Folge: Prostitution und Frauenhandel.

Vor Jahren hat Nhiem bereits zusätzliches Land erworben, da der Platz nicht mehr ausreichte. "Früher oder später wird der Friedhof wieder überfüllt sein", sagt sie traurig.

Neue sexuelle Freizügigkeit

Ein Grund für die extrem vielen ungewollten Schwangerschaften sind laut Gesundheitsministerium fehlendes Wissen um Verhütungsmethoden – aber auch ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr sexueller Freizügigkeit. Tatsächlich sind 60 bis 70 Prozent der jungen Frauen, die abtreiben, noch im Teenageralter.

"Die Jugend von heute hat zunehmend offene Gedanken und Konzepte, was Liebe und Sex betrifft", erläutert Hong. "Viele sind bereit, Geschlechtsverkehr zu haben und im Falle einer unbeabsichtigten Schwangerschaft eine Abtreibung zu akzeptieren." Aber auch verheiratete Paare entschieden sich immer öfter für einen Abbruch, weil Kinder mit hohen Kosten verbunden seien.

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    IMAGO/ZUMA Press Wire
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