Aus Grün wird Rot. Rund sieben Jahre war Bernd Kantoks (49) Mitglied bei den Grünen in Wien-Josefstadt, ist Bezirksrat und Vorsitzender der Mobilitätskommission. Nun kehrt er den Grünen den Rücken und wechselt zur SPÖ Josefstadt. Bei der kommenden Bezirksvertretungswahl kandidiert er für die Roten auf Listenplatz 8.
Im "Heute"-Interview erzählt er über seine Beweggründe für den Parteiwechsel, die vermeintlichen Probleme bei den Grünen im 8. Bezirk und welche Projekte er nun mit der SPÖ gemeinsam angehen will.
Sie sind von den Grünen zur SPÖ gewechselt. Wie kam es dazu?
Bernd Kantoks: Ich habe mir Ende des vergangenen Jahres über die Feiertage überlegt, ob ich nochmal antreten oder bei den Grünen aufhören möchte. Ich habe mich dann für letzteres entschieden. Im Jänner hat es sich dann schon herumgesprochen. Die SPÖ kam dann auf mich zu und hat gefragt, ob ich bei ihnen weitermachen möchte.
Was waren die Gründe? Was fehlte Ihnen bei den Grünen?
Ich hatte immer wieder das Problem, dass ich Projekte, Ideen oder Anträge gar nicht durchbekommen habe, weil sie nicht prestigeträchtig waren oder es sich um kleine Dinge handelte, die direkt von Bürgern kommen. Das hat mich über die letzten Jahre extrem frustriert. Ich habe viel Zeit bei den Grünen investierte, aber der Outcome war nicht hoch. Es werden große medienwirksame Projekte umgesetzt, aber wenn man mit Kleinigkeiten kommt, zum Beispiel ein Zebrastreifen vor einem Kindergarten, dann passiert nichts.
Sie sagen, dass konkrete Verbesserungen für die Bürger nicht umgesetzt wurden – welche?
Einmal ging es um mehr Barrierefreiheit beim Bennoplatz. Es gab dann intern bei den Grünen eine Diskussion. Der Bezirksvorsteher war massiv dagegen und ich konnte meinen Antrag gar nicht stellen. Später hat die SPÖ den gleichen Antrag eingebracht und dann haben die Grünen auch zugestimmt.
Gab es noch weitere solcher Fälle?
Ja. Die Kreuzung Laudongasse/Lederergasse ist sehr gefährlich. Es gibt hier keine Fußgängerampeln, sondern nur eine Ampel, die in der Mitte der Kreuzung hängt. Viele Kinder, aber auch Erwachsene verstehen nicht, dass die Ampel da oben für sie gilt. Ich bin vor zwei Jahren darauf aufmerksam geworden, hatte dann im Klub eine Diskussion, weil Ampelanlagen sehr teuer sind. Ich habe den Antrag trotzdem gestellt; er ging auch durch. Doch am Ende muss der Bezirk die Ampel beauftragen und bis heute ist nichts passiert.
Ähnlich verhielt es sich ja bei der Kreuzung Laudongasse/Lange Gasse?
Ja, da gab es vor einigen Jahren sogar einen tödlichen Unfall. Von der SPÖ gab es einen Antrag, dort eine Ampelanlage zu planen. Der ging im Bezirksparlament durch. Ich habe nie wieder etwas davon gehört. Projekte, die nur den Leuten vor Ort helfen, werden nicht verfolgt. Es ist nichts, womit man im Wahlkampf groß werben kann. Das ist das Problem.
Gab es auch interne Probleme, etwa Differenzen mit Bezirksvorsteher Martin Fabisch?
Die Zusammenarbeit mit dem Bezirksvorsteher hat sich natürlich langfristig als schwierig erwiesen, wenn jedes Mal ein Projekt oder ein Bürgeranliegen sofort abgelehnt wird oder Diskussionen entstehen, wenn man – aus meiner Sicht – nur ganz selbstverständliche Anträge stellt.
War der Zeitpunkt für den Wechsel bewusst geplant – kurz vor der Wien-Wahl?
Nein, als ich gefragt wurde, war der Wahltermin noch gar nicht bekannt.
SPÖ und Grüne haben durchaus verschiedene Ansichten bei gewissen Themen. Muss man für einen Parteiwechsel ein paar seiner eigenen Prinzipien über Bord werfen? Stichwort Lobautunnel?
Nein, eigentlich nicht und ich glaube auch nicht, dass das irgendjemand erwartet. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, mit den anderen Parteien zu diskutieren und nicht engstirnig zu denken. Nicht jeder kann mit dem Rad fahren. Es gibt Leute, die brauchen ein Auto. Ich habe keine "Hidden Agenda". Ich möchte einfach das beste Ergebnis für die Bevölkerung erreichen. Es hat niemand versucht Druck auszuüben, meine Einstellung zu ändern oder mein Fahrrad umzulackieren – das ist nach wie vor knallgrün. Ich bleibe so wie ich bin.
Der Lobautunnel – ist er notwendig, oder nicht?
Mein komplettes Wissen über die Möglichkeiten des Lobautunnels kommt aus der grünen Bubble. Natürlich habe ich dazu meine Meinung, aber ich sehe auch ein, dass ich da massiv beeinflusst bin und mich gerne noch mehr damit beschäftige, zu verstehen, warum die Stadt glaubt, den Lobautunnel zu brauchen. Ich bin auf Bezirksebene unterwegs und maße mir nicht an, etwas besser zu wissen, als jemand, der im Rathaus sitzt.
Auch Themen betreffend den 8. Bezirk stießen in der Vergangenheit nicht immer auf Zustimmung beider Parteien. Man denke etwa an den Vorschlag der Grünen zur Umgestaltung der Landesgerichtsstraße wegen des U-Bahn-Baus.
Wir haben damals auf Bezirksebene vom Magistrat den Plan bekommen, mit dem wir nicht zufrieden waren. Uns wurde damals gesagt, dass diese Pläne final seien. Die SPÖ hat auf Stadtebene aber gesagt, es gäbe keine fixen Pläne. Ich glaube, das Problem war einfach, dass die Leute nicht miteinander reden und es ein riesiges Missverständnis war. Als die Grünen die Vorschläge mit Radwegen und Fahrstreifenreduktion gemacht haben, hat sich die Stadt gar nicht negativ dazu geäußert.
Welche Vorhaben wollen Sie in der Josefstadt jetzt mit der SPÖ unbedingt umsetzen?
Ich habe mir ein Verkehrskonzept überlegt. Meine Idee ist ein Gesamtkonzept für kindersichere und barrierefreie Routen im Bezirk. Für die SPÖ sind natürlich auch Bürgeranliegen wichtig. Alle Kleinigkeiten, die bei den Grünen bisher liegen geblieben sind, können wir hoffentlich endlich umsetzen.
Wer glauben Sie, wird im 8. Bezirk bei der kommenden Wahl gewinnen?
Ich sehe die Chancen der SPÖ sehr gut. Ich glaube, dass wir gewinnen. Wenn ich an die letzten Wahlen denke, sehe ich wie massiv die SPÖ im 8. Bezirk zugelegt hat. Ich glaube, dass sich das auch bei der Bezirkswahl so äußern wird.
Schließen Sie eine spätere Rückkehr zu den Grünen aus?
Ja. Ich gehe nicht mehr zurück. Ich bleibe bei der SPÖ und komme mit ihr sehr gut klar. Auch auf Stadtebene. Ich habe einen Sohn, wir leben in dieser Stadt und wir merken, wie lebenswert sie ist. Die Stadtregierung kann in den vergangenen Jahren also nicht alles falsch gemacht haben. Das muss man einfach auch einmal sagen und loben.