Wirtschaft

Ghostwriting: Schummelei oder manchmal Notwendigkeit?

Wer schreiben will, muss es auch selbst zu Papier bringen? Stimmt nicht. Dabei hat das Ghostwriting jedoch einen häufig zu Unrecht schlechten Ruf.

Irma Basagic
Teilen
<strong>Ghostwriting wird von vielen nur kritisch gesehen. Dabei gibt es jedoch gute Gründe und außerdem nicht nur eine Form von Ghostwriting.</strong>
Ghostwriting wird von vielen nur kritisch gesehen. Dabei gibt es jedoch gute Gründe und außerdem nicht nur eine Form von Ghostwriting.

John F. Kennedy hatte einen. Ebenso die Frau seines späteren Kollegen, Laura Bush. Dazu Barack Obama, Elton John und eine ellenlange Liste zahlreicher anderer Prominenter aus allen Sparten.

Die Rede ist vom Ghostwriting. Eine Praxis, die zwischen Poesie und Wissenschaft bis hin zu zeitgenössischer Musik zigtausendfach angewendet wird und aktuell bei uns auch rechtlich aufs Schärfste diskutiert wird.

Was genau ist Ghostwriting?

Unter Ghostwriting versteht man die Praxis, eine kreative, schöpferische Arbeit im Auftrag und unter dem Namen einer anderen Person zu formulieren. Zwar kann hierunter alles fallen was in den schöpferischen Bereich fällt, umgangssprachlich wird der Begriff jedoch nur auf das Schreiben von Texten sowie Musik angewendet.

Kern des Ghostwritings ist, dass auf dem finalen Werk nur der Auftraggeber genannt wird. Es gibt keinerlei Hinweise auf den Ghostwriter – dieser bleibt anonym, verzichtet auf Urheberrechte und wird dafür entlohnt.

In der Praxis allerdings umfasst das Ghostwriting, zumindest so, wie es heute durchgeführt wird, nicht nur das Verfassen an und für sich. So offeriert die Ghostwriter-Agentur Business And Science nicht nur das reine Schreiben, sondern alternativ auch Recherche, übernimmt Lektoratsaufgaben, Plagiatsprüfungen und vieles mehr. Dabei sind Plagiate auch ein wichtiges Stichwort. Ghostwriting grenzt sich von diesen und anderen Tätigkeiten scharf ab:

– Beim Plagiarismus wird eine schöpferische Arbeit ohne Einverständnis und/oder Nennung des eigentlichen Erschaffers verwendet. Dabei handelt es sich also um Diebstahl von geistigem Eigentum, eine Copyright-Verletzung.

– Beim Co-Autoring arbeiten offiziell mehrere Personen an einem Werk und werden alle genannt.

– Bei der Pseudonymisierung oder Anonymisierung ist nur der Verfasser involviert. Der angegebene Name gibt jedoch keinen Rückschluss auf die Person. Es werden entweder Pseudonyme verwendet oder das Dokument wird anonym veröffentlicht. Teilweise können auch mehrere Autoren unter einem Pseudonym veröffentlichen oder ein Autor kann mehrere Pseudonyme nutzen – so nutzte Voltaire wohl nicht weniger als 160 Namen.

Die einzige Arbeitsweise, die sich annähernd vergleichen lässt, ist das Auftragsschreiben von Reden und ähnlichen Werken. Dies ist beispielsweise in der Politik weit verbreitet, wird aber nicht als Ghostwriting bezeichnet.

Grundsätzlich spricht in den meisten Ländern nichts gegen Ghostwriting. Eine gewisse Diskrepanz besteht jedoch dort, wo die schöpferische Leistung ein Leistungsnachweis ist. Dazu im übernächsten Kapitel mehr.

Warum nutzt jemand Ghostwriter?

Wieso lässt jemand eine andere Person für sich schreiben, ohne deren Namen zu nennen? Für manche mag diese Frage vor allem eine gewichtige moralische Komponente beinhalten. Immerhin wirkt es mitunter so, als würde sich jemand mit fremden Federn schmücken. Tatsächlich ist es jedoch oftmals weit komplizierter:

– Der Namensgeber hat schlicht nicht die Zeit, sich mit dem umfassenden Prozess zu befassen, den das Schreiben bedeutet. Der berühmte Romanautor Andreas Eschbach (u.a. Das Jesus Video) beispielsweise sagt von sich selbst, dass von der ersten Idee bis zum fertigen Werk bei ihm sechs Jahre vergehen, wobei das reine Schreiben immerhin ein bis anderthalb Jahre dauert. Andere Quellen gehen von summa summarum weit über tausend Stunden für das reine Schreiben aus – so viel Zeit hat nicht jeder und außerdem hat auch jeder ein anderes Tempo.

– Es handelt sich um einen Inhalt, der mit einer gewissen Distanz erzählt werden soll oder gar muss. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Werk biografisch oder autobiografisch sein soll. Nicht jeder kann über sich selbst oder eine nahestehende Person aus der nötigen objektiven Perspektive schreiben.

– Der Namensgeber hat nicht die nötigen schriftstellerischen Qualitäten. Schreiben ist weit mehr als nur das Aneinanderreihen von Wörtern in sicherer Rechtschreibung und Interpunktion. Wortwahl, Aufbau, Spannungsbögen – das alles lässt sich deutlich schwieriger erlernen als das kleine ABC des Schreibens.

– Der Inhalt soll voller Details stecken, die sich vom eigentlichen Autor nur unter höchsten Schwierigkeiten oder gar nicht recherchieren lassen. Auch heute lässt sich längst nicht alles im Internet nachlesen, so dass man manchmal das Wissen und die Fähigkeiten eines Involvierten benötigt.

Natürlich, ein gewisser Prozentsatz nutzt auch Ghostwriter, um tatsächlich Lorbeeren zu ernten, die er nicht verdient hat. Das ignoriert allerdings, dass viele Ghostwriter durch ihre Arbeit nur eine Richtung vorgeben. Just hieran entzündet sich auch Kritik an der unlängst beschlossenen österreichischen Praxis.

Warum wird Österreichs Gesetzgebung für ihre Ghostwriting-Gesetze kritisiert?

Ende 2020 wurde das Universitätsgesetz einer umfassenden Novelle unterzogen und kurze Zeit später um einige Faktoren abgeändert. Dazu gehört auch ein bedeutender Kern in Sachen Ghostwriting. Bislang verhielt es sich in Österreich so, dass nur jemand, der Ghostwriter zum Erreichen eines akademischen Grades beschäftigte, dafür belangt werden konnte. Dies bleibt auch in der Gesetzesnovelle verankert, wurde aber um die Tatsache verschärft, dass künftig auch Ghostwriter ebenso belangt werden können – mit Höchststrafen bis zu 65.000 Euro, die schon für das alleinige Anbieten anfallen können, nicht die vollzogene Tat.

Die Kritik entsteht vor allem deshalb, weil die Gesetzgebung hier nur eine Ebene des Ghostwritings betrachtet – die einer böswilligen Betrugsabsicht, wonach nur jemand Ghostwriter beschäftigt, der es selbst nicht schafft, hinreichend gute Arbeiten abzuliefern. Nach Ansicht vieler ignoriert dies jedoch die Tatsache, dass längst nicht jedes Werk eines Ghostwriters auch 1:1 – unter falschem Namen – eingereicht wird.

Auch in Österreich wurde Studieren durch den Bologna-Prozess deutlich gestrafft – auch wenn die Regierung ausschließlich lobende Worte findet. In der Praxis haben viele Studierende deshalb deutlich zu wenig Zeit, um den Stoff in der geforderten Zeit zu lernen, Arbeiten zu erstellen. Schließlich müssen viele auch nebenher noch Geld verdienen und in vielen Zweigen der freien Wirtschaft ist bald jedes Jahr, das ein junger Bewerber älter ist, eines zu viel, weil man möglichst junge Leute will.

In einer solchen Situation ist es für viele Studierende die einzige Möglichkeit, einen Ghostwriter zu beschäftigen. Nicht, um ein Werk abzugeben, das ihnen nicht gehört, sondern, um eine in Stil, Aufteilung und Inhalt praktische Leitlinie zu haben, an der sie sich beim eigenen Verfassen orientieren können.

Es wird also weder wortwörtlich übernommen, noch wird das ganze Werk als das eigene ausgegeben. Es handelt sich viel mehr um eine personalisierte Form der Recherche und um das Erklären eines Umstands mit anderen Worten – etwas, das auf der ganzen Welt tagtäglich ohne strafrechtliche Relevanz von zahllosen Schreibern getan wird, die Inhalte zusammenfassen und mit ihren eigenen Worten umformulieren. Und das kommt schon dann vor, wenn ein Journalist eine Agenturmeldung umformuliert.

Für die Kritiker sorgt die unterschiedslose Bestrafung der Ghostwriter deshalb nur für ein Abdriften in einen kriminellen Bereich, wo es ihrer Ansicht nach deutlich wirksamer wäre, ein kooperierendes Dreieck aus Hochschulen, Studierenden und Ghostwritern zu erschaffen, bei dem die Schule jederzeit volle Transparenz hat – darauf weist auch Business And Science hin*.

Mehr zum Thema