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Großbritannien schrammt nur knapp am Finanzcrash vorbei

Die britische Premierministerin riss den Finanzplatz London mit massiven Steuersenkungen ins Loch. Die Notenbank verschärfte die Krise dann auch noch.

20 Minuten
Die neue Briten-Premierministerin Liz Truss schickte gleich zum Einstand ihrer Amtsübernahme den Finanzmarkt in den Beinahe-Crash.
Die neue Briten-Premierministerin Liz Truss schickte gleich zum Einstand ihrer Amtsübernahme den Finanzmarkt in den Beinahe-Crash.
IAN VOGLER / AFP / picturedesk.com

Die britische Premierministerin Liz Truss ist noch keine vier Wochen im Amt, aber schon schwer angezählt. Mit massiven Steuersenkungsplänen im Umfang von 45 Milliarden Pfund und dem Einfrieren von Energiepreisen ohne jegliche Gegenfinanzierung legte sie einen krachenden Fehlstart hin, spaltete die eigene Konservative Partei und stürzte die Finanzmärkte ins Chaos.

Der Parteitag übers Wochenende dürfte ungemütlich für sie werden. Die "Sunday Times" zitierte einen Abgeordneten ihrer Partie mit den Worten, Truss sei an Weihnachten weg – es klappe nur nicht früher, weil die Fraktion nicht wisse, wer sie ersetzen solle. In Umfragen übernahm die Arbeiterpartei bereits die Führung.

"Wie man ein Land nicht führt", titelte die Londoner Wirtschaftszeitschrift "Economist". Die 47-jährige Politikerin mit dem Spitznamen "menschliche Handgranate" belastete mit der radikalen Steuerreform das britische Pfund, der Kurs war zwischenzeitlich bei 1,11 Euro. Anleger verlangten größere Sicherheiten für britische Staatsanleihen und trieben so den Zinssatz der Anleihen in die Höhe.

Crash wie 2008?

Am Mittwoch zog die britische Zentralbank die Notbremse und pumpte mit dem Kauf von Staatsanleihen 65 Milliarden Pfund neues Geld ins Finanzsystem. Sonst wären zwei britische Pensionskassen bedroht gewesen, die eine Billion Pfund in langlaufenden britischen Anleihen investiert haben. Dann hätte laut manchen Experten ein Crash in ähnlichem Ausmaß wie bei der Finanzkrise 2008 gedroht.

Ob es wirklich so schlimm geworden wäre, lässt sich laut Matthias Geissbühler, Investment-Chef von Raiffeisen Schweiz, jetzt nicht mehr sagen. "Bei einem Kollaps einer größeren Pensionskasse wären aber die Vorsorgegelder vieler Menschen in Großbritannien verloren gewesen und das hätte für die Betroffenen ein absolutes Desaster bedeutet", so Geissbühler zu "20 Minuten".

Wirtschaftskrise verschärft sich

Die Gefahr sei abgewendet. Doch eigentlich wollte die Notenbank mit Zinserhöhungen die Inflation im Land bekämpfen, die im August bei fast zehn Prozent lag. Mit dem Kauf der Staatsanleihen machte sie laut Geissbühler das Gegenteil, war dazu aber gezwungen: "Es ist eine unschöne Situation. Großbritannien kann so die Inflation nicht unter Kontrolle bringen und verschärft die Wirtschaftskrise im Land noch mehr."

Die Auswirkungen auf andere europäische Länder wie Österreich oder die Schweiz seien aber auch dank des Brexits gering. "Der Außenhandel mit Großbritannien ging seither zurück, sonst wären die Folgen viel stärker zu spüren", so Geissbühler. Gewisse Industrien wie die Automobilbranche dürften nun aber einen Einbruch bei den Exporten ins Land erleben. Für einige EU-Länder wie Deutschland mit ebenfalls hoher Inflation sei das bedrohlich.

Auch Deutschland droht Krise

Die deutsche Regierung kündigte am Donnerstag ein 200-Milliarden-Paket zur Bekämpfung der Energiekrise an, etwa mit einem Preisdeckel. Doch damit fällt der Anreiz zum Sparen weg, kritisiert Matthias Geissbühler von Raiffeisen Schweiz: "Damit will die Regierung die Bevölkerung beruhigen, verschiebt das Problem aber nur."

Das habe sich auch beim Benzinpreisdeckel und dem 9-Euro-Ticket im Sommer gezeigt, wodurch die Inflation kurzzeitig abnahm, im September aber umso stärker auf zehn Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 70 Jahren hochschoss.

Schlussendlich müsse Deutschland die 200 Milliarden irgendwann finanzieren, was ein schmerzhafter Prozess für die Bevölkerung werde. Deutschland droht laut Geissbühler im nächsten Jahr eine Rezession, selbst wenn das Land einigermaßen glimpflich durch die Energiekrise im Winter kommt.

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