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Haben wir alle verlernt, miteinander zu reden?

Heute Redaktion
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In der U-Bahn starren alle aufs Handy, im Bus wird getippt statt geredet. Haben wir verlernt, miteinander zu sprechen? Das sagt ein Verhaltensforscher dazu.

Das Smartphone ist für viele Österreicher nicht nur ein treuer, sondern auch ein ständiger Alltagsbegleiter, besagt eine Studie des Smartphone-Herstellers Huawei. Man legt es kaum aus der Hand, nimmt es überall hin mit und blickt fast zwanghaft immer wieder darauf. Und überhaupt: In den Öffis schaut sowieso jeder nur mehr aufs Handy, statt miteinander zu reden. Stimmt so nicht ganz, sagt der Verhaltensforscher Gregor Fauma. Wir erliegen einer idealisierten Vorstellung.

"Heute": Österreicher nehmen das Handy fast überall hin mit, verzichten lieber auf TV oder Schoko als auf das Gerät. Wird sich die "Liebe" zum Smartphone noch verstärken oder ist eine Trendumkehr absehbar?

Verhaltensforscher Gregor Fauma: Ich denke, die Liebe wird sich normalisieren und das Smartphone wird ein ganz normaler Alltagsgegenstand werden. Nicht intensivere Liebe, aber mehr Liebe – denn auch die ältere Generation wird am Smartphone nicht vorbeikommen.

Ersetzt Technik und digitale Kommunikation den persönlichen Kontakt? Oder ist sie eine Ergänzung?

Fauma: Technik bahnt den persönlichen Kontakt. Es ist so einfach wie nie zuvor, mit Freunden aus der Vergangenheit, Freunden im Ausland oder dem aktuellen Freundeskreis in Kontakt zu bleiben. WhatsApp-Gruppen leisten hier einen gewaltigen Dienst.

Aber in öffentlichen Verkehrsmitteln starren viele Menschen unentwegt auf das Handy. Verlernen wir es dabei nicht, miteinander zu sprechen?

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Fauma: Gab es das? Ich kann mich nicht erinnern, dass Fremde in den Öffis miteinander zu reden begonnen hätten. Man hat aus dem Fenster gestarrt, ins Narrenkastel oder sonst wo hin, aber diese idealisierte Kommunikation, dass man seinerzeit ins Tratschen gekommen wäre – das habe ich persönlich nie erlebt.



Aber ist es eigentlich schon ein Suchtverhalten, wenn man beim kleinsten Ton sofort nach dem Handy greift und nachsieht?

Fauma: Es wirkt auf mich wie Suchtverhalten, mich nicht ausgenommen. Gerade die sich ständig ändernden Botschaften auf Social Media sind für unsere Aufmerksamkeit sehr attraktiv – es ist wie ein ständiges Zappen beim Fernseher.

Wie viel Smartphone tut uns denn dann gut? Und wo ist die Grenze?

Fauma: Das wird man erst retrospektiv beantworten können. Momentan stecken wir noch voll im Ausprobieren.

Baut das Smartphone in der Kommunikation auch Hürden ab? Trauen wir uns beispielsweise eher schriftlich am Handy, jemandem unsere Gefühle zu gestehen, als es ihm oder ihr persönlich zu sagen?

Fauma: Das Smartphone lässt uns für bedachte Antworten Zeit. Wir können Botschaften in Ruhe und Bedacht immer wieder kontrollieren, bevor wir sie abschicken. Das ist ein weiterer Vorteil gegenüber direkter, analoger Kommunikation.



Führen wir also eine falsche Debatte, wenn wir diskutieren, wie lange Jugendliche vor dem Handy verbringen sollen oder ab wann Kinder ein Smartphone bekommen sollen?

Fauma: Die Debatte ist wertvoll. Das Smartphone ist immer noch 'neu', der Umgang will gelernt sein. Wer weiß schon, was da richtig und falsch ist. Das muss debattiert werden. (rfi)