Fussball

Hamann: "Sabitzer war für Bayern nicht gut genug"

Didi Hamann war als Spieler Champions-League-Held bei Liverpool. Heute grätscht er als Sky-Experte. "Heute" verriet er nicht nur seinen Lieblings-Ösi.

Martin Huber
Hamann über Sabitzer: "Er wird in Dortmund zu einer Führungsfigur werden."
Hamann über Sabitzer: "Er wird in Dortmund zu einer Führungsfigur werden."
Imago

Eine Handvoll Mini-Schitzel verdrückt Didi Hamann beim Interview-Termin mit "Heute" in der obersten Etage des Hotel Grand Ferdinand an der Wiener Ringstraße.

Als Spieler wurde Hamann mit Bayern Meister, Cupsieger und stemmte den UEFA-Pokal. In Liverpool genießt er Heldenstatus, weil "The Kaiser" beim legendären Champions-League-Sieg 2005 gegen Milan beim Stand von 0:3 zur Pause eingewechselt wurde und dann Geschichte schrieb. Liverpool glich zum 3:3 aus, Hamann verwertet den ersten Elfer beim 3:2 mit kaputter Zehe.

Als Sky-Experte ist Hamann heute für seine klare Meinung berüchtigt und auch gefürchtet. "Heute" verriet der 49-Jährige nicht nur einen Lieblings-Ösi in Deutschland. Den Kartoffelsalat, der unter den Mini-Schnitzeln lag, rührte er nicht an.

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    IMAGO/LaPresse

    "Heute": Marcel Sabitzer ist in Dortmund gelandet. Funktioniert das?

    Didi Hamann: "Sabitzer hilft Dortmund, da bin ich mir sicher. Er hat diesen Willen, diese Widerstandskraft, diesen bedingungslosen Einsatz, der dem BVB in den entscheidenden Momenten letzte Saison fehlte. Für mich ist das ein toller Transfer für den Verein und auch für ihn."

    "Bei Bayern hatte ich das Gefühl, dass er spielerisch nicht gut genug ist. Da waren die technischen Fähigkeiten wichtiger als in Dortmund. Da passt er." 

    In Dortmund sehen das manche Fans anders. Als Kind schlief Sabitzer in Bayern-Bettwäsche.

    "Das ist doch ein Schmarrn. Er war als Kind Bayern-Fan, na und? Deshalb spielt er jetzt nicht schlechter. Dortmund hat Nmecha für 30 Millionen geholt. Dass er das wert ist, muss er erst einmal zeigen. Sabitzer war viel billiger, ist aber ein Typ, der vorangeht. Bei Bayern hatte ich das Gefühl, dass er spielerisch nicht gut genug ist. Da waren die technischen Fähigkeiten wichtiger als in Dortmund. Da passt er. Sabitzer wird in Dortmund zu einer Führungsfigur werden. Er ist genau der Spieler, der dem BVB im Endspurt gefehlt hat."

    Darum geht jetzt in Dortmund das Meistertrauma um. Wie lange noch?

    "Im Verein noch Monate, bei den Spielern Jahre. Die wenigsten Dortmunder waren schon Meister und die wenigsten werden jetzt noch Meister. Das verfolgt dich ein ganzes Leben. Nehmen wir Marco Reus, der wird wahrscheinlich ohne Meistertitel seine Karriere beenden. Die Chancen hatte er, genützt hat er sie nicht. Dabei war er vor der WM 2014 Deutschlands talentiertester Fußballer. Was ich nicht verstehe: Warum sagte er für die EM 2021 ab? Das war seine beste Phase. Du suchst dir ja nicht aus, wann du Nationalspieler bist. Du bist es, oder du bist es nicht. Richtig ist, dass er jetzt die Kapitänsbinde bei Dortmund abgegeben hat. Ich habe letztes Jahr schon gesagt: Man sollte ihm die Binde wegnehmen, weil sie eine Belastung für ihn und auch für den Trainer ist. ,Warum spielt der Kapitän nicht?' Das konnte keiner mehr hören." 

    "Kahn ist keiner, der zur Sekretärin geht und fragt: ,Wollen Sie eine Butterbrezn und eine Tasse Kaffee?'" 

    Bei den Bayern regiert wieder Uli Hoeneß. Also alles gut?

    "Mich hat gewundert, wie man mit Kahn und Salihamidzic umgegangen ist. Über ihre Arbeit kann man geteilter Meinung sein. Salihamidzic war fünf, sechs Jahre hier, hat große Spieler geholt wie Mane oder De Ligt. Bei Kahn wusste man, wie er ist. Er wurde verehrt von den Fans, weil er so gut war und nicht weil er so volksnah ist. Das Miteinander ist aber in dieser Position das Wichtigste. Es ist nicht mehr das Bälle halten, sondern man muss mit Leuten umgehen. Jetzt zu sagen, er war überfordert – das ist mir zu einfach. Da muss ich den Fehler dort suchen, wer ihn einsetzte. Kahn ist keiner, der zur Sekretärin geht und fragt: ,Wollen Sie eine Butterbrezn und eine Tasse Kaffee?' Und sich auch noch erkundigt wie ihr Wochenende war. Ich verstehe deshalb die Kritik an ihm nicht. Das haben weder Kahn noch Salihamidzic verdient. Sie waren Publikumslieblinge, die ihr Herzblut für den Verein Woche für Woche am Platz gelassen haben. Solche verdiente Leute vor dem letzten Spiel, wo du Meister werden kannst, von ihren Aufgaben zu entbinden, das ist eines FC Bayern nicht würdig."

    Und wird es unter Uli Hoeneß nicht mehr geben. Oder?

    "Abwarten. Man holte mit Christoph Freund einen Sportdirektor aus Salzburg und Trainer Tuchel wusste von nichts. ,Ich habe mit dem Mann noch nie gesprochen', war seine erste Reaktion. Tuchel war aber vor vier Wochen noch der wichtigste Mann. Er verhandelte mit Kane und Walker. Er erledigte die Aufgaben, für die er nicht zuständig war. Er machte das, weil er ein Profi ist und das beste für den Verein will. Vier Wochen später wird ein Sportdirektor geholt und man sagt ihm das gar nicht. Warum hintergeht man Tuchel? Der vorhergehenden Führung hat man mangelnde Kommunikation vorgeworfen. Da frage ich mich: Hat sich so viel geändert?"

    "Die Bayern haben einen wunderschönen Christbaumschmuck, aber keinen Baum"

    Ändern wird sich etwas mit Stürmer Harry Kane.

    "Es geht um die Achse in Fußballteams. Die Bayern haben wunderschönen Christbaumschmuck, aber keinen Baum. Sie haben wunderbare Flügelspieler, variable Außenverteidiger. Aber was ist mit der Achse? Bei Tormann Neuer muss man abwarten, da weiß niemand was passiert. Zwei Innenverteidiger auf die man sich verlassen kann, haben sie nicht. Vielleicht  Kim, der hat aber erst eine gute Saison bei Napoli gespielt – da wäre ich vorsichtig. Einen Sechser haben sie auch nicht, das ist weder Kimmich noch Laimer noch Goretzka. Und sie haben keinen Stürmer. Den 30-jährigen Kane für 100 Millionen zu holen – das ist doch Wahnsinn. Da sollen sie doch den Tel vorne reinstellen. Wenn der verschießt, ist es halt so. Dann werde ich einmal Zweiter, aber nächstes Jahr wird er besser sein."

    Zweiter wird Bayern nicht gern. Was ist so schlimm an Kane?

    "100 Millionen für einen 30-Jährigen, der noch ein Jahr Vertrag hat. Ich verstehe das nicht. Vor ein, zwei jahren haben sie dem Neuer und Müller gesagt, wir verlängern den Vertrag  nur um ein Jahr. Jetzt holen sie den 33-jährigen Walker für 15 Millionen und geben ihm zwei Jahre Vertrag. Was müssen sich da Müller und Neuer denken? Was Bayern macht, ist höchstgefährlich." 

    Klingt nach viel Arbeit für Christoph Freund, der ab 1. September bei Bayern loslegt.

    "Die Frage ist, inwieweit Rummenigge und Hoeneß Einfluss nehmen werden. Da muss er sich behaupten, das ist neu für ihn. Er wird sich durchsetzten müssen. In München ist es ein Qualitätsmerkmal, die Ellbogen auszufahren. Das hat er bis jetzt noch nicht gebraucht. Wenn er erfolgreich sein will, muss er das tun."

    Ellbogen gegen wen?

    "Gegen alle. Die Presse, den Aufsichtsrat. Er muss sein Profil schärfen, dass er gehört und ernst genommen wird. Freund wird die Entscheidungen treffen müssen, auch wenn Hoeneß einmal anderer Meinung ist."

    Wie gut ist Freund?

    "Er ist eine sympathische Lösung. Viele Österreicher haben Spuren in Deutschland hinterlassen. Zu viele Bayern-Interviews waren verbissen in den letzten Jahren. Ich glaube, dass Freund den wichtigen Schuss Lockerheit mitbringen kann. Seine Expertise wird helfen, er ist ein hervorragender Mann. Von 100 Leuten hätten keine zwei das Angebot von Chelsea abgelehnt. Er hat das gemacht. Er hat Weitsicht gezeigt. Aber auch Rückgrat, weil er davon nicht überzeugt war." 

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      Die legendärsten ÖFB-Legionäre 
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      gepa-pictures.com, Imago Images
      "Patrick Wimmer wurde in der Akademie das Talent nicht rausgecoacht" 

      Wer ist eigentlich Ihr "Lieblings-Ösi" in Deutschland?

      "Ich habe den Hinteregger immer gerne angeschaut und auch angehört. Im Moment ist es Patrick Wimmer. Er war nie in einer Akademie. Er spielt Fußball so wie er gespielt werden sollte auf der Position: kreativ und mit Spielfreude. Er macht Sachen, mit denen keiner rechnet. Es gibt zu viel Systemfußball. Es werden Blöcke verschoben, es wird neutralisiert, es wird zerstört. Wimmer macht was anderes. Ihm wurde in der Akademie das Talent nicht rausgecoacht. Mich erinnert das an Max Kruse. Wimmer hat geniale Momente. Er ist ein Typ, der Spiele gewinnt."

      Ralf Rangnick hat große Pläne mit Österreich bei der EURO 2024 in Deutschland.

      "Dafür müssen sie sich erst einmal qualifizieren."

      Stimmt. Und dann?

      "Es ging in der Quali gut los, aber das muss man erst bestätigen. Die Mannschaft ist gut, fast die gesamte Startelf spielt bei Top-Teams. Wenn ich sehe, was andere Nationen leisten, da sind die Österreicher nicht schlechter. Das habe ich unter Foda nicht verstanden."

      Also doch gute Perspektiven.

      "Ich war skeptisch als Rangnick übernommen hat. Er wird als Messias hingestellt, seine Bilanz als Trainer ist aber überschaubar. Rangnick genießt einen guten Ruf. Am besten war er als Sportdirektor mit Hoffenheim und Salzburg, aber da hat das Geld keine Rolle gespielt. Den Beweis, dass er das Maximum aus einer Mannschaft über einen längeren Zeitraum rausholt, den ist er noch schuldig geblieben. Das muss er zeigen."

      Wie denken Sie über den Transfer-Wahnsinn in Saudi-Arabien?

      "Das erste Mal gehen Stars mit 28 Jahren dorthin. Wenn ein Mahrez oder ein Brozovic das tun, dann ist das neu. Für den Fußball ist es eine Bedrohung. Es gibt aber keine Regeln. Manchester City hat 151 Verstöße gegen das Financial Fairplay. Die UEFA muss Regularien schaffen, wo Vereine nur das ausgeben können was sie einnehmen. Klar ist auch, die Saudis wollen die WM. Darum wird die FIFA nicht einschreiten. Wir müssen aufpassen, dass wir den Fan nicht verlieren. So kann es nicht weitergehen."

      Sie polarisieren als Sky-Experte mit scharfer Kritik. Schlafen Sie manchmal schlecht?

      "Ich schlafe immer gut. Ich beurteile nur das, was ich sehe. Bei mir geht es um die Sache, da ist nie was Persönliches. Mein Vorteil ist, dass ich lange in England war. Ich kenne die sportlichen Verantwortlichen, bin aber mit niemandem befreundet. Und ich will auch nicht Freund sein. Sonst könnte ich diesen Job nicht machen. Ich habe eine Verantwortung dem Zuseher gegenüber und dem Sender Sky. Mein Auftrag ist, dass ich das sage, was ich denke. Und nicht das sage, was ich denken darf, weil ich mit wem verbandelt oder befreundet bin."

      Das Sky-Team: Vice Präsident Uwe König, Constanze Weiss und die Experten Peter Stöger, Marko Stankovic, Andreas Herzog, Alfred Tatar, Walter Kogler, Didi Hamann, Marc Janko. Ab Freitag überträgt Sky mehr als 1.400 Spiele live – darunter alle 195 in der österreichischen Bundesliga. 
      Das Sky-Team: Vice Präsident Uwe König, Constanze Weiss und die Experten Peter Stöger, Marko Stankovic, Andreas Herzog, Alfred Tatar, Walter Kogler, Didi Hamann, Marc Janko. Ab Freitag überträgt Sky mehr als 1.400 Spiele live – darunter alle 195 in der österreichischen Bundesliga. 
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