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Handyvideo: Romney beschimpft Obama-Wähler

Heute Redaktion
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Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hat seine abfälligen Äußerungen über die Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama mit den Worten kommentiert, er habe sich nicht elegant ausgedrückt.

In dem heimlich aufgenommenen Video hatte er gesagt, 47 Prozent der Obama-Wähler seien Sozialschmarotzer, die glaubten, sie seien Opfer und die Regierung müsse für sie sorgen. Das Video entstand während eines privaten Empfangs für reiche Wahlspender. Es war dem linksgerichteten Magazin "Mother Jones" zugespielt worden.

Halb Amerika beschimpft

So haben die Wähler Mitt Romney noch nicht gehört: Der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner schmäht jene "47 Prozent der Menschen", die im November ohnehin für Barack Obama stimmen würden. Jene selbst erklärten "Opfer", die Ansprüche auf staatliche Leistungen erheben und keine Einkommenssteuern zahlen würden. Romney käme es wohl nie in den Sinn, vor laufender Kamera fast die Hälfte der Wählerschaft zu beschimpfen. Die explosiven Aussagen fielen bei einem Treffen mit reichen Spendern, von dem eine heimliche Videoaufnahme nun im Internet landete.

Serie von Romney-Schnitzern

Romneys unverblümte Wählerschelte, die sich am Dienstag im Netz verbreitete und von den US-Medien aufgegriffen wurde, folgt auf eine Serie von Schnitzern, die den Herausforderer im Kampf um das Weiße Haus zurückgeworfen haben. Lange hatte es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Obama und Romney bis zum 6. November ausgesehen. Doch 50 Tage vor dem Urnengang liegt der Präsident in landesweiten Umfragen sowie in mehreren möglicherweise wahlentscheidenden Bundesstaaten spürbar vorn.

Beweis-Video

Das linksgerichtete Magazin Mother Jones hatte am Montag mehrere Ausschnitte von Romneys pikantem Plauderstündchen online gestellt. Die Teilnehmer des Spendendinners sitzen um einen Tisch, sie sind in den Aufnahmen unkenntlich gemacht. Der erlesene Kreis lauscht Romney, schwarze Krawatte, schwarzer Anzug, ein Vortrag im Stehen. "Mein Job ist nicht, mich um diese Leute zu kümmern", sagt er. "Ich werde sie niemals überzeugen, persönlich Verantwortung zu übernehmen und für ihre Leben zu sorgen."

Geheim mitgefilmt

Wann und wo das Video entstanden ist, war unklar. Zerknirscht räumte Romney noch am Montagabend ein, dass er sich "nicht elegant" ausgedrückt habe. Er habe "aus dem Steigreif" auf eine Frage geantwortet. An den Aussagen hielt der frühere Finanzinvestor und Gouverneur von Massachusetts aber fest.

Angriff auf Romney

Die heimlichen Aufnahmen spielen Obamas Wahlkampfteam in die Hände, das Romney als abgehobenen Multimillionär zu brandmarken versucht, der sich nicht um die Sorgen der Mittelschicht und Arbeitnehmerschaft schere. Wahlkampfmanager Jim Messina nannte die Äußerungen "schockierend". Es sei schwer, den USA als Präsident zu dienen, "wenn man die Hälfte der Nation gering schätzend abgeschrieben hat", erklärte Messina.

Obama liegt vorn

Im Sommer war das Rennen um das Weiße Haus noch eine enge Angelegenheit, leichte Vorsprünge für Obama in landesweiten Erhebungen lagen innerhalb der statistischen Fehlerquote. Seit dem Parteitag seiner Demokraten vor knapp zwei Wochen ist der Präsident aber im Aufwind, Demoskopen sehen ihn vier, fünf, sogar sechs Prozentpunkte vor Romney. Auch die besonders umkämpften Bundesstaaten Ohio und Florida neigen in Umfragen derzeit Obama zu.

Holpriger Wahlkampf für Romney

Die Abgesänge einiger US-Kommentatoren auf Romney scheinen zwar verfrüht, immerhin stehen im Oktober noch drei TV-Debatten an. Doch der Wahlkampf des Republikaners verläuft alles andere als geschmeidig: Ende Juli stolperte er bei einer Reise nach Großbritannien, Israel und Polen über das internationale Parkett, auch beim Republikaner-Parteitag Ende August konnte Romney nicht überzeugen.

Zu wenig Mitgefühl für Opfer der Aufstände

Romney, der seinen Wahlkampf auf die schwache Wirtschaft zugeschnitten hat, konnte von der hohen Arbeitslosigkeit ebenso wenig profitieren wie zuletzt von den antiamerikanischen Protesten in der muslimischen Welt gegen ein in den USA produziertes Mohammed-Schmähvideo. In einer vorschnellen Erklärung hatte der Republikaner Obama Führungsschwäche vorgeworfen - doch selbst Parteifreunde tadelten Romney, er hätte angesichts der Attacken auf die US-Vertretungen in Kairo und Bengasi doch besser mitfühlende Worte wählen sollen.

APA/red.