'Weil er schwul war, kam er ins Konzentrationslager'

Heute Redaktion
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Hannes Sulzenbacher von QWien (Verein beschäftigt sich mit der Kultur und Geschichte der Schwulen und Lesben in Wien) über den Homosexuellen Josef Kohout, der von der Gestapo verhaftet wurde und zwei KZ überlebte. Ein Gespräch mit Maria Jelenko-Benedikt.

Ich treffe Hannes Sulzbenacher vom Verein „QWien", der sich mit der Geschichte von Schwulen und Lesben beschäftigt, im Heinz-Heger Park in Wien Alsergrund. Dieser Park ist nach einem niederösterreichischen Journalisten und Autor benannt, der 1972 das Buch „Die Männer mit dem rosa Winkel" veröffentlicht hat.

Anhand der Geschichte von Josef Kohut erinnert der Autor in diesem Buch daran, dass auch Homosexuelle in den KZs von den Nationalsozialisten festgehalten und ermordet wurden. Ein armseliges, mit der Zeit verblichenes „Denkmal" soll hier an diese Opfergruppe erinnern.

Kohut überlebte zwei KZ

Der damals 24-jährige Kohut, ein Postbeamter, der an diesem Platz wohnte, wurde wegen seiner Homosexualität von der Gestapo verhaftet und vors Landesgericht gestellt, erzählt Sulzenbacher. „Er kommt zunächst in das Konzentrationslager Sachsenhausen und dann ins KZ Flossenbürg, wo er den ganzen Rest der Nazi-Zeit, also sechs Jahre lang, überleben muss. Er schafft es aber. Er ist einer der Wenigen, die Konzentrationslager überlebten, und er kommt im Mai 1945 nach Wien zurück."

Kohut ist laut Nachforschungen von QWien einer von rund 90 bekannten Fällen von Homosexuellen, die ins Konzentrationslager kommen. Insgesamt waren es jedoch viel mehr. Und nur ein kleiner Teil davon überlebte die Zeit im Konzentrationslager. „Es gibt ganze Aktenbestände, die verloren gegangen sind", weiß Sulzenbacher. Vor allem Jugendgerichtsakten wurden vernichtet. „Wir werden nie wissen, wie viele Jugendliche, etwa Stricher, verfolgt worden sind und ins KZ kamen, und auch dort gestorben sind, weil einfach die Akten weg sind."

Unter den Homosexuellen waren es laut Nachforschungen vor allem sozial Benachteiligte, die die Nazis verfolgt haben. Fälle von Akademikern seien nur wenige bekannt. Bei einem Prominenten drückten die Nazis ein Auge zu: Raoul Aslan, ein berühmter Burgschauspieler. Ausnahmen machten die Nazis hier auch bei ihresgleichen: „Unter den vielen Beschuldigten, die wir aus der Nazi-Zeit haben, finden sich nicht wenige, die Parteimitglied waren. Höherrangige Nazis finden wir keine unter den Beschuldigten", so Sulzenbacher über die historischen Belege.



Lesben wurden eingesperrt


Wie ist es den weiblichen Verfolgten gegangen, also den Lesben, will ich wissen. „Lesbische Sexualität hat sich grundsätzlich und traditionell viel mehr im Privaten abgespielt. Das war dadurch auch viel geheimer. Dadurch ist man viel schwerer in die Fänge der Polizei gekommen." Die Folge: Lange Strafdauer im Gefängnis. Sulzenbacher erzählt von einer Frau, die eine chiffrierte Kontaktanzeige in einer Tageszeitung aufgegeben hat, dass sie eine Freundin zum Wandern suche. „Bei der Postkontrolle kommt die Gestapo drauf, was sie für Briefe bekommt. Die wollen nicht unbedingt alle wandern gehen. Die Gestapo hebt all diese Frauen aus, holt sie alle ins Hotel Metropol am Morzinplatz, verhört sie alle und zwei von ihnen gehen für Monate ins Gefängnis."

In Wien zurück kämpfte Kohut für eine Entschädigung der Homosexuellen in der Nazizeit, welche die Republik den Opfern verwehrt hatte. „Es wurde ihm alle paar Jahre stereotyp immer wieder abgelehnt, dass er als Homosexueller ein Anrecht auf irgendeine Wiedergutmachung bekommen soll. Für ihn am schlimmsten war, dass er, er wollte, dass die Haftzeit im KZ als Pensionszeit angerechnet wird. Weil die, die bei der SS gearbeitet haben, die KZ-Wächter, denen wurde es als Pensionszeit angerechnet. Den Häftlingen nicht." Schließlich gelang es Kohut, für die letzten Jahre seines Lebens eine Entschädigung zu erhalten.

Viele dieser Opfergruppe haben sich nicht getraut, einen Entschädigungsantrag zu stellen, erzählt Sulzenbacher.

Das Interview ist Teil einer Zeitzeugen-Serie. Alle Zeitzeugen-Gespräche finden Sie auf www.heute.at/zeitzeugen

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