Niederösterreich

Heimbewohner ruhiggestellt - drei Ex-Pfleger verurteilt

Finale am Donnerstag im Pflegeprozess in St. Pölten: Vier Ex-Pflegehelfer sollen Demente ruhig gestellt haben, es setzte drei Schuldsprüche. 

Prozess um Missbrauch in Heim: Vier Pfleger vor Gericht (Bild vom Verhandlungstag im Jänner).
Prozess um Missbrauch in Heim: Vier Pfleger vor Gericht (Bild vom Verhandlungstag im Jänner).
HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Sechster Prozesstag der Schöffenverhandlung am Landesgericht St. Pölten rund um den mutmaßlichen Missbrauch wehrloser Personen in einem Pflegeheim in Sitzenberg-Reidling (Bezirk Tulln): Vier Pfleger (drei Frauen und ein Mann im Alter von 33 bis 46 Jahren) mussten am Donnerstag erneut vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, Bewohner körperlich misshandelt, gequält, missbraucht, beschimpft und bespuckt zu haben. Zudem sollen Heimbewohner ruhig gestellt worden sein.

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    Prozess um Missbrauch in Heim: Die vier früheren Pflegehelfer eines Heimes im Bezirk Tulln vor Gericht in St. Pölten.
    Prozess um Missbrauch in Heim: Die vier früheren Pflegehelfer eines Heimes im Bezirk Tulln vor Gericht in St. Pölten.
    HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

    Die vier Ex-Mitarbeiter des Pflegeheims Sitzenberg-Reidling waren bereits im Frühjahr 2021 ins Visier der Ermittler geraten. Die Erhebungen dauerten bis 2022, dann wurde Anklage erhoben.

    WhatsApp-Gruppe

    Drei der vier Angeklagten sollen sich über die mutmaßlichen Vorfälle in einer WhatsApp-Gruppe ausgetauscht haben. Laut den Chats (Anwalt sprach von "Psychohygiene") ging es den Pflegehelfern darum, unliebsame Bewohner mit zusätzlichen Medikamenten „ins Koma zu versetzen“.  Alle vier Beschuldigten bekannten sich von Beginn an nicht schuldig.

    Am Donnerstag wurden nochmals Zeugen, eine ehemalige Arbeitskollegin sowie ein Kriminalbeamter, befragt. Ein Zeuge berichtete von vielen Gerüchten und einer miesen Stimmung auf der Station. Ein Diplomkraft erzählte von einer "unangenehmen Ruhe" auf der Station, die Bewohner hätten nicht miteinander gesprochen.

    Gutachten abgelehnt

    Die 46-jährige Erstangeklagte wurde als sehr autoritär und bestimmend beschrieben. Übereinstimmend mit den Beschuldigten und im Gegensatz zu anderen Zeugen erklärte eine ehemalige Beschäftigte, dass Pflegeassistenten bei Bedarf zusätzliche Medikamente auch ohne das Okay einer diplomierten Pflegekraft verabreichen durften.

    Die Bewohner seien in der besagten Zeit bis 2021 sichtlich und oft sehr müde gewesen. Nachdem die Angeklagten nicht mehr im Heim tätig waren, hätte sich der Zustand der Demenzkranken verbessert. 

    3 Schuldsprüche

    Zwei Zeugen waren am Donnerstag nicht erschienen, die Verteidigung stellte nochmals einige Beweisanträge (weitere Zeugen, Gutachten). Doch die Staatsanwältin sprach sich aufgrund von „Nichtrelevanz“ gegen sämtliche Beweisanträge aus, der Schöffensenat lehnte die weiteren Anträge somit ab. 

    Der Prozess endete mit drei Schuldsprüchen und einem Freispruch (nicht rechtskräftig). Die 46-jährige Erstangeklagte fasst 30 Monate teilbedingte Haft aus, zehn Monate davon muss sie absitzen.. Ein 36-Jähriger wurde zu 24 Monaten, davon 16 auf Bewährung, verurteilt. Eine 33-Jährige erhielt 21 Monate, davon 14 bedingt. Die 39-jährige Viertangeklagte wurde freigesprochen. Die Urteile des Landesgerichts St. Pölten sind nicht rechtskräftig, somit gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Die Verteidigung erbat Bedenkzeit.