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HTC Vive im Test: Wenn die Realität langweilig wird

Heute Redaktion
14.09.2021, 14:12

Zunächst für viele überraschend kündigte HTC im März 2015 eine eigene Virtual-Reality-Brille an. Über die Monate sorgte das Projekt aber mehrmals für Furore. Nun ist es soweit, die HTC Vive soll noch 2015 in den Handel kommen, gemunkelt wird, es sei der 8. Dezember. Deswegen haben wir die Möglichkeit genutzt und die HTC Vive bei einer exklusiven Präsentation im Wiener Museumsquartier getestet. Das wird ganz, ganz groß!

Die HTC Vive gleicht zwar äußerlich Konkurrenten wie PlayStation VR oder Oculus Rift, liefert aber ein fast gänzlich anderes, nicht statisches, sondern aktives User-Erlebnis. Aber von Anfang an: Was man braucht ist eigentlich nur ein so gut wie leerer Raum, in dem man sich frei bewegen kann. In diesem sorgen zwei Laser-Stationen dafür, dass der Träger der Brille und seine Bewegungen exakt erfasst werden. Funktionieren soll bis bis zu einer Größe von 25 Quadratmetern. 

Dann geht es los. Die Brille, die in der Entwicklerversion noch klobig wirkt, setzt man wie eine Skibrille auf. Darüber kommt ein Kopfhörer-Set und man bekommt zwei kabellose Controller in die Hände gedrückt. Fertig, los geht's. Wer bis dahin, wie ich, mit geringen Erwartungen an die Präsentation gegangen ist, den würde es vom Hocker reißen, wenn man auf einem sitzen würde. Die Auflösung ist gestochen scharf, man sieht sich und bewegt sich ruckelfrei im virtuellen Raum.

Randale in der Roboterfabrik

Dafür, dass man in der Euphorie nicht gegen die nächste Wand rennt, sorgt ein virtuelles Gitternetz, das einem vor Zusammenstößen warnt. Das ist auch gut so, denn gleich in der ersten Demo wird man auf ein gesunkenes Schiff am Grunde des Meeres versetzt und kann sich an Bord und über die Reling hinweg gar nicht satt sehen. Hier war noch wenig Eigen-Action gefragt, umso beeindruckender waren aber die Bilder. Tauchen riesige Meeresbewohner neben einem auf, wartet man nur auf die physische Welle, die einem da gleich treffen könnte, so realistisch stellt sich der Eindruck dar.

Generell hat HTC bei der Vive-Demo mit bombastischen Eindrücken nicht gespart. Egal, ob man gerade als Hilfsarbeiter in einer futuristischen Roboterfabrik spektakulär für Chaos sorgt (genervter Roboterboss inklusive), in einer magischen Höhle als Nachwuchszauberer versucht oder als sich Büroangestellter simpel seinen Kaffee kocht und dabei Anrufe erledigt - schnell verliert man sich in der virtuellen Welt und kann nicht mehr sagen, wo man sich im realen Raum gerade befindet. Dass die Brille an einem Kabel hängt, behindert den Spieler nicht, wie man anfangs vermuten könnte.

Zombiejäger oder Maler

Besonders "geflasht" wird man von zwei höchst unterschiedlichen Spiele-Demos. Bei dem Ersten betätigt man sich als Maler - über den linken Controller werden (als Rechtshänder) Pinselformen, Effekte und Farben ausgewählt, mit dem rechten bestimmt man die Strichstärke und wird zum Picasso - oder wie in meinem Fall eher zur Konkurrenz für Kindergarten-Kinder. Das künstlerische Talent dahingestellt, beeindruckt die Möglichkeit, das eigene 3D-Werk zu umrunden, aus verschiedenen Winkeln zu betrachten und sogar zu betreten, um von innen nach außen zu malen.

Action ist dagegen in einem Zombie-Survival-Game gefragt, das an Titel wie "Left 4 Dead" erinnert. In einer Wüstenlandschaft bewegt man sich frei zwischen Felsen, liegengebliebenen Fahrzeugen und... Zombies, die einem ans Fleisch wollen. Die Controller mutieren dabei zu Waffen, die man in der Umgebung aufsammelt, um den Untoten Paroli zu bieten. Dabei steigt der Puls, denn jederzeit blickt man auch über die Schulter, um sich anschleichende Gestalten zu entdecken. Die Controller werden schnell zur natürlichen Verlängerung der eigenen Hand, das Gefühl ist so realistisch, dass man vor Zombies zurückzuckt oder bei lauten Geräuschen in Deckung springen will.

Darf's ein bisschen mehr Sex sein?

Leider kommt auch der Moment, in dem die Brille abgesetzt wird, und in diesem denkt man sich: Schade, nun ist die Realität gegenüber dem gerade Erlebten tatsächlich langweilig geworden. Die Demos zeigen gut, auf was sich der Endnutzer einstellen kann: eine riesige Palette an unterschiedlichen Spielen und anderen Anwendungen. Neben Spielen sind aber auch zahlreiche Einsatzgebiete im professionellen und semi-professionellen Bereich geplant.

Verraten wollen die HTC-Verantwortlich hier noch nicht zu viel, lassen sich aber trotzdem ein bisschen in die Karten schauen. So sind Kooperationen mit Museen (wer will nicht durch ein thailändisches Museum von seinem Wohnzimmer aus spazieren?), mit dem Film- und Fernsehgiganten HBO und Bildungseinrichtungen (operieren Medizin-Studenten bald im virtuellen Raum?) sowie Unternehmen (bauen Sie sich Ihre virtuelle Küche zu Anschauungszwecken zusammen oder fahren Sie Ihr Traumauto vor dem Kauf Probe) möglich. Und: Sex wird ein großes Thema, ganz klar. Auch im Erwachsenenbereich sind einige prickelnd-pikante Inhalte am Start.

Design wird noch überarbeitet

Bleibt die Frage, wann der User in die VR-Welt abtauchen kann. "Noch 2015", erklärt dazu Daniel Nemetschek, HTC Sales Manager für Österreich. Konkreter: Die HTC Vive wird in kleineren ausgewählten Regionen in kleineren Wellen ausgerollt, bevor sie überall erhältlich sein wird. In Österreich wird die Chance darauf, noch heuer eine Vive zu ergattern, gering sein. Die Preisfrage bleibt auch kurz vor dem Start eine Preisfrage: Von Kosten will man (noch nicht sprechen), "sie wird aber in jedem Fall leistbar für den Endkunden sein", so Nemetschek.

Wer sich mit dem Skibrillen-Look nicht anfreunden will, der kann aufatmen. Bevor die Vive in den Handel kommt, wird sie wesentlich überarbeitet werden. Die Kabelanschlüsse werden zwar voraussichtlich bestehen bleiben, insgesamt wird die Brille aber eher an eine Maske als an eine Brillen-Box orientiert sein. Abwarten muss man noch, ob die Kopfhörer in die finale Version fix verbaut werden. "Von den Inhalten kann sich der User Premium-Content erwarten", so HTC-Marketingchef Markus Bühlmann, der damit vor allem auf die Spiele abzielt. "Wenn der Name Valve (Entwickler-Partner der Vive, Anmerkung) fällt, dann wissen die Gamer, dass das nur das Beste ist."

Die technischen Details

Die HTC Vive hat pro Auge einen Bildschirm in je einer Auflösung von 1.200 x 1.080 Pixel, die Bildwiederholungsrate beträgt 90 Hertz. In der Hardware sorgen ein Drehbewegungs, Beschleunigungs- und Positionssensor dafür, dass es ein aktives 360-Grad-Erlebnis gibt. Für die Live-Ortung des Trägers im Raum werden zwei "Basisstationen" verwendet. Diese sollen in der Endversion einfach auf Regalen gelegt oder an der Wand montiert werden können. Am Gerät befinden sich ein USB 2.0-, ein USB 3.0-, ein Kopfhörer- und ein HDMI-Anschluss. Zum Interagieren gibt es zwei spezielle Controller.

Rene Findenig

[email protected]

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