Ohne Huhn kein Ei, aber ohne Ei kein Huhn. Da stellt sich die Frage: Was war zuerst da? Die Antwort war bislang offen. Nun heißt es aus Genf: Das Rätsel sei gelöst. Demnach kam zuerst das Ei.
Das Team um Omaya Dudin vom Institut für Biochemie an der Universität Genf beschäftigte sich für seine Studie mit dem Einzeller Chromosphaera perkinsii, kurz: C. perkinsii. Dabei beobachteten sie, dass er beim Heranwachsen mehrzellige Strukturen bildet, die verblüffende Ähnlichkeiten mit tierischen Embryonen aufweisen.
C. perkinsii wurde zwar erst 2017 auf Hawaii entdeckt, kommt aber schon seit mindestens einer Milliarde Jahren auf der Erde vor. Entsprechend lässt die neue Entdeckung darauf schließen, dass die genetischen Programme, die für die Embryonalentwicklung verantwortlich sind – also für den Prozess, bei dem sich eine befruchtete Eizelle zu einem Embryo entwickelt – bereits vor der Entstehung tierischen Lebens vorhanden waren, heißt es in einer Mitteilung.
„Es ist faszinierend, dass eine erst kürzlich entdeckte Spezies es uns ermöglicht, mehr als eine Milliarde Jahre in der Zeit zurückzureisen“Marine OlivettaLabortechnikerin am Institut für Biochemie an der Uni Genf
"Obwohl C. perkinsii eine einzellige Art ist, zeigt dieses Verhalten, dass mehrzellige Koordinations- und Differenzierungsprozesse bereits in der Art vorhanden waren, lange bevor die ersten Tiere auf der Erde erschienen", erklärt Dudin. Die Natur hätte demnach schon lange bevor sie "Hühner erfand", die genetischen Werkzeuge besessen, um "Eier zu erzeugen".
Nicht das erste Mal, dass Forschende auf das Ei tippen
Bereits 2006 meldete ein Team, bestehend aus einem Genetiker, einem Philosophen und einem Hühnerfarmer, dass das Ei zuerst da war. Ihre Begründung: Da schon ungeschlüpfte Küken über einen "Klopfinstinkt" verfügen, der ihnen hilft, die Eischale von innen mit dem Schnabel aufzubrechen, muss das Ei zuerst da gewesen sein.
Laut Marine Olivetta, die Erstautorin der im Fachjournal "Nature" veröffentlichten Studie "ist es faszinierend, dass eine erst vor kurzem entdeckte Art es uns ermöglicht, mehr als eine Milliarde Jahre in die Vergangenheit zu reisen".
Die neue Studie widerlegt die Schlussfolgerung eines chinesisch-britischen Teams. Dieses hatte im Frühjahr 2024 berichtet, das Huhn sei zuerst da gewesen. Die Forschenden stützten sich dabei auf die Erkenntnis, dass die Vorfahren der Hühner keine Eier legten, sondern lebende Nachkommen zur Welt brachten. Doch so alt wie C. perkinsii waren die untersuchten Fossilien nicht.