Politik

Was die "schoafe Russin" von Strache wollte

Macht, Medien und Korruption – Das Buch "Die Ibiza-Affäre" nennt neue Details der Rauschnacht von Strache und Gudenus.

Heute Redaktion
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Im Sommer 2018 locken Unbekannte die beiden deutschen Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer nach langem Hin und Her in ein nicht näher genanntes deutsches Hotel. Die "nervösen Informanten" bleiben wegen des "Quellenschutzes" immer im Dunkeln. Die Informanten erzählen, dass sie Strache im Jahr 2017 eine Falle gestellt hätten. Ein Beweisvideo wird gezeigt.

Der Film dauert eine Viertelstunde, ein "Best of Strache". Die Qualität ist lausig. Die zwei Journalisten fürchten zwar eine Fälschung, doch sie beißen an. Sie wollen unbedingt das gesamte Video sehen. Immer wieder kommt es zu Treffen mit den Informanten, wie bei einer Schnitzeljagd.

Weißer Bildschirm

Im Herbst 2018 ist es dann so weit. Aber das Laptop, auf dem das Ibiza-Video läuft, zeigt ein weißes Display. Nur mit Spezialbrillen ist es möglich, die Szenen zu sehen. Die Informanten wollen so verhindern, dass die Journalisten den Bildschirm abfilmen. Die Journalisten wiederum nennen ihre Recherchen ab sofort "Projekt Weißer Bildschirm". Das Hauptvideo dauert 4 Stunden und 40 Minuten, insgesamt haben mehrere Kameras rund 20 Stunden Filmmaterial aufgenommen.

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24. Juli 2017, die Luxus-Villa auf Ibiza. Um 20.00 Uhr treffen Strache und Johann Gudenus samt Frau Tajana ein. Die angebliche Oligarchennichte Aljona Makarowa empfängt sie in High Heels und schwarzem Mini. Und mit Bussis. Auch ein deutsch sprechender Begleiter der Russin ist dabei. "Hello Aljona, nice to meet you", sagt Strache. "Der Parteichef", sagt Gudenus. Man plaudert auf der Terrasse.

"Gehen wir ins Haus"

Es wird geschäftlich. Der Begleiter schlägt vor, ins Haus zu gehen: "Ist vielleicht intelligenter". Man wisse ja nie, wer zuhöre. Allgemeine Zustimmung. Drinnen wartet Nobel-Wodka "Beluga", Champagner und Red Bull. Er sei der "Red Bull-Brother from Austria", so Strache. Er ist in Topform, die Wodka-Cocktails fahren ein. Natürlich sind sowohl Terrasse als auch das Haus komplett verwanzt. Eine Kamera ist in einem Lichtschalter, eine andere in einem Handy-Ladegerät versteckt.

Gudenus freut sich, dass er das Treffen vermittelt habe. Er erzählt, dass die steinreiche Frau "den fünffachen Preis für ein Jagdrevier" bezahle, das Gudenus verkaufen will. Die "schoafe" Russin gefällt Strache, er gibt den Gockel.

Krone, Staatsaufträge und Spenden

Den ganzen Abend dreht sich das Gespräch um drei Themen: Die Kronen Zeitung, bedenkliche Staatsaufträge und Spenden für die FPÖ.

Strache fasziniert, dass sich die Russin die Kronen Zeitung für 240 Mio. Euro unter den Nagel reissen könnte. Sie habe zwei der vier Dichand-Erben an der Angel, lässt die Frau durchblicken. Sie wäre mit der Krone "gewiss die schönste Medienbesitzerin" Österreichs, so der FP-Chef. Und "zack, zack, zack" müssten Journalisten ("die größten Huren des Planeten") auf FPÖ-Linie gebracht werden. "Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie (Ungarns Premier) Orban", erklärt Strache.

"Der Schneebrunzer als Konkurrent"

"Der Schneebrunzer von der Zeitung Österreich" und der ORF seien dann die "einzige Konkurrenz", sagt Strache. Stundenlang drängt er die Russin zum Kauf der Krone. Sie würde damit "jeden Einfluss kriegen und eine Waffe in der Hand haben, dass alle dich schalten und walten lassen".

Doch die Russin fordert Garantien für mögliche Investitionen und lässt nicht locker. Sie sagt klar, dass ihr Geld nicht aus legalen Quellen stamme und verlangt Zusagen für korrupte Deals. Strache will nicht, die Russin wird unwirsch. Alles müsse "legal ablaufen, rechtskonform, den Gesetzen entsprechend, zum FPÖ-Programm passend", sagt Strache. Geld zu spenden, um im direkten Gegenzug etwas Konkretes zubekommen, das sei mit ihm nicht zu machen.

Der Saubermann

Strache versucht also sich dauernd als Saubermann darzustellen, der nichts Illegales tut. Trotzdem stellt er der Russin staatliche Aufträge mit "Überpreis" in Aussicht, will Österreichs Wasser verscherbeln und fordert Aufsichtsratsposten. Er erklärt ihr, wie man Parteispenden am Rechnungshof vorbeischleust: "Ich bin kein Trottel".

So kann sich Strache eine Struktur vorstellen, "wo wir das Wasser verkaufen, wo der Staat Einnahmen hat und derjenige, der das betreibt, genauso Einnahmen hat". Man müsse sich dann eben "um Prozente streiten". Der private Wasser-Vermarkter würde auf jeden Fall profitieren, verspricht Strache der interessierten Russin. "Des hat Sex", sagt er.

"Es scheint ein Kampf in ihm zu toben, Engelchen links, Teufelchen rechts", so die Autoren. Außerdem riecht Strache die Falle, aber Gudenus beruhigt. Er braucht das Geld der Russin.

Verwunderter Lockvogel

Sie habe für die Falle kein Geld gekommen, sagt die angebliche Russin Monate später bei einem Treffen zu den Journalisten. Und sie habe gewußt, was sie tue. Nur dass Strache und Gudenus ihr so "leichtfertig Dinge anvertraut" hätten, habe sie etwas gewundert. Wer die Frau ist, was sie motivierte, bleibt ungeklärt. Die Journalisten berufen sich im Buch insgesamt zwölf Mal (zu Recht) auf Quellenschutz. Immer dann, wenn's besonders interessant wird.

Auch mit üblen Gerüchten räumt das Buch auf. Strache kokst im Video nicht, es gibt keine Sex-Szenen, die Frau von Gudenus bleibt bis zum Schluss bei dem Treffen. Nur "Joschi" Gudenus spricht – auf Wunsch Straches – am Ende Klartext zum feschen Lockvogel: "Es (Korruption) ist möglich, nur er (Strache) sagt es nicht, verstehen Sie?"

Infos zum Buch:

"Die Ibiza-Affäre, Innenansicht eines Skandals"

Kiepenheuer & Witsch

ISBN: 978-3-462-31660-5

lesenswerte 272 Seiten, eBook

16,50 Euro
(GP)

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