Niederösterreich

Ibiza-Detektiv (41) muss jetzt 3,5 Jahre in Haft

Fortsetzung heute in St. Pölten im Drogenprozess gegen "Ibiza-Detektiv" Julian H.: Gegen Mittag zogen sich die Schöffen zur Urteilsberatung zurück.

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Der angeklagte Julian H.
Der angeklagte Julian H.
privat

Fortsetzung am heutigen Mittwoch im Drogenprozess gegen Julian H. in St. Pölten. Der 41-Jährige war von Zeugen widersprüchlich belastet worden, 1,25 Kilo Kokain in Haag (Bezirk Amstetten) übergeben zu haben.

Wegen Schulden gedealt?

Der Privatdetektiv soll laut Staatsanwaltschaft 2017 und 2018 insgesamt 1,25 Kilogramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent bei Haag (Bezirk Amstetten) in Niederösterreich, in Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro an einen Bekannten übergeben haben. Damit soll H. der Anklage zufolge Schulden beglichen bzw. seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben - mehr dazu hier.

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    Julian H. betritt den Gerichtssaal
    Julian H. betritt den Gerichtssaal
    Lenger Thomas

    Julian H.s Anwälte bestritten die Vorwürfe von Anfang an: "Ich schäme mich als österreichischer Rechtsanwalt und als Teil des österreichischen Justizsystems, ein derartiges Verfahren erleben zu dürfen oder zu müssen", so etwa Wolfgang Auer beim Prozessauftakt im Herbst 2021. Auch der zweite Verteidiger, Oliver Scherbaum, sprach von konstruierten und noch dazu schlecht konstruierten Vorwürfen. "Dagegen ist jede Netflix-Serie eine Sendung mit der Maus", so Scherbaum - mehr dazu hier.

    "Belastungszeugen instruiert"

    Mitte März war der Angeklagte erkrankt, der Prozess wurde somit neuerlich vertagt - mehr dazu hier. Das Medieninteresse am heutigen Mittwoch war groß: Kamerateams, Fotografen und Journalisten hatten sich am Gericht eingefunden. Julian H. bezeichnete es in seiner Stellungnahme als "bemerkenswert", dass trotz intensiver Ermittlungen - mit Telefonüberwachungen und Hausdurchsuchungen - sowie eigener Sonderkommission kein einziger Sachbeweis vorliege: "Das ist mehr als ungewöhnlich." Es sei für ihn jedoch "schlicht nicht möglich", die Behauptungen zu widerlegen. Er müsse sich verteidigen gegen eine "einseitig ermittelnde Soko und Staatsanwaltschaft".

    Die Belastungszeugen hätten ihre Aussagen immer wieder angepasst, es gebe keine kohärente Geschichte, sagte der Angeklagte beim Prozess. Sein früherer Geschäftspartner habe die Unwahrheit gesagt. Julian H. warf Gert Schmidt, Betreiber der Onlineplattform eu-infothek.com, vor, Falschinformationen weitergegeben zu haben. Gert Schmidt habe für den Glücksspielkonzern Novomatic lobbyiert und somit eine Nähe zur Soko. Der Angeklagte vermutete, dass die Belastungszeugin von Beamten hinsichtlich ihrer Aussagen instruiert worden sei.

    "Angeklagten als Opfer darzustellen, ist ein Ablenkungsmanöver" - so der Staatsanwalt im Schlussplädoyer

    Für den Staatsanwalt waren die Zeugenbelastungen jedoch nachvollziehbar: "Den Angeklagten als Opfer darzustellen, ist ein Ablenkungsmanöver."

    Anwalt Wolfgang Auer: "Die Aussagen der Belastungszeugen sind widersprüchlich. Da bleibt strafrechtlich nichts über." Der andere Advokat, Oliver Scheerbaum: "In diesem Verfahren wurde gelogen, es wurden Personen für belastende Aussagen belohnt." Weiters erinnerte der Advokat an 782 Chatnachrichten zwischen Schmidt und dem früheren FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus.

    Julian H. betonte nochmals: "Es ist der Anklage völlig egal, ob gelogen wurde. Es geht hier nicht ums Kokain, sondern ums Ibizia-Video." Seit 16 Monaten frage er sich, warum er in U-Haft sitze und er wisse es: "Weil es der Staatsanwaltschaft Wien vollkommen egal ist, ob Unwahrheiten verbreitet werden, ob gelogen wird."

    "Es geht hier nicht um Kokain, sondern ums Ibiza-Video" - Angeklagter Julian H. (41) kurz vor der Urteilsberatung

    Zu Mittag zog sich der Schöffensenat am Landesgericht Sankt Pölten zur Urteilsberatung zurück. Das Urteil: 3,5 Jahre Haft - nicht rechtskräftig. 

    Der 41-Jährige wurde wegen Kokainhandels sowie wegen Annahme, Weitergabe oder Besitzes falscher oder gefälschter besonders geschützter Urkunden und Fälschung besonders geschützter Urkunden schuldig gesprochen (Anm.: Bei einer Verkehrskontrolle in Wien im Jahr 2019 hatte Julian H. einen gefälschten, slowenischen Führerschein vorgewiesen). Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Somit ist das Urteil nicht rechtskräftig. Somit gilt auch weiterhin die Unschuldsvermutung.

    Amnesty International und epicenter.works orteten ein „Urteil gegen die Meinungsfreiheit in Österreich“. Thomas Lohninger von epicenter.works: „Es ging darum, eine abschreckende Wirkung auf zukünftige Aufdecker zu erzielen."